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Politik


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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 01.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 96
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

In der vorliegenden Studie untersucht die Autorin unter akteurstheoretischer und kulturalistischer Perspektive den Konsolidierungsprozess in Tunesien, Ägypten und Libyen. Die Verfasserin führt zunächst in das Thema ein, indem sie Fragestellung, Hypothese sowie gesellschaftliche und wissenschaftliche Relevanz herausstellt, um anschließend einen Überblick über den Forschungsstand sowie die Vorgehensweise der Arbeit zu geben. Der theoretische Rahmen der vorliegenden Untersuchung wird nach der Klärung der zentralen Begriffe Demokratie und Transformation mit Merkels Mehrebenenmodell der demokratischen Konsolidierung und der Akteurstheorie von O`Donnell und Schmitter bzw. Huntingtons Kampf der Kulturen gezogen. Auf dieser Grundlage untersucht die Autorin mit der vergleichenden Methode den Konsolidierungsstand in den drei Fällen bzw. arbeitet die Erklärung für deren aufgefundene Konsolidierungsdefizite heraus.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 6.1, Ausgangspunkte in Tunesien, Ägypten und Libyen: In Ägypten stagnierte unter den Diktaturen von Gamal Abdel Nasser, Anwar as-Sadat und Hosni Mubarak die innenpolitische Entwicklung zugunsten außenpolitischer Reformen über Jahrzehnte. In Tunesien konnte schon Präsident Habib Bourguiba , der von Zein Al-Abdin Ben Ali 1978 mit dem sog. ‘Medizin-Putsch’ der Macht enthoben wurde (Nordhausen/Schmid 2011: 19), weitreichende gesellschaftliche und politische Strukturen implementieren. Während es sich bei Libyen in jeder Beziehung um ein Staat suis generis handelt. Weder vor, noch nach Muammar Gaddafis Putsch gegen König Idris Senussi 1969 existierten politische und gesellschaftliche Strukturen. Vielmehr besteht Libyen aus einer ‘Anhäufung von ethnischen Gruppen und Klans’ (ebenda: 77). Gleich Ben Ali, der in den ersten Amtsjahren den Grundstein für das heutige ‘modernized authoritarian regime’ (BTI 2012a) legte, führte Präsident Mubarak die ‘Reform-Politik’ seines Vorgängers zunächst fort. Ägypten präsentierte sich der internationalen Staatengemeinschaft als ein pluralistisch-autoritäres System, das politischen Widerstand weitgehend tolerierte (Perthes 2011: 51) und die Modernisierung des Landes vorantrieb. Dagegen scheiterten Gaddafis Versuche nach dem Vorbild des nasseristischen Ägyptens einen quasi-sozialistischen Wohlfahrtsstaat aufzubauen, genauso kläglich wie der intendierte Zusammenschluss mit Ägypten, Syrien und Marokko. Vielmehr fand Gaddafi seine Aufgabe in der finanziellen Unterstützung des internationalen Terrorismus. Er stülpte seinem Land mit den Terroranschlägen in Berlin, Lockerbie und über dem Niger Ende der 1980er Jahre eine Glocke der ‘politisch-kulturellen Selbstisolierung’ über (ebenda. 79). Alle drei Länder regierten unter dem Vorwand der Minimierung der ‘islamistischen Gefahr’ unter einem Notstandsreglement. Politische Parteien wurden in Tunesien und Ägypten nur zum Schein geduldet (Jelloun 2011: 50 Nordhausen/Schmid 2011: 21) bzw. in Libyen ganz verboten. Die Welt tolerierte in drei Ländern zugunsten der guten Außenhandelsbeziehungen zu Ägypten und Tunesien bzw. wegen Libyens Erdölreichtums über Jahrzehnte Menschenrechtsverletzungen, Korruption sowie Repressionen gegen Oppositionelle, besonders gegen islamistische Regimekritiker (Perthes 2011: 42 Jelloun 2011: 33). Auch die Abwesenheit pluralistischer freier und fairer Wahlen, Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit stellten weder für die EU noch für die USA ein Hindernis dar, mit diesen Ländern Handelsbeziehungen einzugehen. Trotzdem konnte aber weder Libyens Ressourcenreichtum noch die Herausbildung einer modernen Mittelschicht in Tunesien und Ägypten verhindern, dass die Schere zwischen arm und reich immer weiter auseinander klaffte. Ben Alis und insbesondere Mubaraks Reformfreudigkeit (Perthes 2011: 50) ließ mit den Amtsjahren nach und wich einer selbstherrlichen Lethargie, die ausschließlich zur Bereicherung des eigenen Klans diente. Kern des Problems ist, dass alle drei Länder die Entwicklung der Binnenwirtschaft zu Gunsten der Außenhandelspolitik opferten. In der Folge verarmten die Massen zunehmend, die ‘Katzen wurden immer fetter’ und gut ausgebildete junge Akademiker wurden ihrer Perspektiven beraubt. Eine asymmetrische Entwicklung politischer und wirtschaftlicher Kontextfaktoren ist sowohl in Libyen und Ägypten, wo demokratische Errungenschaften zunehmend ein rollback erfahren (BTI 2012a: 91), als auch in Tunesien zu erkennen (Perthes 2011: 41). In Tunesien formierte sich schon seit Jahrzehnten eine zumeist intellektuelle Oppositionsbewegung im Untergrund (Jelloun 2011: 51), die mit der Bewegung Kifaya (‘Es reicht!’) auch die Nachbarstaaten erreichte. Seit 2004 wird in Tunesien vermehrt öffentlich Regimekritik geäußert bzw. in Ägypten zum Boykott der Parlamentswahlen 2005 aufgerufen (BTI 2012a Masoud 2011). Der Funken, der die Revolutionen des ‘Arabischen Frühlings’ auslöste, wird aber unstrittig mit den Ereignissen in der tunesischen Kleinstadt Sidi Bouzid am 17. Dezember 2010 festgelegt. Der unterdrückte Ruf der arabischen Menschen nach Würde, Freiheit, Gerechtigkeit bekam mit diesem Tag ein Gesicht und einen Namen: Mohammad Bouazizi, arbeitsloser Akademiker und Gemüsehändler, der wegen einer fehlenden Lizenz für seinen Gemüsewagen über Monaten der Willkür der Polizei ausgeliefert war. Nach der ungerechtfertigten Beschlagnahmung seines Gemüsewagens und der öffentlichen Erniedrigung durch die Ohrfeige einer Polizistin fordert Mohammad Bouazizi beim Gouverneur der Stadt sein Recht ein. Nach dem ignorieren seiner Beschwerde, zündet sich Mohammad Bouazizi aus Verzweiflung eine halbe Stunde später vor dem Büro des Gouverneurs selbst an. Er erlag drei Wochen später seinen Verletzungen. Die Bilder des brennenden zum Mahnmal erstarrten Mohammad Bouazizi wurden in Windeseile übers Internet und dem arabischen Nachrichtensender al-Jazeera ins In- und Ausland transportiert (Rosiny 2012: 2). Darauf kam es in allen Teilen Tunesiens zu Demonstrationen, die Ben Alis Flucht am 14. Januar 2011 besiegelten und in fast allen arabischen Staaten Revolutionen auslösten, also grundlegende Veränderungen der gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse, die alle sozialen Schichten umfassen. In Ägypten und Libyen folgten die Revolutionen nur wenige Tage nach Tunesiens Regimesturz mit den Facebook-Aufrufen zur ‘Revolution des 25. Januar’ bzw. zum ‘Tag des Zorns’ am 17. Februar 2011. Jedes Land hatte zu Beginn der Erhebungen seine eigenen Probleme und Interessen, anhand der sich Anfang und Verlauf der Revolutionen unterscheiden lassen. Auch waren die friedlichen Aufständischen auf Kairos, Tunis und Bengasis Plätzen nicht durch ideologische Ansichten wie antiamerikanische und antiisraelische Parolen vereint, sondern durch den Wunsch nach Brot, Würde, Freiheit und den Sturz ihrer autoritären Herrschaftssysteme (Perthes 2011: 161 f. Rosiny 2011).

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