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Politik

Dennis Mitteregger

Die konstruierte Nation und ihre Manifestierung im Fußball: Die Verbindung von Nationsvorstellung und Fußball bei der Weltmeisterschaft 1974

Ein Vergleich zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland

ISBN: 978-3-8428-5773-5

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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 04.2011
AuflagenNr.: 1
Seiten: 138
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Durch die nationale Symbolik im Rahmen von professionellen Fußballveranstaltungen, die nationalstaatliche Organisation von Fußball sowie viele andere Aspekte dieses Sports wird Nation durch den Fußball performant. Die Bezeichnungen der Fußballberichterstattung - wie etwa: Gerd Müller - der Bomber der Nation - kodieren den Sport national. Die vorliegende Untersuchung analysiert und vergleicht die Verbindung von Fußball und Nation an den Beispielen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik bei der Fußballweltmeisterschaft 1974. Dazu werden die Nationsvorstellungen der beiden Staaten, die von offizieller politischer Seite in der Zeit der WM demonstriert wurden, abgeglichen mit den Nationsbildern, die im Zuge der WM vermittelt wurden. Die Fragestellungen lauten: Wurden die von staatlicher Seite vermittelten Nationsvorstellungen der BRD und DDR im Rahmen der Fußballweltmeisterschaft 1974 deutlich? Welche Nationsvorstellungen der BRD und DDR wurden bei der WM 1974 deutlich, und stimmten sie mit der jeweiligen politischen Nationsvorstellung überein? Es wird gefragt, ob die Merkmale, die der BRD und DDR von ihrer jeweiligen politischen Führung als nationsdefinierend zugewiesen wurden, auch während der WM 74 betont wurden. Um diese Fragestellung bearbeiten zu können, muss zunächst ein Analyseraster als Grundlage eines fundierten Vergleichs entwickelt werden. Im Anschluss werden die west- und ostdeutschen Nationsvorstellungen, die von staatlicher Seite demonstriert wurden, analysiert und zusammengefasst. Hierbei interessiert vor allem die Besonderheit, inwiefern die beiden deutschen Staaten sich als deutsche Nation definierten. Das Nationsbild, das im Zuge der WM 74 vermittelt wurde, wird abschließend anhand von Quellen untersucht, die sich den Mediatoren - Fußballberichterstattung, Organisation und Spieler/ Trainer - zuordnen lassen.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 4.2. Nationsvorstellung der DDR 1970- 1975: II Politische Ordnung und Werte: In der DDR- Verfassung vom 7.10.1974 hieß es in der Präambel: Erfüllt von dem Willen, seine Geschicke frei zu bestimmen, unbeirrt auch weiter den Weg des Sozialismus und Kommunismus, des Friedens, der Demokratie und Völkerfreundschaft zu gehen, hat sich das Volk der Deutschen Demokratischen Republik diese sozialistische Verfassung gegeben. Dieser Wortlaut erweckt den Eindruck, dass das gesamte Volk der DDR an der Ausarbeitung der Verfassung beteiligt gewesen wäre. Neben der politischen Partizipation ist die Betonung des Willens des DDR- Volkes hervorzuheben. Das Volk sei erfüllt von dem einen Willen, der auch als politischer Wille bezeichnet werden könnte, da er im Anschluss in erster Linie durch Werte charakterisiert wird, die als politisch gekennzeichnet werden könnten. Der Wille steht außerdem im Singular und dürfte deshalb einen gemeinschaftlichen politischen Willen bilden. Ein gemeinsamer politischer Wille stellt laut Meinecke, der die Staatsnation definierte, ein Kriterium für die Nation dar. Dieses Kriterium wird hier in dem nationalen Rahmen der DDR- Verfassung und in dem ausdrücklichen Zusammenhang mit dem Volk der DDR angeführt. Daraus ist zu schließen, dass der gemeinsame politische Wille ein Merkmal der Nationsvorstellung der DDR bildete. Auch die genannten Werte dürften als nationsdefinitorisch anzusehen sein. Besondere Bedeutung fällt dem Sozialismus zu. Er wird als Bestandteil des Willens des DDR- Volks angeführt und charakterisiert die Verfassung der DDR genauer durch die adjektivische Form sozialistisch . Die Bedeutung des Sozialismus für die Nationsvorstellung der DDR wird deutlich durch die Ausdrücke sozialistische Verfassung und sozialistische Nation der DDR , die die Nation entweder implizit oder explizit charakterisieren. In den gesichteten Quellen wurde der Sozialismus der DDR in der Phase zwischen 1970 und 1975 wiederholt und teilweise explizit als Merkmal der Nation ausgewiesen. Die DDR- Nationstheoretiker Alfred Kosing und Walter Schmidt beschrieben die Entwicklung in der DDR folgendermaßen: Auf der Grundlage der gesetzmäßigen gesellschaftlichen Entwicklung, des Aufbaus des Sozialismus und der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft formiert sich in der DDR eine sozialistische Nation. Der Aufbau des Sozialismus, die sozialistische Gesellschaft und die sozialistische Nation werden der DDR hier in einem Satz zugewiesen und zeigen durch die Wiederholungen, durch den Zusammenhang mit der Staats- und mittlerweile auch Nationsbezeichnung DDR und mit dem Begriff Nation , dass der Sozialismus für die DDR ein nationsdefinierendes Kriterium darstellte. Kosing und Schmidt scheinen sich auf allgemeine Nationsdefinitionen zu beziehen und sich zu rechtfertigen, warum die DDR sich trotz der Gemeinsamkeiten mit der BRD als eigenständige sozialistische Nation deklariert, als sie erläuterten: Kein Marxist bestreitet, daß ethnische Komponenten wie Sprache, Abstammung, Sitten, Gebräuche, kulturelle und andere Traditionen, die sich in sehr langen historischen Entwicklungen herausgebildet haben, bei der Formierung von Nationen eine wichtige Rolle spielen und das Erscheinungsbild einer Nation mitprägen. Aber diese seien für die Konstituierung einer Nation weder entscheidend noch grundlegend für ihren Inhalt und Charakter. Die sozialistische Nation in der DDR sei auch nicht durch sprachliche und andere ethnische Faktoren bestimmt, sondern durch die materiellen gesellschaftlichen, d.h. ökonomischen, sozialen und klassenmäßigen Verhältnisse . Da diese besagten Verhältnisse als durch den Sozialismus bestimmt zu bezeichnen sein könnten, ist dieser als das entscheidende Kriterium für die Nationsvorstellung der DDR zu verstehen. Die DDR- Theoretiker sprachen den Nationsmerkmalen, die in den Nationstheorien des zweiten Gliederungspunktes der vorliegenden Untersuchung zu finden sind, nicht ihre Berechtigung ab, sondern spielten ihre Bedeutung herunter. Die politische Ordnung und ihre Auswirkungen sind für Kosing und Schmidt die einzig entscheidenden Kriterien der Nation, und somit schien sich die DDR fast ausschließlich über den Sozialismus als Nation zu konstituieren. Dies ist mit der Bedeutung des Sozialismus für die DDR und andere sowjetpatriotische Staaten zu erklären wie auch mit der Absicht, die DDR von der BRD eindeutig abzugrenzen. Während die übrigen, aufgezählten Nationsmerkmale fast alle auf eine gemeinsame Nation der BRD und DDR hinweisen könnten, steht die politische Ordnung, der Sozialismus für eine Abgrenzung zwischen den beiden Staaten, die wiederum für die Nationsdefinition ebenfalls von großer Relevanz war. So erklärte auch Norden, dass die Nation der DDR sich als Bestandteil des sozialistischen Weltsystems entwickle, während die BRD zur imperialistischen Welt gehört, mit der uns überhaupt keine Gemeinsamkeit verbindet und verbinden kann . Dieser Zusammenhang zeigt neben dem entscheidenden nationskonstituierenden Merkmal der DDR, dem Sozialismus, die wichtige Rolle, die die Abgrenzung gegenüber der BRD für die Nationsvorstellung der DDR spielte. Von den in diesen Ausführungen zitierten Nationstheoretikern, weist nur Anderson explizit daraufhin, dass eine Gemeinschaft als begrenzt vorgestellt werde. Die ausdrückliche und wiederholte Betonung, dass der eigene Staat begrenzt sei und sich von einem bestimmten Staat unterscheide bzw. abgrenze, scheint also eine Besonderheit der Nationsdefinition der DDR gewesen zu sein. Die Abgrenzung erfolgt hier über die Gesellschaftsordnung. Die DDR wies dem Sozialismus der DDR verschiedene Komponenten zu. Diese stehen für den Sozialismus und sind somit ebenfalls als entscheidend für die Nationsvorstellung der DDR anzusehen. Unter den besagten Komponenten ist die Interessenvertretung der Arbeiterklasse und Werktätigen zu nennen. Auf dem 9. Parteitag der SED wurde durch Honecker verlautbart: Das Programm der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, der führenden Kraft der Deutschen Demokratischen Republik […] bringt die Interessen der Arbeiterklasse und aller Werktätigen zum Ausdruck. Der Begriff der Werktätigen war in der DDR weit gefasst, wie ein Bericht der Verfassungskommission von 1968 zeigt: danach war jeder Bürger Werktätiger, der durch gesellschaftlich nützliche Arbeit am großen Werk der Gestaltung des entwickelten gesellschaftlichen Systems des Sozialismus aktiv tätig ist oder seinen Beitrag zur Sache des Volkes in Ehren geleistet hat und sich verdientermaßen eines gesicherten Lebensabends erfreut , namentlich auch Rentner, Hausfrauen, die ihre Kinder erziehen, Soldaten, Handwerker, Komplementäre der halbstaatlichen Betriebe und die Gewerbetreibenden. Die Werktätigen stellten also fast die komplette DDR- Bevölkerung dar. Wenn Honecker folglich auf dem 9. Parteitag seiner SED die Interessenvertretung der Werktätigen zuschrieb, vermittelte er damit indirekt das Bild der SED als Volksvertretung . Neben der Zuweisung von Komponenten für die sozialistische Gesellschaftsordnung fehlt es nicht an solchen für die kapitalistische Ordnung, die der BRD zugewiesen wurde. Über die negative Darstellung des Kapitalismus stellte sich die DDR zum einen selbst dar, da Fremddarstellung auch immer Selbstdarstellung bedeutet, und zum anderen grenzte sich die DDR darüber entschieden von der BRD ab. Laut Honecker bringe der Kapitalismus Spannungen, Kriegsgefahr, Krise, Stagnation, soziale Unsicherheit und Unterdrückung der elementaren Menschenrechte hervor. Die mit der Fremddarstellung vermittelten Selbstdarstellung formuliert Honecker jedoch selbst: Die sozialistische Gesellschaftsordnung garantiere Frieden, wirtschaftlichen Aufschwung, soziale Sicherheit, Freiheit und Gerechtigkeit. Diese Werte mit diesem oder ähnlichem Wortlaut sind in den Quellen zu der nationalen Selbstdarstellung wiederholt zu finden. Über die dem Sozialismus und damit der DDR- Nation zugewiesenen Werte definierte sich die DDR als Nation. In den Wert Gerechtigkeit könnte mit eingeschlossen gewesen sein, dass es, laut der SED, in der DDR keine Kluft zwischen dem arbeitenden Volk und einer der Ausbeuterklasse hörigen Schicht von Intellektuellen und keine Ausbeutung gebe. In der DDR bestehe deshalb kein Klassenwiderspruch wie in der BRD. Wegen der Klassenspaltung und des sich verschärfenden Klassenkampfes zwischen Proletariat und Bourgeoisie existierten Kosing zufolge in einer kapitalistischen Nation, metaphorisch ausgedrückt, eigentlich zwei Nationen, da es sich um zwei einander entgegengesetzte Kulturen handele. Eine kapitalistische Gesellschaftsformation bilde eine Einheit von Gegensätzen und solle besser als soziale Einheit bezeichnet werden und nicht als stabile Gemeinschaft . Kosing führte fort: Erst als sozialistische Nation, die keine Klassenantagonismen mehr kennt, wohl aber noch Klassen und Schichten, wird diese soziale Einheit [..] zu einer Gemeinschaft. Da die Nation eine Gemeinschaft bildet, könnte aus der Aussage Kosings zu schließen sein, dass nur die sozialistische Nation vorbehaltlos und berechtigterweise als Nation bezeichnet werden könnte, während dies auf eine kapitalistische Nation nicht zutreffe. Durch die idealtypische Zurechnung von bürgerlicher, kapitalistischer Nation für die BRD und Sozialistischer Nation für die DDR, ist der Begriff der Nation eindeutig an die Begriffe Klasse , Klasseninhalt , Klassenkampf , Klassenwiderspruch , also an Wortfelder des Sozialismus, gebunden worden.

Über den Autor

Dennis Mitteregger, Magister Geschichte, Soziologie und Sportwissenschaft, wurde 1982 in Hamburg geboren. Nach dem Abitur und dem anschließenden Zivildienst nahm der Autor das Magisterstudium mit dem Hauptfach Geschichte und den Nebenfächern Soziologie und Sportwissenschaft auf. Dieses schloss er 2009 erfolgreich ab. Während seines Studiums und seiner Nebentätigkeit als Fußballtrainer einer multinationalen Mannschaft entwickelte der Autor ein Interesse dafür, wie eine Nation als eine solche definiert und gedacht wird. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit verschiedenen Nationsinterpretationen ließ bei ihm eine konstruktivistische Sichtweise entstehen. Die Idee des Autors eine Verbindung von Nationskonstruktionen und Sport zu untersuchen, erwuchs aus der Erfahrung der WM 2006 in Deutschland, die in der Öffentlichkeit das Bild einer deutschen Gemeinschaft entstehen ließ.

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