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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 07.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 92
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Öffentlichkeit im Idealfall ist zu begreifen als diskursiver Raum, in dem gesellschaftlicher Konsens und Dissens auf der Grundlage geteilter Informationen generiert und diskutiert werden. Voraussetzung ist, dass ihre Mitglieder auch über die Informationen verfügen, die sie benötigen, um sich auf rationale Weise eine eigene Meinung zu allen gesellschaftlich relevanten Fragen bilden zu können. Der zunehmende Wegfall von Produktions- und Distributionsbarrieren, der mit der Etablierung ‚neuer‘ Medientechnologien einhergeht, hat eine erhebliche Zunahme der Öffentlichmachung partikularer Interessen zur Folge – eine Tatsache, die sich auch in Menge und Komplexität der angebotenen Informationen manifestiert. Der Bedarf an professionellen Instanzen, die in der Lage sind, diese Informationen vorzuselektieren, zu validieren und zu etwas zu verarbeiten, mit dem die öffentliche Meinung umgehen kann, steigt somit stetig. Auch dokumentarischer Film wird zunehmend zu Informations- und Aufklärungszwecken genutzt. Handicams und Camcorder ermöglichen es, schnell und ohne umfassende Vorkenntnisse Bewegtbildmaterial zu produzieren, das Internet dieses öffentlich zu machen, zu verbreiten und zu rezipieren. Viele Bürgerjournalisten nutzen die Möglichkeit derartiger Informationsherstellung und -verbreitung in dem Glauben, über das Erreichen einer Öffentlichkeit Veränderung bewirken zu können. Doch ohne eine professionelle Instanz, die das Material aufgreift und aufarbeitet, geht dieses citizen journalism footage – und somit eine der bedeutsamsten Informationsquellen unserer Zeit – nur allzu oft in der Komplexität des Cyberspace verloren. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es daher zu untersuchen, inwiefern der klassische Dokumentarfilm als professionelle und etablierte Medieninstanz eine Aufarbeitung von citizen journalism footage im Sinne obiger Problemstellung gewährleisten kann und – vor dem Hintergrund einer von demokratischen Werten geleitete Funktionserwartung an die Medien – sollte.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.3.2, ,Neue‘ Medien und ihre demokratiefördernden Potenziale: Auch ‚neue‘ Medien sind kaum eindeutig zu definieren, lassen sich aber mithilfe einiger Kennzeichen charakterisieren. ‚Neue‘ Medien sind immer im Sinne einer ‘Brechung von Monopolen’ zu begreifen - so entwickelte sich der Buchdruck beispielsweise aus der handschriftlichen Vervielfältigung von Texten und ergänzte diese, ersetzte sie aber nicht. Sie verhalten sich also äquivalent zu den ,alten‘ (etablierten) Medien, ‘übernehmen und modifizieren äquivalente Funktionen, wie sie früher bzw. später nicht nur anderen Medien, sondern auch anderen, nicht-medialen Kommunikations- und Handlungsformen zu eigen waren’. Vor diesem Hintergrund lässt sich nun festhalten, dass ‚neue‘ Medien auch als Möglichkeit der Konstitution einer alternativen Öffentlichkeit verstanden werden können, indem sie die Beschränkungen der ‚alten‘ umwandeln. So stellen sie zwar zur Diskussion, dass sie - aufgrund diverser Merkmale (einige wesentliche sollen im Folgenden beleuchtet werden) - eine Demokratisierung der Massenmedien begünstigen können, es existieren allerdings keine an sie gerichteten, konkret ausformulierten und an Kontrolle gebundenen Funktionserwartungen auf demokratischer Grundlage. Da es keinerlei definierte Grundlage für das Handeln der ‚neuen‘ Medien gibt, sind diese auch nicht an das Merkmal der Professionalität gebunden. Im Gegenteil zeichnen sie sich dadurch aus, dass sie es ‘jedem [ermöglichen], nicht nur passiver Empfänger von Botschaften zu sein, die andere verbreiten, sondern sich einerseits Informationen aktiv anzueignen, im unermesslichen Fundus des weltweiten Wissens zu stöbern und andererseits selbst als Sender aufzutreten, die eigene Sicht der Dinge hemmungslos und kaum gehindert nicht nur in der Speakers Corner im Hyde Park sondern in einem weltweit zugänglichen Medium zu verbreiten’ . Der Professionalisierung gegenüber steht also eine Personalisierung. Hierauf zurückzuführen ist auch die Tatsache, dass die ‚neuen‘ Medien sich ‘über die statische Komposition ihrer Inhalte’ erheben, indem sie keine bestimmten Kriterien der Gestaltung oder definierten Formate voraussetzen. Sie sind interaktiv und vor allem gekennzeichnet durch ‘ihr direktes Abzielen auf eine partizipativ angelegte Gesellschaft’. Diese Umschreibung trifft folglich auf u.a. ‘Computer-, Online- und Mobilmedien bzw. Bildschirmmedien’ zu, aber eben auch auf das - im Rahmen dieser Arbeit relevante – dokumentarische Bewegtbildmaterial, das mithilfe von citizen journalists im Rahmen sozialpolitischer Bewegungen entsteht und Verbreitung erfährt. Es wird also deutlich, dass sich durch ‚neue‘ Medien die Leistungen, die Medien ganz allgemein für eine Demokratie erbringen können, verändern. Im Gegensatz zu ,alten‘ Medien sind sie gekennzeichnet durch folgende Charakteristika, die im Rahmen dieser Arbeit von Interesse sind (weil förderlich für die Demokratie): die Tatsache, dass sie frei von an sie gerichtete Funktionserwartungen in Form von bereits definierten Richtlinien und Regulierungen sind und dementsprechend keiner diesbezüglichen Kontrolle unterliegen, eine Personalisierung (bezogen auf die Produktion, Distribution und Rezeption von Inhalten) sowie die Möglichkeit der Partizipation und Interaktion. 2.3.2.1, Die Freiheit der ,neuen‘ Medien: Eines der wesentlichen Merkmale, der ‚neuen‘ Medien ist, dass mit ihnen ‘[j]enseits einer Ethik des Ge- oder Verbots, [...] eine Ethik des Angebots ein[tritt]’. Von funktionaler Bedeutung für den gesellschaftlichen Demokratisierungsprozess ist dies vor allem, da die ‚neuen‘ Medien die institutionell geschaffenen Barrieren der etablierten Medien überwinden und so zum einen den der Medienfreiheit inhärenten Grundsatz der Meinungsfreiheit fördern und sich zum anderen die Vielfalt der Informationsangebote maßgeblich erweitert. Eine für die ,alten‘ Medien übliche Standortbestimmung im Sinne einer Formulierung von auf Funktionserwartungen basierender Richtlinien und Regulierungsmaßnahmen, scheint den Prinzipien der ,neuen‘ Medien zu widersprechen und stößt auf Skepsis und Widerstand bei all jenen, die die demokratischen Potenziale der ,neuen‘ Medien darin erkennen, dass sie frei von Kontrolle und eben nicht hierarchisch, sondern basisdemokratisch strukturiert und dezentral organisiert sind. Capurro bemerkt, dass ‘(...) diese Entwicklung zugleich eine Chance für einen Strukturwandel der medialen Öffentlichkeit [darstellt]. Zur Diskussion steht, wie in einem Medium wie dem Internet mit einer dezentralen und interaktiven Struktur, die herkömmliche hierarchische Struktur der Massenmedien und die von ihnen hergestellte Öffentlichkeit grundlegend verändert wird’. Vor diesem Hintergrund scheint sich das demokratische Potenzial der ,neuen‘ Medien auch darin zu begründen, dass sie im Sinne einer Konkurrenz die Deutungshoheit etablierter Instanzen infrage stellen und somit einerseits bedingen, dass diese sich nun ‘um Akzeptanz bemühen [müssen], wo eben noch der Verwaltungsweg genügte’ und andererseits einer Medienkonzentration entgegenwirken. Während bei den ,alten‘ Medien zudem in erster Linie darauf geachtet wird, dass diese die auf demokratischen Grundwerten basierenden Interessen des Staates vertreten, liegt der Wert der ,neuen‘ Medien darin, dass sie frei von jeglicher Regulierung sind und im Sinne einer deliberativen Demokratie für die ‘Unterstützung der Binnenkommunikation demokratischer Eliten, hier unter Einschluss der Akteure bürgerschaftlichen Engagements, die sich in Nichtregierungsorganisationen und Selbsthilfegruppen, in sozialen Bewegungen und im ,dritten Sektor‘ betätigen, und als Forum für die Erörterung öffentlicher und entscheidungsrelevanter Angelegenheiten (…) genutzt werden’. Möglich ist dies durch die Personalisierung, welche die ‚neuen‘ Medien kennzeichnet.

Über den Autor

Laura-Johanne Zimmermann, geb. 1986, studierte zunächst Internationale Entwicklung und Publizistik- und Kommunikationswissenschaften an der Universität Wien. In ihrer Abschlussarbeit befasste sie sich mit der Frage nach der Veränderung des politischen Dokumentarfilms durch den Medien- und Strukturwandel. Es folgte das Masterstudium ‚Audiovisual and Cinema Studies‘ an der Goethe Universität Frankfurt am Main, der Université de Liège sowie der Universiteit van Amsterdam, in dessen Rahmen sie sich insbesondere mit den sozialpolitischen Potenzialen klassischer und neuer dokumentarfilmischer Formen auseinandersetzte. Zwischendurch absolvierte sie diverse Hospitanzen, u. a. in der Redaktion Dokumentarfilm in Straßburg, der Filmredaktion 3Sat und bei MISCHIEF Films in Wien und besuchte u. a. die internationale Film Studies Spring School Contemporary Audiovisual Geographies 3/ From intellectual property to grassroots participation in Udine/Gorizia, Italien. Seit 2013 arbeitet sie als Mitarbeiterin der THURN Filmproduktion und Regie bei Forschung aktuell, Deutschlandfunk.

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