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  • Wolf Haas und der Kriminalroman: Unterhaltung zwischen traditionellen Genrestrukturen und Innovation

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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 07.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 116
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Verzwickte Fälle, ein eigenwilliger Detektiv und Lokalkolorit - die Kriminalromane von Wolf Haas bieten beste Unterhaltung. Dies liegt vor allem an Brenner, Haas’ Ermittler, der jeden noch so schwierigen Fall auf seine ganz eigene Art löst. Aber was für ein Detektiv ist eigentlich dieser Brenner? Ein klassischer Ermittler à la Sherlock Holmes oder doch eher ein Mann der ‘harten’ Schule? Inwieweit folgen die Romane traditionellen Genrestrukturen und was ist eindeutig innovativ? Das Anliegen dieser Studie soll es sein, das Werk des österreichischen Schriftstellers Wolf Haas hinsichtlich bestimmter Elemente zu analysieren und auf diese Weise in den Kontext der Kriminal- bzw. der Detektivromane einzuordnen. Hierfür wird das Augenmerk sowohl auf die Detektiv- als auch die Erzählerfigur, die Romanwelt, die Struktur und signifikante Elemente gelegt. Als Vergleichsgerüst dienen die Komponenten des klassischen sowie des hard-boiled-Detektivromans. Die Auswertung der Analyse ermöglicht darzulegen, ob, bei welchen Aspekten und aus welchen Gründen bei den Romanen von Wolf Haas innerhalb des Kriminalgenres einerseits von Tradition, andererseits von Innovation die Rede sein kann.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 4.1, Das klassische Modell: 4.1.1, Detektivfigur: Die klassischen Detektive von Dupin über Holmes bis hin zu Poirot besitzen einen außergewöhnlichen Intellekt, der sie in Verbindung mit ihrem Vertrauen auf Logik und ihre Kombinationsgabe jeden noch so schwierigen Fall lösen lässt. Ersteren werden durch die überragende Intelligenz und die unfehlbare Scharfsinnigkeit beinahe übermenschliche Züge verliehen, während Poirot an Grenzen stoßen kann und sich nicht nur auf den analytischen Verstand, sondern auch auf seine Intuition verlassen muss. Die great detectives sind den anderen Figuren der Romanwelt, allen voran ihren Begleitern und der Polizei, geistig überlegen, und auch der Leser ist nicht fähig, ihre Schlussfolgerungen und Gedankengänge vorauszuahnen. Hinsichtlich ihrer Ermittlungen gleichen sie sich grundsätzlich, denn die analytische Denkarbeit ist es, die das Fundament ihrer detektivischen Tätigkeiten darstellt. Ihr Denken verläuft in der Regel methodisch: ‘Deduktionen, Kombinationen usw. basieren auf genauen Beobachtungen, Messungen, Zeugenaussagen und werden – womöglich durch Experimente – überprüft.’ Durch die starke Konzentration auf ihren scharfen Verstand zeichnet die great detectives eine mehr oder minder ausgeprägte Bewegungslosigkeit aus, da sie fähig sind, Fälle sprichwörtlich im Lehnstuhl zu lösen, was ihnen auch die Bezeichnung armchair detective eingebracht hat. Während Dupin tatsächlich beinahe unbeweglich ist, nehmen bei Holmes die aktionistischen Elemente zu, denn er sucht aktiv Tatorte auf und verbindet seinen Scharfsinn mit wissenschaftlichen Beobachtungen. Er gerät vereinzelt in Handgemenge, grundsätzlich ist jedoch der Einsatz von Gewalt in klassischen Detektivromanen gänzlich unüblich. Auch Poirot sitzt nicht ausschließlich grübelnd in seiner Wohnung, sondern führt Befragungen durch und kundschaftet Tatorte aus. Nichtsdestotrotz liegt auch bei Holmes und Poirot das Augenmerk auf ihrer Verstandeskraft und nicht auf ihren aktionistischen Tätigkeiten, denn das Rätsel lösen sie schlussendlich durch Nachdenken. Die Ausgangssituationen dieser Denkarbeiten unterscheiden sich individuell. Dort wo Dupin ‘logisch schließend’ und Poirot ‘intuitiv erfassend’ eine Hypothese bilden, weitere Fakten dieser zuordnen oder aufgrund derselben nach Fakten suchen und sie dann je nach dem Vorgefundenen ‘entweder falsifizieren und neu [bilden] oder eben verifizieren’, beginnt Holmes ‘empiristisch mit der Beobachtung von Fakten’, die er zueinander in Beziehung setzt und auf ihre Ursprünge zurückführt. Indem er dann etwaige Widersprüche ausschaltet und Zusammenhänge herstellt, baut er eine Theorie auf, die letztendlich bestätigt wird. Unabhängig davon, ob man ihre Methode nun als deduktiv oder eher abduktiv bezeichnen möchte: Festzuhalten ist, dass die Detektive ihren Fall auf analytische Art und für den Leser nachvollziehbare Weise zu lösen versuchen und dass die jeweilige Rekonstruktion ‘sich am Ende der Geschichte als logisch stimmig und als einzig mögliche Lösung’ erweist. Gemein ist ihnen daneben auch die Einstellung zum Verbrechen. Sie sehen ihre Fälle ausschließlich als geistige Herausforderung und übernehmen sie nicht, um verletztes Recht wiederherzustellen oder Unrecht zu vergelten. Sie lassen sich niemals emotional in einen Fall verwickeln, sondern nehmen stets eine distanzierte Haltung ein und betrachten das Geschehen als Außenstehender. Damit zusammenhängend ist es tatsächlich auch allein die intellektuelle Bemühung, die von den great detectives gefordert wird, und niemals die Pflicht zu einer moralischen Reflexion. Das Gute und Böse, das Recht und Unrecht ist immer leicht und eindeutig zuordenbar. Die klassischen Detektive weisen darüber hinaus exzentrische Merkmale auf, die von Rauschgiftkonsum über künstlerische Neigungen bis hin zu Pfeiferauchen oder abnormalen Angewohnheiten reichen. Diese Charakteristika ‘verfremden [die great detectives] und umgeben [sie] mit der Aura des Außergewöhnlichen, die [sie] aus der Monotonie des Alltäglichen herausheb[en]’. Die klassischen Ermittler sind aristokratischer Herkunft – oder zumindest Mitglied der höheren Schicht – und führen meist ein isoliertes Dasein, wobei das Außenseitertum von Dupin und Holmes ausschließlich selbst erwählt, von Poirot daneben auch durch seinen Ausländerstatus bestimmt ist. Ihre Einsamkeit wird dadurch verstärkt, dass sie ledig sind und Frauen für sie auch keine Rolle spielen. Sie sind sexuell abstinent, da die ‘Kontemplation [der Detektive] durch keinerlei Einmischung interessierter Subjektivität getrübt’ werden soll. Dementsprechend ist Miss Marple als weiblicher Detektiv unverheiratet und altjungfernhaft. 4.1.2, Erzählerfigur: Dupins namenloser Begleiter, Dr. Watson und Captain Hastings nehmen als detektivische Mitarbeiter wichtige funktionelle Rollen ein. Sie erzählen die Fälle der Detektive als ihre Chronisten aus der Ich-Perspektive. Diese klassische Paarung von Detektiv und Erzähler dient insbesondere der Erzeugung von Distanz, denn der geistige Kontrast zwischen den ‘Scharfsinnshelden’ und ihren Gefährten wird auf diese Weise deutlich herausgestellt. Dadurch, dass sich Letztere ausnahmslos durch einen verhältnismäßig beschränkten Intellekt auszeichnen und ihren Detektiven gedanklich in gebührendem Abstand folgen müssen, können die Fortschritte der derartig überhöhten Helden durch diese Distanz bewundernd verfolgt werden. Die Erzähler vertreten ihrer Informationsebene nach somit auch den Leser - der ebenfalls die geistigen Leistungen der Detektive verwundert mit ansehen muss und nur mit deren Hilfe die fehlenden Puzzleteile im Nachhinein zusammensetzen kann – oder fungieren als Medium zwischen Leserschaft und great detectives, indem sie jene Fragen stellen, die auch der Leser beantwortet haben möchte. Während dieser Gespräche teilen sich die Helden mit und legen ihre Anschauungen dar. Die Funktion der Erzähler ist demnach erzähltechnisch begründet. Durch die subjektive Perspektive ist die Sichtweise eindimensional und auf die Einsicht der Watson-Figuren beschränkt eine Technik, die den Eindruck von Authentizität verstärken und Spannung aufbauen soll. Letzteres wird dadurch erlangt, dass der Detektiv nur aus der relativen Außensicht des erzählenden Gefährten – oder des Täters oder einer anderen Figur hierbei sind sämtliche Modifikationen und Umkehrungen möglich – wahrgenommen werden kann, so dass seine Gedanken unzugänglich sind und er des Rätsels Lösung auf überraschende Art und Weise erst am Ende enthüllen kann. Die rezeptionsästhetische Aufgabe der Erzähler besteht darin, dem Leser die Romanfiguren durch Beschreibungen und persönliche Wertungen zu schildern, ihn jedoch im gleichen Zuge auch durch fehlerhafte, naive Beurteilungen auf falsche Fährten zu locken und zu Trugschlüssen zu verleiten.

Über den Autor

Hannah Scharf (M.A.) studierte an der Universität Stuttgart Geschichte und Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaften (mit den Schwerpunkten Deutsche, Englische und Französische Literatur). Nach ihrem Studium zog sie nach München, wo sie nach einem Praktikum und anschließendem Volontariat als Lektorin bei einem renommierten Belletristik-Verlag arbeitete. Nach einer Fortbildung zur Online-Redakteurin ist sie heute als freie Lektorin und Redakteurin tätig.

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