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Sozialwissenschaften

Islam Qerimi

Gewohnheitsrecht in Albanien: Rolle und Herkunft des Kanun bei den Albanern

3. bearbeitete und vervollständigte Neuausgabe

ISBN: 978-3-95993-110-6

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Produktart: Buch
Verlag: Bachelor + Master Publishing
Erscheinungsdatum: 05.2022
AuflagenNr.: 3
Seiten: 64
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Bei den Illyrern, Vorfahren der Albaner, die in vorhistorischer Zeit auf dem Balkan lebten, waren Sitten und Gebräuche die Hauptquelle des Rechts. Diese Regeln, die in einer früheren Entwicklungsphase der Gesellschaft geschaffen und mündlich von Generation zu Generation übermittelt wurden, wurden in den nicht-schriftlichen juristischen Quellen, dem Gewohnheitsrecht (bei den Albanern Kanun) aufgegriffen. Sie wurden faktisch angewandt (lat. Consuetudo), sowohl aufgrund ihrer Annahme durch alle als auch im Sinne der Überzeugung der juristischen Notwendigkeit ihrer Umsetzung (lat. Opinio necessitatis oder opinio juris). Bei den Albanern wurden viele regionale Kanunen angewandt, aber vor allem der Kanun des Lek Dukagjini, der als der bekannteste und am meisten beachtete Kanun angesehen wird und im Mittelpunkt dieser Untersuchung steht.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel III.1. Der Kanun des Lekë Dukagjini – kontinuierliche Anwendung: Professor Pupovci zufolge enthält der Kanun von Lekë Dukagjini Bräuche, die den Inhalt von Manismus, Animismus und Totemismus haben. Einer der hervorstechenden Forscher, die sich mit dem Kanun beschäftigt haben, Dr. Ludwig v. Thallóczy, der auf der Grundlage seiner Forschungen, die er bezüglich des Alters des Kanun vorgenommen hat, gelangt zu der Schlussfolgerung, dass der Kanun von Lekë Dukagjini, schon allein aufgrund seines Inhalts selbst und seiner Herkunft bereits in der Zeit des Heidentums und nicht erst in der Zeit des Katholizismus existiert haben muss. Der japanische Arzt und Anthropologe Yamamoto sah Ähnlichkeiten zwischen diesem Kanun und dem altertümlichen japanischen Gewohnheitsrecht und dem Recht aus der Zeit Homers. M. E. Durham hat sich ebenfalls mit den Kanunen und den Gewohnheitsregeln beschäftigt und ist für ihren Beitrag, den sie zu Beginn des XX. Jahrhunderts für die Albaner und Albanien geleistet hat, zur Königin der Bergbewohner gekürt worden. Durham, die mit eigenen Augen sah, wie die Bergbewohner des nördlichen Teils Albaniens und des Kosovo die Normen des Kanun anwandten und mit unbeschreiblicher Entschlossenheit diese respektierten und die Wirkungskraft dessen bei ihnen erlebte, hat über Lekë selbst gesagt, dass er eine imponierende Persönlichkeit” gewesen sein muss, die die Möglichkeit gehabt hat, in diesem Gebiet, in denen eine Bevölkerung katholischen Glaubens lebte, noch berühmter als die Bibel zu werden. Über das Alter des Kanun des Lekë Dukagjini hingegen führte sie an, dass es sich dabei um den ältesten Code handele, der in Europa jemals bestand. Der Kanun des Lekë Dukagjini ist über Generationen hinweg mündlich übermittelt worden. Dies geschah vor allem durch ausgeübte Gerichtspraxis oder durch das Kreieren von abstrahierenden Sprichwörtern, die dann fallbezogen ausgelegt wurden. Nach der Eroberung Illyriens durch Rom im Jahre 168 v. Chr. wurde die Provinz Illyricum im Römischen Reich (Imperium Romanum) integriert, die das römische Recht (Lex Romana) anwendete, während die im Hochland lebenden Menschen auf Basis des traditionellen Rechts selbstverwalten durften. Unter den vielen illyrischen Stämmen, denen das Recht auf innere Selbstverwaltung von Rom anerkannt wurde, wird auch der Stamm der Albanoi erwähnt. Es ist wichtig zu erwähnen, dass bei der Teilung Roms im Jahr 395 n. Chr. die albanischen Gebiete unter den östlichen Teil (Praefectura praetoris per Illyricum) des Römischen Reiches fielen und, dass das albanische Gewohnhetsrecht auch in dieser Zeit parallel zum byzantinischen Recht im Allgemeinen weiterhin angewendet wurde. In den Jahren 547-548 n.Chr. eroberten die Slawen das Gebiet des heutigen Kosovo (altes Dardanien) und drangen dann nach Durrës im heutigen Albanien vor. Historikern zufolge haben die Albaner auch in dieser Zeit die alte illyrische Sprache, Bräuche und Kultur bewahrt. Im Jahre 850 n.Chr. übernahmen die Bulgaren die Kontrolle über das Kosovo. Kosovo blieb bis 1014/-18, bis König Samuel starb und das Reich zerfiel, unter bulgarischer Herrschaft. Von der Gründung des bulgarischen Staates im Jahr 681 n. Chr. bis zur Eroberung durch die Osmanen im Jahr 1396 wandten die Bulgaren das Gewohnheitsrecht als Hauptrechtsquelle an. Es ist wichtig anzumerken, dass sowohl das bulgarische Gewohnheitsrecht als auch das albanische Gewohnheitsrecht als aus der vorchristlichen Zeit stammend angesehen werden, daher ist die Wahrscheinlichkeit der Anwendung und Verflechtung von Rechtsnormen dieser ungeschriebenen Normen einflussreich. In der Zeit von Arberia, um die Jahre 1043 - 1081, erschienen die Arbanoi, Arbanas, Arvanitis, Arvanites und Arberiansals Stämme, die die Illyrer beerbten. In den Städten wurde das venezianische Recht (insbesondere die Statuten der Städte) als Staatsrecht angewandt, während in den Bergen aufgrund des Fehlens dieses Rechts bei kriminellen Handlungen, das besagte Staatsrecht durch die Institute des traditionellen Rechts ersetzt und die Rache und Blutfehde praktiziert wurden. Nach dem Abzug der Bulgaren aus den Gebieten Arberias (siehe Albanisch im Mittelalter), kam es erneut zur byzantinischen Eroberung. Bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts hatte der byzantinische Kaiser Manuel Comnenus den Städten Albaniens das Privileg der Selbstverwaltung nach ihren eigenen Kanunen gewährt. Nach dem Abzug der Bulgaren aus den albanischen Gebieten fiel das Kosovo unter serbischer Herrschaft (1216 - 1415). Infolgedessen unternahm Serbien eine religiöse und kulturelle Assimilation der arberischen Bevölkerung, indem es sie gewaltsam zur Konvertierung in die serbische Orthodoxie zwang. Aus dieser Zeit wird der Kodex des Zaren Duschan (serbisch: Zakoniku) erwähnt, der von Zar Stefan Duschan (1331 - 1355, 1349 in Skopje) herausgegeben wurde. Serbien hatte in dieser Zeit das Verbot lokaler landesüblicher Einrichtungen angekündigt, insbesondere im nördlichen Teil Albaniens, wie z.B. das Abhalten von Sitzungen der Dorfversammlungen, wo über verschiedene Probleme verhandelt und entschieden wurde, die in die Zuständigkeit der besonderen Feudalherren des serbischen Zaren selbst übergegangen waren. Nopsca und Durham war der Auffassung, dass das albanische Gewohnheitsrecht als authentisches Gesetz im 12. – 15. Jahrhundert anzuwenden ist, als der Zar-Dusan-Kodex angewendet wurde. Diese Hypothese wird durch die Daten des byzantinischen Geschichtsschreibers Johannes Kantakuzenos aus dem 14. Jahrhundert weiter gestärkt, der sich als byzantinischer Kaiser gegen die albanischen Gebiete auszeichnete und sagte, dass Albaner in Autonomie lebten und die Macht des Kaisers nicht anerkannten. Erwähnenswert ist die Tatsache, dass obwohl die Kanune zwar mehr in den ländlichen Gebieten Albaniens angewandt wurden, die Statuten in voller Stärke vom 13. Jahrhundert bis zum Ende des 15. Jahrhunderts in den Städten Shkodra, Durrës, Drishtë, Danjë und Ulqin bestanden. Diese Statuten sind nach den westlichen Vorbildern der Stadtstaaten Italiens gestaltet: Venedig, Mailand, Ancona, Florenz, Triest sowie Ragusa. Im Gegensatz zu den albanischen Kanunen, enthielten die Statuten dieser Städte schriftliche Regeln für das Leben in städtischen Gemeinschaften. In einer Reihe von Rechtsvorschriften sind auch Normen des albanischen Gewohnheitsrechts anzutreffen wie Vertrauen, Ehre und Rache. Vom 15. Jahrhundert (das Kosovo war 1455 unter türkische Besatzung gefallen, während Albanien 1388 angegriffen, 1430 besiegt und 1479 besetzt wurde) bis Anfang des 20. Jahrhunderts wurde in den albanischen Gebieten das osmanische Recht angewandt. Quellen dieses Rechts waren das islamische Gesetz Scharia und das Gesetz Kanunnameja. Es sollte klargestellt werden, dass die Scharia für die islamische Bevölkerung galt, während das osmanische Recht für Menschen anderer Religionen galt. Kanunnamet waren individuelle Rechtsakte des Sultans, die einen konkreten Sachverhalt regelten, indem sie sich an eine bestimmte Körperschaft oder Gemeinschaft richteten. Dieses osmanische Gesetz aus dem 5. Jahrhundert galt für albanische Länder. Die Kanunameta von Sandzaks und Vilayets wurden in den albanischen Städten Shkodra, Vlora, Ohrid, Prizren, Vuciterna, Korca, Gjirokastra usw. angewandt. Der Kanun des Lekë Dukagjini war der einzige unter den anderen Balkanstaaten, der als Parallelrecht fungierte, an Orten wie Miredita und in den Bergen von Mbishkodra in Dukagjini. und hatte seit 1479 Vorrang vor den Kanunamen und anderen Gesetzen des Osmanischen Reiches und anderen weltlichen Gesetzen. Die albanische Bevölkerung hatte während der osmanischen Herrschaft in Malësia (heutige Region der Albanischen Alpen im albanisch montenegrinischen Grenzgebiet) einen weisen Volksausdruck geschaffen, der besagte: Besser Schaden durch Schlagen (Vereinbarung untereinander basierend auf dem Kanun) als mit Kadi (osmanischer Richter). Diese Aussage beweist also sehr gut das Misstrauen der Hochländer, die öffentlich ihre Opposition gegen ausländisches Recht zum Ausdruck brachten. Ein wichtiges Merkmal des Kanun war also, dass er immer einen säkularen Geist bewahrte, aber religiöse Toleranz respektierte und sich historisch an die Umstände des Landes mit einer gemischten religiösen Bevölkerung anpasste, die vor der osmanischen Besatzung existierte. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden Vereinbarungen zur Einstellung von Blutrachen getroffen, um gemeinsam gegen die osmanischen Invasoren zu kämpfen. Das wichtigste Bündnis war das von Tirana im Jahr 1908, in dem entschieden wurde, dass der Täter, der dieses Bündnis brach, zum Tode verurteilt werden sollte. Ein weiterer wichtiger Bund für die Beendigung von Blutfehden war der von Kurvelesh im Jahr 1908. Laut Forscherin des albanischen Gewohnheitsrechts Margaret Hasluck funktionierte das albanische Gewohnheitsrecht der Kanun auch in der Zeit des Osmanischen Reiches gut und war im Vergleich zu ähnlichen europäischen Systemen oft schneller und kostengünstiger, da fast alle entstandenen Probleme nicht ungelöst blieben. Am 28. November 1912 erklärte Albanien seine Unabhängigkeit. Zu dieser Zeit waren in Albanien die Probleme von Rache und Blutfehden ausgebrochen. 1913 hatten sich die Vertreter der Hochländer von Kruja (Stadt in Albanien) versammelt, um die Provisorische Regierung von Vlora (Stadt in Albanien) zu unterstützen, indem sie sich für die Einstellung/Aussetzung der Blutrache aussprachen. Wer sich ihrer Haltung widersetzen würde, müsste sich vor der Regierung Vloras verantworten und würde zudem von den sog. Ältesten nicht mehr respektiert werden. Die Provisorische Regierung von Vlora stimmte aufgrund des Rechtsvakuums, das nach dem Abzug des Osmanischen Reiches aus Albanien geschaffen worden war, zu, die Gesetze des Gewohnheitsrechts in Kraft zu halten bis die Neuen erlassen wurden. Es sollte jedoch beachtet werden, dass auch nach Einführung des albanischen Zivilgesetzbuchs durch das am 30. Juni 1928 genehmigte Gesetzesdekret, Erbfragen, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes, in Verfahren waren, weiterhin auf der Grundlage des Gewohnheitsrechts gelöst wurden. Mit der Machtübernahme des albanischen Königs Zog am 24. Dezember 1924 (Das Königreich Albanien) wurden die gewohnheitsrechtlichen Bestimmungen (Kanun) durch die Verabschiedung der Verfassung im März 1925, dem Strafgesetzbuch von 1928 und dem Zivilgesetzbuch von 1929 außer Kraft gesetzt. Diese albanischen Gesetzbücher wurden auf Basis westeuropäischer Tradition geschaffen.

Über den Autor

Islam Qerimi, LL.M (Magister der Rechte), wurde 1967 in Dumnice e Poshtme (Kosova) geboren. Sein Diplomstudium der Rechtswissenschaften hat er an der Universität von Prishtina und sein Magisterstudium der Rechtswissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum erfolgreich abgeschlossen. Fasziniert von dem albanischen Gewohnheitsrecht und den Kanunen hielt sich der Autor mehrmals in Albanien auf, um die Besonderheiten des Gewohnheitsrechts kennenzulernen. Seine Tätigkeit bei verschiedenen kosovarischen Universitäten motivierte ihn dazu, sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.

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