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Natur / Technik

Matthias Weber

"Höhenflug". Konzept eines BCI-Computerspiels zur Höhenangst-Reduktion

ISBN: 978-3-95935-206-2

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Produktart: Buch
Verlag: disserta Verlag
Erscheinungsdatum: 12.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 128
Abb.: 65
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Computerspiele haben eine mehr als 50-jährige Historie und sind mittlerweile ein fester Bestandteil der Alltagskultur vieler Menschen sowie ein bedeutsamer Wirtschaftszweig. In der Geschichte der Computerspiele waren es immer wieder neue Interaktionsformen, die die Entwicklung vorantrieben. Manche sehen bereits die Möglichkeiten der in jüngster Vergangenheit aufgekommenen Bewegungs-Controller wie bspw. Microsofts Kinect erschöpft und Biofeedback wie bspw. Brain-Computer-Interfaces (kurz: BCIs) als nächste große Innovation im Bereich Eingabegeräte. Bekräftigend für diese Prognose ist zu beobachten, dass derartige BCIs auch für den normalen Verbrauchermarkt und zu immer geringeren Preisen angeboten werden. Allerdings sind bislang wenige Spiele erhältlich, bei denen von BCIs Gebrauch gemacht werden kann. Biofeedback- und BCI-Spiele fristen also derzeit noch ein Nischendasein. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, ein Konzept für ein BCI- bzw. EEG-Biofeedback-Computerspiel zu entwickeln, wobei die Bezeichnung Spiel zu diskutieren ist. Dabei sollen aktuelle Erkenntnisse und Prinzipien aus ähnlichen Arbeiten anderer Autoren Beachtung finden. Wünschenswert wäre ein höhenangsttherapeutischer Nutzen.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 5.3.1 EEG-Computerspiele und-Beispiele: Die Kombination von Computerspielen mit EEG- bzw. BCI-Technik unterstreicht den gegenwärtig zu beobachtenden Trend in der Computerspiel-Branche in Richtung alternativer, ‚natürlicherer‘ Eingabegeräte und erweitert ihn sogar noch (vgl. Plass-OudeBos et al., 2010, S. 151). Nun wird es möglich, den mentalen Aktivitäten des NutzersBedeutung beizumessen und diese Aktivitäten Teil des Spiels werden zu lassen (vgl. Plass-Oude Bos et al., 2010, S. 155). Kennzeichnend für BCI-Computerspiele bzw. neurofeedback games ist der Umstand, dass der Spieler die genauen Interaktionsmöglichkeiten via seiner Hirnaktivität erst kennen lernen muss. In vielen derartigen Spielen geht es laut Plass-Oude Bos et al. darum, diese neuen Interaktionsmöglichkeiten gezielt einzusetzen, was jedoch nicht bedeute, dass diese neuen Interaktionsmöglichkeiten klassische Eingabegeräte wie bspw. Gamepads ersetzen – vielmehr bieten neurofeedback games ein neuartiges Benutzererlebnis (vgl. Plass-Oude Bos et al., 2010, S. 153). Plass-Oude Bos et al. verdeutlichen dies an dem Beispiel eines Fantasy-Computer- Rollenspiels, in welchem der Spielercharakter bspw. einen ‚Zauber‘ mittels eines ‚magischen Zauberspruchs‘ bewirken kann. Der übliche Umweg über Eingabegeräte wie Gamepads wäre ggf. unnötig, wenn das Spiel via BCI Hirnaktivitäten entsprechend interpretieren könnte: Then perhaps it would be possible to interact with the game world in ways that would be realistic considering the rules of that particular environment (Plass-Oude Bos et al., 2010, S. 151). Diese direktere Verknüpfung von Spieleraktion und Spielercharakter-Aktion könnte laut den Forschern sowohl der Empfindung sog. presence förderlich sein als auch die Einprägsamkeit ( memorability s.u.) steigern. Jedoch könnte der Spieler eine derartige Umgehung klassischer Interaktion als unnatürlich und ungewohnt wahrnehmen – die Schlussfolgerung: When using brain activity directly, one needs to be more aware of this activity and to develop new levels of control (Plass-Oude Bos et al., 2010, S. 151). Mit Rückgriff auf Nielsen betrachten die niederländischen Forscher außerdem folgende interessante Usability-Konzepte bzw. -Kriterien und daraus ableitbare Richtlinien bezüglich der Interaktion in BCI-Computerspielen: - Learnability und memorability (Erlernbarkeit und Einprägsamkeit): Erlernbarkeit bezeichne den Aufwand des Nutzers, den Umgang mit einer Anwendung zu erlernen und stellt die Frage, ob ein spezielles Training dafür nötig ist. Einprägsamkeit fragt, wie eine Benutzerschnittstelle erinnert wird. Sei eine Benutzerschnittstelle intuitiv und leicht erlernbar, werde auch der Nutzer die Schnittstelle besser erinnern. Zur Frage nach einem speziellen Training seien drei Trainingsformen hinsichtlich BCIs zu unterscheiden: interface training , bei dem es darum gehe, den Nutzer dahingehend zu trainieren, die richtigen mentalen Aufgaben zu bewältigen, um das Spiel zu steuern system training , also das Training des BCISystem hin zur korrekten Erkennung bestimmter Hirnströme user training , ergo das Training des Nutzers, zuverlässig die mentalen Aufgaben zur Steuerung des Spiels auszuführen (vgl. Plass-Oude Bos et al., 2010, S. 156). Da Letzteres für viele Nutzer neu sein könnte, sollte dem Nutzer klar kommuniziert werden, was zur Nutzung des BCIs von ihm erwartet werde: Users [...] need to be [..] instructed. [...] Users might not overcome the first step of performing the mental task in the right way and lose motivation because the BCI is not working properly (Plass-Oude Bos et al., 2010, S. 156). Diesbezüglich und hinsichtlich des Projektes im Rahmen der vorliegenden Arbeit siehe Kapitel 8.4. - Efficiency und effectiveness (Effizienz und Effektivität): BCI-Computerspiele gelten oft als ineffizient, weil sie relativ ungenau und durch Latenzzeiten vergleichsweise langsam funktionieren (siehe voriges Kapitel). Deshalb solle sich statt auf Effizienz auf Effektivität konzentriert werden, also einem BCI Computerspiel- Nutzer das Gefühl gegeben werden, die Nutzung des BCIs biete einen Mehrwert, bspw. durch einen bestimmten Bonus im Spiel bei Nutzung des BCIs (vgl. Plass-Oude Bos et al., 2010, S. 157). Satisfaction (Befriedigung): Dieser Aspekt behandelt allgemein die Thematik eines befriedigenden Nutzererlebnisses (vgl. Plass-Oude Bos et al., 2010, S. 158). Error handling (Fehlerbehandlung): Bezüglich BCI-Computerspiele kann die Fehlerkorrektur und -vermeidung als wichtig erachtet werden. Dazu gebe es diverse Strategien: Applying better classification algorithms, smoothing, hysteresis and artifact filtering (Plass-Oude Bos et al., 2010, S. 157). Als Beispiel für eine solche Fehlerbehandlung führen die Forscher ihr BCI Computerspiel AlphaWoW an, eine eigens entwickelte Abwandlung des bekannten World of Warcraft, bei dem sich der Spielercharakter je nach gemessenen Alpha-Wellen in einen Bär oder zurück in eine Elfe verwandelt. Hierbei besteht exemplarisch auch die Problematik, dass kurze und starke Änderungen in den vom BCI erfassten Messdaten der Hirnaktivität, hervorgerufen mglw. durch Rauschen und Artefakte, unwillkürliche Auswirkungen auf das Spielgeschehen haben – in diesem Fall unfreiwillige Gestaltänderungen des Spielercharakters. Deshalb nutzen die Forscher für AlphaWoW drei Verfahren: smoothing, hysteresis, and dwelling (Plass-Oude Bos et al., 2010, S. 165). Mit dem sog. smoothing ist gemeint, dass der aktuell ermittelte Alpha-Wellen- Wert nicht nur vom letzten, sondern von den drei zuletzt gemessenen Daten abhängt, wenngleich der letzte Wert mehr Gewicht erhält. Dies schwäche gewissermaßen ‚Ausreißer-Spitzen‘ ab. Die Hysterese stellt quasi eine Schwelle hinsichtlich des Alpha- Wellen-Wertes dar, die dafür sorgt, dass erst ein Überschreiten oder Unterschreiten dieser Schwelle eine Interpretation als Änderung des Aussehens des Spielercharakters bewirkt. Die Hysterese bietet damit einen Spielraum bezüglich der Messdaten (vgl. Plass-Oude Bos et al., 2010, S. 165). Mit dwelling ist gemeint, dass die Alpha- Wellen-Werte für eine bestimmte Zeit zwischen den Schwellenwerten sein müssen, um einen Effekt zu generieren (vgl. Plass-Oude Bos et al., 2010, S. 165). Die Kombination von smoothing , hysteresis und dwelling soll in AlphaWoW dafür sorgen, dass das Spiel unbeabsichtigte, kurzzeitige Veränderungen in den erfassten EEG-Daten ignoriert (vgl. Plass-Oude Bos et al., 2010, S. 165). 48 Fehler bei der Interpretation von EEG-Daten können auch durch die Empfindlichkeit von EEG-Systemen gegenüber dem Anspannen von Gesichts- und Nackenmuskulatur auftreten, wenngleich dies bei korrekter Berücksichtigung auch hilfreich zur Bestimmung von mentalen Zuständen sein könnte (vgl. Plass-Oude Bos et al., 2010, S. 171). Auch geben die niederländischen Forscher um Plass-Oude Bos den Einfluss von Gesichtsausdrücken, sprachlichen Äußerungen und Bewegungen des Nutzers auf EEGMessungen zu bedenken (vgl. Plass-Oude Bos et al., 2010, S. 171). Plass-Oude Bos et al. thematisieren außerdem am Beispiel ihres Spiels Bacteria Hunt (siehe unten) die Problematik der parallelen Verwendung von BCI-Eingaben und anderen Eingaben des Nutzers – im Fall von Bacteria Hunt die Probleme bei der parallelen Verwendung von BCI- und Tastatureingaben. Neben möglichen Auswirkungen auf die Konzentration des Nutzers sei zu beachten, dass EEG-Sensoren naturgemäß jegliche elektrischen Signale aufnehmen, bspw. auch solche, die durch Augenbewegungen hervorgerufen werden (Elektrookulografie, EOG) sowie solche, die von Muskelkontraktionen evoziert werden (Elektromyografie, EMG). Da sich Augenbewegungen und Blinzeln nicht vermeiden lassen, sollten derartige Einflüsse gefiltert werden (vgl. Plass-Oude Bos et al., 2010, S. 170f.). Des Weiteren sollte bei der Auswertung der EEG-Daten ggf. auch der Umstand berücksichtigt werden, dass Spieler gerade durch ein EEG-Messgerät, dessen sie sich bewusst sind, weniger immersiv im Spielgeschehen verhaften und eine atypische Situation entsteht (vgl. Kotsia et al., 2012, S. 1). Plass-Oude Bos et al. fassen mögliche Probleme von BCI-Computerspielen wie folgt zusammen: delays, bad recognition, long training time, cumbersome hardware (Plass- Oude Bos et al., 2010, S. 172). Nichtsdestotrotz stehen dem die vielversprechenden Möglichkeiten gegenüber, die derartige Spiele eröffnen. Im Folgenden einige ausgewählte Beispiele in chronologischer Abfolge, um einen Einblick zu gewähren. Als erstes BCI-Computerspiel kann eine Entwicklung von Jacques J. Vidal aus dem Jahr 1977 angesehen werden. Der Spieler kann dabei durch Augenbewegung eine Bewegung in einem virtuellen Labyrinth initiieren, indem er sich auf einen von vier präsentierten Fixierungspunkten konzentriert. Die vier Punkte erscheinen in einem diamantförmigen Schachbrettmuster, welches sich periodisch ändert. Dabei entsteht neurale Aktivität in verschiedenen Bereichen des visuellen Cortex bzw. der Sehrinde. Das messbare sog. visuell evozierte Potential (VEP siehe auch unten Beispiel MindBalance) wird erfasst und daraus eine Bewegung im virtuellen Labyrinth abgeleitet (siehe Abbildung 28 vgl. Plass-Oude Bos et al., 2010, S. 152).

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