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  • Zwischen Sinnfreiheit und musikalischem Konstrukt: Heinz Strunks Kurzhörspiele als würdiges Erbe der legendären Miniaturdramen Helge Schneiders?

Kunst & Kultur


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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 09.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 96
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Menschen besuchen die Oper und gehen in Konzerte mit ausgedehnter Länge. Im Gegenzug erforschen Wissenschaftler die Aufmerksamkeitsspanne des Menschen und stellen fest, dass sich die Zuhörer, Zuschauer oder Unterhaltende ab einer Länge von ca. 45 Minuten nicht mehr voll auf den Vortrag, das Konzert oder das Theaterstück konzentrieren können und nach einer Pause lechzen. Genau hier setzt der bislang in der Forschung noch gänzlich unbehandelte Musiker, Humorist und Autor Heinz Strunk an. Dieser verschreibt sich schließlich der Kleinkunstform des kurzen Hörspiels. Das Ziel des Künstlers liegt dabei darin, in einer überschaubaren Zeit von maximal 5 Minuten Entwicklungen aufzubauen, wie sie Komponisten der Vergangenheit und Gegenwart in langen Opern oder Konzerten generierten. Dabei soll nicht nach einer Vergleichbarkeit von langen und kurzen Kunstformen, sondern Vielmehr nach den möglichen Unterschieden bezüglich des Umgangs mit Musik in Selbigen gefragt werden: Wie muss der Autor Heinz Strunk am konkreten Beispiel des Kurzhörspiels im Gegensatz zum etwa einstündigen Hörspiel vorgehen, um musikalische Elemente so einzusetzen, dass auch in kurzer Zeit Dramatik und Handlung entstehen?

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3, Musik im deutschsprachigen Hörspiel – Typologien und begriffliche Differenzierung: 3.1, Annäherung an den Begriff ‘Hörspiel’: Bei einem derart multimedialen Phänomen wie dem Hörspiel ist die Greifbarkeit einer allgemeingültigen Definition nur schwer bis gar nicht zu erreichen. Rudolf Frisius definiert in dem MGG-Artikel Rundfunk und Fernsehen den Begriff, verortet unter der Rubrik ‘Radiokunst’, dennoch wie folgt: ‘Der Begriff Hörspiel bezeichnet ein aus technisch konservierten, produzierten oder verarbeiteten Klängen gestaltetes Hörereignis, das über Lautsprecher wiedergegeben und ohne Zusammenhang mit der Klangproduktion bedingenden oder begleitenden visuellen Vorgängen wahrgenommen wird.’ Dabei tritt die enthaltende Musik neben den anderen zwei Grundbereichen Sprache und Geräusch nicht nur dramaturgisch in Erscheinung. Sie kann überdies zur integrativen Öffnung des Hörspiels hin zur klingenden Sprache oder der Erweiterung des Geräuschs beitragen. Für diese Erscheinung wird dann der Begriff ‘Akustische Kunst’ geprägt (Frisius 1998, Sp. 629). Als inhaltliche Abgrenzung zur Form eines Features galt bis zu den grundlegenden Neuüberlegungen durch Autoren wie Kagel oder Döhl folgende vereinfachende Formel: ‘Das Hörspiel hat eine Fabel, das Feature hat ein Thema.’ Dass diese allgemeine Formulierung jedoch noch nichts über das Wesen des Hörspiels als Kulminat von Musik, Sprache, Geräuschen und Stille aussagt, ist augenscheinlich. Nach Kagel kann im Bezug auf den Begriff ‘Hörspiel’ weder von einer rein literarischen, noch von einer rein akustischen Erscheinung die Rede sein. Vielmehr sei das Hörspiel eine ‘akustische Gattung unbestimmten Inhalts’. Trotz der Uneindeutigkeit des Begriffs schufen namhafte Komponisten, wie z.B.: Bernd Alois Zimmermann die Musik für die Hörspiele Günter Eichs und trugen somit einer Weiterentwicklung dieses multimedialen Feldes bei. Nach diesen grundlegenden Entwicklungen der 50er-Jahre unternimmt Heinz Schwitzke den Versuch, die Hörspiele der 60er-Jahre der sog. Hamburger Dramaturgie zu unterwerfen. Jedoch wird mit der technischen Entwicklung der Stereophonie auch dieses Unterfangen zum Scheitern gebracht. Erst Franz Mon versucht mittels einer Abgrenzung, was denn ein Hörspiel nicht sei, sich der Kunstform durch Negation zu nähern. Das Hörspiel behauptet demnach seine Identität ohne konkrete Genre-Festlegung. Somit fordert das Hörspiel gleichsam die Vorstellungskraft des Hörers und kann ‘hörbar’ machen, was ‘unsichtbar’ ist (Hobl-Friedrich 1991, S. 19.). Schwierig gestaltet sich ebenfalls die optimale Nutzung des akustischen Raums im Hörspiel ohne den Hörer mit zu vielen Höreindrücken zu überfordern und damit das auditive System des Menschen zu überbeanspruchen (Ebd., S. 21). Festzuhalten bleibt, dass das deutsche Hörspiel der Gegenwart seinen Anspruch als ‘Akustische Kunst’ seit den späten 60er-Jahren verfolgt. So stellt Theatermacher und Autor Peter Handke fest: ‘Zu den Mitteln eines Hörspiels gehört freilich nicht nur die Sprache, sondern jede Art von Geräusch, der Schall, die Musik.’ Im Hinblick auf die hier zu verhandelnde Spezialform des Kurzhörspiels muss erwähnt werden, dass die Entwicklung dieses Genres erst in den 70er-Jahren stattfindet. Diesen Weg bereitet u.a. Heinrich Vormweg mit seiner aus dem Jahr 1975 stammenden Untersuchung über das Science-Fiction-Hörspiel. Diese Abhandlung stellt einen ersten Schritt hin zum Versuch eine Hörspieltypologie zu entwerfen, dar. Die in Form eines Radio-Essays formulierten Fragen an Autoren von Kinderhörspielen, Kurzhörspielen u.a. werten zum ersten Mal die bereits über Jahre praktizierte Programmausstrahlung analytisch und damit wissenschaftlich aus. Döhl weiter zu einer Entwicklung des Genres Kurzhörspiel: ‘Eine besondere Rolle im Bereich des Unterhaltungshörspiels spielen die sogenannten Familienserien mit auffälligen Niveauunterschieden. Sind auf der einen Seite (,Familie Hesselbach´) Nachbarschaften zu den berüchtigten amerikanischen ,daytime serials´ konstatierbar, soll auf der anderen Seite mit unterhaltsamen Mitteln zum Nachdenken angeregt werden (,Familie Wernicke´, ,Papa, Charly hat gesagt...´). Serien, die in den 80er Jahren durch unsinnig spannende, erfolgreiche Kurzhörspiel-Reihen abgelöst wurden (,Der Frauenarzt von Bischofsbrück´, ,Lord Lobster´), die anschließend oft noch in Buchform erschienen.’ Überdies plädiert Döhl weiter für ein frühes Ansetzen einer Geschichte des Kurzhörspiels: ‘Im Falle des Features, das in Hörfolge, Hörbild oder Aufriss seine Vorläufer hatte, im Falle der Familienserie und des Kurzhörspiels könnte man von Hörspielformen sprechen, die sich vor allem aus Programmstruktur und --Programmplanung herausgebildet haben. (Wobei beim Kurzhörspiel daran zu erinnern wäre, dass es auch hier sehr früh bereits die Vorstellung des kurzen Hörspiels gegeben hat, ablesbar bereits dem ersten Hörspiel-Preisausschreiben aus dem Jahre 1924. […] Man muss diesen Unterschied sehen, um zu verstehen, warum das Niveau der seit circa 1970 entstandenen Kurzhörspiele so unterschiedlich ausfiel, warum selbst ein Kurzhörspielpreisausschreiben 1971/1972 unter 3000 eingereichten Manuskripten lediglich 6 auszeichnungswürdige vorfand. Zwar haben sich einige Sender der ARD in den folgenden Jahren, zum Teil mit eigenen Terminen, weiter um eine Entwicklung des Kurzhörspiels bemüht, dennoch diese Gattung bisher nicht überzeugend etablieren können. Die Gründe für die nicht voranschreitende Entwicklung sieht Döhl in der mangelnd ausgearbeiteten Spielstruktur der Stücke, wodurch sie im Radioprogramm des WDR der 70er-Jahre keinen eigenständigen Sendeplatz bekommen, sondern lediglich überleitend als kurze ‘Hörspots’ zum Einsatz kommen. Diese konnten jedoch sinnreich mit aufrüttelnden, die Art und Weise des Medienkonsum hinterfragenden Inhalten angereichert sein: ‘Es war dies im Grunde die aufs Radioprogramm übertragene Auffassung Friedrich Dürrenmatts, Kunst dort zu machen, wo sie niemand erwarte - in Medienkonsequenz. Mehr als die bisher vorliegenden Kurzhörspiele wären diese Hörspots geeignet, auch den Hörer einer Magazinsendung aus seiner gedankenlosen Konsumhaltung aufzuschrecken, wobei sie die funkische Legitimation hätten, aus der Sendeform des Werbespots in kritischer Intention abgeleitet zu sein.’ Döhl stellt hinsichtlich des Kurzhörspiels weiterhin die Tendenz zur Serie und zur Aufhebung der Trennung von Sprachwitz und Werbespotcharakter der Kurzhörspiele fest.14 So vereint das Kurzhörspiel die traditionelle Form und die des ‘Neuen Hörspiels’ und kann von der herkömmlichen Handlungsführung abweichen und auf sprach-spielerische Weise kritische Postionen beziehen (Würffel 1978, S. 183 f.). Die Genese des Kurzhörspiels ist zudem auf die Rezeptionsfähigkeit des Zuhörers zurückzuführen. Analog zum Bühnengeschehen des Theaters wird seit der Stücke Strindbergs auf eine Gliederung in mehrere Akte zur symphonischen Steigerung des Spielgeschehens verzichtet. Das vielfarbige Spiel mit neuen Bühnendekorationen über eine Dauer von 60 bis 90 Minuten überfordert den Zuschauer und im Falle des Hörspiels, den Zuhörer. Somit entspricht das Kurzhörspiel dem Einakter im Theater, ohne Blende, zumeist mit nur zwei Figuren oder gar monologisch besetzt. Letzteren entdeckte bereits Herrmann Kesser für seine Hörspiele. Ein Beispiel findet sich in Coeteaus Monolog ‘Geliebte Stimme’. (Ebd.). 3.2, Grundannahmen über die ‘Musik im Hörspiel’: Wie so viele Begriffe der Geistes- und Naturwissenschaften sind auch die Begriffe ‘Hörspielmusik’ und ‘Musik im Hörspiel’ auf keine feststehende Bedeutung hin determiniert. Dieser indifferenten Betrachtungsweise geht der scheinbar willkürliche Gebrauch dieser Termini aus der Frühzeit des Hörspiels voraus: So wendet Edmund Wachten die Begriffe ‘Hörspiel mit Musik’ auf unterschiedliche Bereiche an: Die Musik sei verantwortlich für die symbolische Formgestalt, sowie für die Verknüpfung von dichterisch-thematischen Verbindungen. Damit ist sie, genau wie die Sprache oder das Geräusch, ein gleichwertig wichtiger Teil des gesamten dramaturgischen Ablaufs im Hörspiel (Wachten 1933, S. 551). Der Terminus ‘Hörspielmusik’ wird in der Sekundärliteratur vor allem für originär für Hörspiele komponierte Musik verwendet. Hobl-Friedrich schlägt daher zur weiteren Verfeinerung der Formen von ‘Musik im Hörspiel’ bzw. der ‘Hörspielmusik’ aus dem Vergleich vieler Hörspiele und deren Arten, Form, Modifikation des Einsatzes von Musik die nun folgende grobe Einteilung für den Zusammenhang von Musik und Hörspiel vor. 3.2.1, Musik im Hörspiel: Von ‘Musik im Hörspiel’ kann immer dann die Rede sein, wenn musikalische Phrasen und Einwürfe die szenische Dramaturgie gliedern. Musik kann den Handlungsverlauf nach innen hin, aber auch, den Hörer leitend, nach außen hin strukturieren. Somit können Szenen voneinander getrennt, Anfang und Ende einer Handlung oder eines Handlungsabschnittes eingeleitet, Pausen gefüllt und überbrückt, sowie Geräusche substituiert werden (Hobl-Friedrich 1991, S. 33). Beispiele hierfür finden sich in den frühen Hörspielen der 50er-Jahre, welche vor allem als Adaptionen epischer oder dramatischer Literatur konzipiert oder als Hörspiele mit originär epischem Inhalt angelegt werden. Unter ‘Musik im Hörspiel’ lässt sich also all das zusammenfassen, was der Regisseur des Hörspiels an Musik auswählt und dem Hörspiel zuweist. Dabei muss es sich nicht um extra für diesen Zweck geschriebene Musik handeln (Ebd., S. 36). Man kann diese Form der Musik auch als reine ‘Zuspielmusik’ bezeichnen, welche mithilfe der derzeitigen technischen Mittel in Tonstudios akustisch verfremdet und bis zur Unkenntlichkeit verändert werden kann. An der traditionell-funktionalen Komponente dieser Art von Musik in derart angelegten Hörspielen ändert sich jedoch auch durch die Möglichkeit der Verfremdung nichts. 3.2.2, Hörspielmusik: Bei der ‘Hörspielmusik’ wird die Musik extra für das Hörspiel geschrieben. Dabei macht es keinen Unterschied, ob es sich um Originalkompositionen, um Montagen, Collagen absoluter Musik oder einer Mixtur jener Formen handelt. Ganz entscheidend erscheint in Abgrenzung zur ‘Musik im Hörspiel’ hinsichtlich der Handlungsbezogenheit der Musik. Dies meint, dass die Musik auf Text und Inhalt des Hörspiels bezogen ist und damit Einfluss auf den gesamten dramatischen Ablauf im Bezug auf die Struktur nehmen kann. Somit wird die Hörspielmusik zu einer nur diesem einen Hörspiel zugehörigen und nicht austauschbaren Musik. Anders als diejenigen austauschbaren musikalischen Phrasen, welche als ‘Szenentrenner’ oder Pausenfüller agieren, kommt der Hörspielmusik also eine handlungstragende und nicht handlungsstrukturierende Funktion zu (Ebd., S. 33). Als Randnotiz sei noch das ‘Hörspiel mit Musik’ erwähnt, welches eine hörfunkspezifische Form darstellt, in der sich Wort und Musik zu einer Gesamtaussage ergänzen. In dieser Form hat die Musik nicht nur eine formgebende bzw. strukturierende Funktion, sondern transportiert semantisch wichtigen, also handlungsbestimmenden Inhalt (Ebd., S. 35 ff.).

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