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Produktart: Buch
Verlag: disserta Verlag
Erscheinungsdatum: 12.2019
AuflagenNr.: 1
Seiten: 264
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Seit Platon ist bekannt, dass die Antike interessante und wichtige Denkanstöße für die moderne politische Landschaft gab. Weniger bekannt ist hingegen, dass auch die Alte Komödie Wichtiges beizutragen hatte. Aristophanes setzte Maßstäbe in der Komik und in der Satire, in der phantastischen Literatur ebenso wie in der Demagogie-Analyse. Er befasste sich mit der Gleichstellung von Frauen, setzte sich mit der Gerechtigkeit in der attischen Polis auseinander und erdachte Gesellschaftsentwürfe, welche modernen Utopien in nichts nachstehen. Kurzum: Aristophanes setzte sich in den Jahrzehnten seines Schaffens mit fast allen Problematiken auseinander, welche auch uns heute noch betreffen. Das Denken dieses sehr vielfältigen Poeten liegt hier in einer Abhandlung vor, welche wertvolle Lehren für moderne Demokratien bereithält.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.2 Die Alte Komödie: Aristophanes schrieb im Umfang der sogenannten Alten Komödie – diese umfasste ca. drei attische Dichtergenerationen. 486 v. Chr. begann die Einsetzung öffentlicher Komödienaufführungen im Rahmen athenischer Volksfeste sie endete etwa zeitgleich mit dem Ende des Peloponnesischen Krieges um 404 v. Chr. Von Chionides sind uns die ersten Fragmente erhalten geblieben (486 v. Chr.) mit den Fröschen des Aristophanes lässt man sie für gewöhnlich enden (405 v. Chr.). Aus diesen Rahmenbedingungen ergeben sich verschiedene Probleme: Erstens kann niemand sagen, welche Stücke und welche Dichter tatsächlich zu dieser Schaffensperiode gehörten und ob sich die Zeitspanne nicht noch wesentlich erweitern oder verringern könnte der Grund liegt auf der Hand: Einzig von Aristophanes sind uns vollständige Werke erhalten, von den restlichen Künstlern allenfalls Fragmente, stellenweise nur Namen. Sogar von Aristophanes ist nur ein Viertel seines Gesamtwerkes erhalten geblieben. Die Daten können daher nur mit einiger Vorsicht gewählt werden vor allem das Ende der Alten Komödie erscheint willkürlich und kontrovers gewählt: Einige Forscher lassen sie mit dem Frieden nach dem epochalen Krieg enden, andere mit einer Stiländerung von Aristophanes in dessen letzten Werken (Ekklesiazusen 392 v. Chr. und Plutos 388 v. Chr.). Zweitens ist problematisch, dass sich die Forschung zu ihr nur auf Aristophanes bezieht. Zum Vergleich: Das wäre so, als würde man eine ganze Stilepoche einzig nach den Werken über Faust von Goethe bestimmen bzw. das Barock einzig nach Bachs Kantaten. Ein solcher Anspruch kann nur problematisch sein. Dies umso mehr, als auch die nachfolgende Episode von ihm allein in vollständigen Werken bestritten wird: Die Ekklesiazusen und der Plutos werden dazu gezählt, obwohl bekannt ist, dass ca. 800 Werke in der Mittleren Komödie aufgeführt wurden. Diese Zahlen sprengen die Goethe-Bach-Vergleiche sogar noch. Dabei darf nie vergessen werden, dass Forscher zeitweise mit überaus unzuverlässigen Quellen arbeiten müssen. Dazu zählen Überarbeitungen durch römische Dichter: bloße Namensaufreihungen, bei denen niemand weiß, ob die Personen alle tatsächlich gelebt haben. Auch die zeitgenössische Überlieferung folgte nicht immer vollständig der Wahrheit: Herodot (ca. 490/80 bis ca. 430/20 v. Chr.) schrieb etwa zeitgleich mit Aristophanes seine in Teilen phantastisch anmutenden Historien. Letztendlich bleibt Forschern also mangels Alternativen nichts anderes übrig, als auf den Denker zurückzugreifen, von dem tatsächlich verwertbares Material vorliegt: Aristophanes. Ähnliches gilt für die Ursprünge der Alten Komödie: Auch hierzu gibt es verschiedene Theorien, wie eine Dichtform, die keine eigentlichen direkten Vorgänger hat, entstanden ist. Einige Theoretiker wollen ihn im sizilischen Mimus sehen, einer Art Stehgreiftheater, welche derben Humor und Persiflagen anbot. Er kam gänzlich ohne Masken aus, wurde von Männern und Frauen gleichermaßen betrieben und beruhte auf viel Initiative seitens der Schauspieler. Leider sind uns aus dieser Vorperiode der Alten Komödie keine Zeugnisse erhalten man weiß hauptsächlich um ihre Existenz, weil die frühe katholische Kirche sie aufgrund ihrer Derbheit verbieten ließ. Es erscheint nur nachvollziehbar, auf fremde Einflüsse zurückgreifen zu wollen, wenn man die Alte Komödie herzuleiten versucht, welche schon aufgrund ihres Namens vorgeschichtsfrei erscheint. Dennoch hat sich in der Forschung die Geschichte der Komödie, der kom-oidia entwickelt. Diese vor allem dorische Herkunft scheint sich etabliert zu haben: Bauern – unzufrieden mit ihrer Lebensweise und mit Ärger auf die sie regierenden Aristokraten – entwarfen Spottlieder, welche sie in einer Art dörflichem Rügebrauch in der Stadt vortrugen – sehr zum Ärger ihrer Peiniger. Dieser Lesart zufolge war die Komödie – anders als die Tragödie, welche sich mit hochtreibenden Mytheninterpretationen befasste – von Anfang an das Stilmittel des einfachen Volkes, der Bauern und mehr noch: Die Komödie war dieser Ursprungsgeschichte zufolge von Beginn an ein politisches Mittel der Partizipation. Deren Institutionalisierung im Theater brachte Struktur und Kontrolle, die bei nächtlichen Ruhestörungen der Ursprungsform nicht gegeben war. Die Komödiendichter beschränkten sich jedoch keinesfalls: Wie noch weiter unten zu sehen sein wird, hat die Komödie ihren spöttischen Charakter nie verloren, auch wenn die Stadtverwaltung später immerhin versuchte, den derben Charakter einzudämmen bzw. zu kanalisieren. Dabei erkannten die Stadtoberen durchaus die moralische Nützlichkeit der Komödie, indem diese Missstände anprangerte und zur Sprache brachte, die sonst vielleicht nicht ans Tageslicht gebracht worden wären. Dennoch ist an dieser Stelle Vorsicht geboten: Es spricht durchaus für das Funktionieren der attischen Demokratie, dass ein solcher Brauch des Spotts gegenüber den Oberen nicht von vornherein verboten wurde: Immerhin richtete er sich gegen die Regierungsweise besagter Stadtoberen und bedrohte ihre Regierung zumindest indirekt. Da die Bauern natürlich in der Mehrzahl waren und darüber hinaus mit (wie vermutet werden darf) durchaus berechtigten Anliegen in die Stadt marschierten, stand die Gefahr eines Aufruhrs natürlich im Raum – vor allem, wenn das Anliegen nicht beantwortet wurde. Es kann daher auch vermutet werden, dass die Komödie aufgrund von Angst vor der eigenen Bevölkerung ihren institutionellen Eingang fand. Wie bei fast allen gesicherten Erkenntnissen über die Alte Komödie muss auch hier beachtet werden, dass das Ursprungswort komos ( Umzug zu Ehren Dionysos‘ ) auftritt, als die Komödie bereits institutionalisiert ist darüber hinaus erscheint das Wort keineswegs ausschließlich im Zusammenhang mit der Komödie. Ob die oben beschriebene Theorie korrekt ist, muss daher weitgehend im Dunklen bleiben.

Über den Autor

Jan Dobelmann, geboren 1985, studierte Philosophie, Politikwissenschaft und Friedens- und Konfliktforschung an der Philipps-Universität Marburg. Nach der Abfassung verschiedener Artikel politiktheoretischer Art u.a. zu Jürgen Habermas, G.E. Lessing und Samuel von Pufendorf verfasste er die Studie Der witzige Philosoph. Die politische Theorie des antiken Komödiendichters Aristophanes. Der Autor beschäftigt sich hauptsächlich mit den Feldern der antiken politischen Theorie, der Philosophie der Aufklärung sowie moderner Demokratietheorie.

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