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» Buch bewerten Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 08.2010
AuflagenNr.: 1
Seiten: 92
Abb.: 8
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Es herrscht inzwischen Einigkeit darüber, dass es der demografische Wandel, der teilweise sehr überspitzt betrachtet wird, notwendig macht, bestimmte gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen. Da sich die deutsche Gesellschaft auf dem Weg der Schrumpfung und Alterung befindet, rücken ältere Menschen mehr und mehr in das Blickfeld wissenschaftlicher Betrachtung. Nicht nur weil ihr Anteil an der Bevölkerung zunimmt, sondern auch weil sich die Wirtschaft einem zunehmenden Arbeitskräftemangel gegenübersieht, werden neue Formen der Qualifizierung älterer Erwerbstätiger immer dringlicher. Auch die Unternehmen erkennen die Notwendigkeit, Kompetenzen und Erfahrungen älterer Personen im Betrieb aufrecht zu erhalten, um für die Zukunft gerüstet zu sein. Will man die berufliche Bildung Älterer in ihrer Gesamtheit betrachten, ist es notwendig, eine systemische Perspektive zu entwickeln. Die Problematiken und Herausforderungen unserer Zeit können nur im Zusammenhang verschiedener Ebenen betrachtet werden. So spielen gleichermaßen die Gesellschaft als Ganzes, das Bildungssystem, die Betriebe und das Individuum eine wichtige Rolle. Dieses Buch versucht unter den Voraussetzungen aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen die berufliche Bildung Älterer zu betrachten und die Notwendigkeit eines Wandels im Umgang mit der Arbeitskraft älterer Menschen herauszuarbeiten. Es ist in diesem Zusammenhang von Interesse, welche Entwicklungen sich in der Gesellschaft bzw. Bevölkerung vollziehen und was eine altersgerechte berufliche Bildung zur Lösung beitragen kann. Fragen, die sich unter anderem stellen: Wie muss eine altersgerechte berufliche Bildung gestaltet sein, um der Spezifik des Lernens im Alter zu entsprechen? Welche Methoden der beruflichen Bildung bieten sich für ältere Erwerbstätige an, um ihr Wissen, ihre Fähigkeiten und Kompetenzen an die aktuell am Arbeitsmarkt geforderten Bedingungen anzupassen? Wie muss sich die berufliche Bildung wandeln, um den gesellschaftlichen Veränderungen sinnvoll begegnen zu können?
Textprobe: Kapitel 3.3, Lernen im Tandem: Ein altersgemischtes Team innerhalb der beruflichen Bildung kann den Beteiligten helfen, berufliches Wissen auf dem aktuellen Stand zu halten und gleichzeitig Erfahrungswissen, das nur im jeweiligen Arbeitshandeln erarbeitet werden kann, weiter zu geben. Das Lerntandem ist dabei nicht auf eine Richtung der Wissensvermittlung beschränkt, Lernprozesse verlaufen in beide Richtungen und können von jedem Lernpartner ausgehen. Soll eine Lernpartnerschaft in der beruflichen Bildung als eine Methode eingesetzt werden, ist es unerlässlich, dass eine systematische und professionelle Steuerung erfolgt. Das kann auch unter Zuhilfenahme externer Angebote geschehen. Die Gefahr der Verweigerung der Beteiligten und das Nichterreichen gesetzter Lernziele, die immer bei der Erprobung neuer Wege der Qualifizierung bestehen können, müssen auf ein Minimum reduziert werden. Gerade die Älteren können bei einer Lernpartnerschaft das Gefühl bekommen, dass sie ihr Wissen und ihre Erfahrung weitergeben sollen, um später ersetzt zu werden. Den Beteiligten sollten derartige Befürchtungen genommen werden. Sinnvollerweise besteht ein so genanntes ‚Lerntandem’ aus zwei Mitarbeitern unterschiedlicher Generationen, im Einzelfall können auch mehr als zwei innerhalb eines Tandems zweckmäßig sein. Das ist dann der Fall, wenn beispielsweise Aufgaben zukünftig von mehr als einer Person erfüllt werden sollen. Wichtig ist, dass die Lernpartner einen signifikanten Altersunterschied haben, damit in der Ausbildung aktuelles und neues Wissen, das der ältere Partner nicht in der Form vermittelt bekommen hat, im Tandem weiter gegeben werden kann. Auch das Erfahrungswissen, das der Ältere im Verlauf seines Berufslebens gemacht hat, hilft dem Jüngeren, bestimmte nicht vorhersehbare berufliche Situationen zu meistern. Nur wenn zwischen beiden dieser Altersunterschied besteht, kann das Tandem seine volle Wirkung entfalten. Der Ort und die Zeit, in dem das Lerntandem Anwendung findet, sollte vor allem im Prozess der Arbeit realisiert werden, um die Effektivität des Lernprozesses zu steigern. Beschränkt auf den Arbeitsprozess und die Arbeitszeit ist das Tandem dabei aber nicht. Soll ein komplexes Thema weiter vertieft werden, kann es nötig sein, auch außerhalb der beruflichen Situation bestimmte Lernziele zu bearbeiten. Voraussetzung ist, dass das Lernziel im Vorfeld klar definiert wird, um die später eventuell steigende Komplexität der Lerninhalte erfolgreich umzusetzen. Die Vorteile und Möglichkeiten eines Lerntandems können nur genutzt werden, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Die Partner müssen ein persönliches Interesse daran haben, das gemeinsame Lernprojekt erfolgreich zu bearbeiten, sie müssen sich freiwillig im Tandem befinden. Eine auf Zwang geschaffene Lernpartnerschaft verstärkt nur bestehende Ressentiments zwischen den Beteiligten und kann das Lernen äußerst schwierig gestalten. Daraus ergibt sich auch, dass die Beteiligten eigene Impulse im Lernprozess setzen sollten und selbstständig und verantwortungsbewusst für das Gelingen der Partnerschaft eintreten. Unabdingbar ist auch der gegenseitige Respekt und Vertrauen der Lernpartner. Mit der Reflexion der Lerninhalte muss die Situation im Tandem abgesichert werden. Fragen, die sich die Partner stellen sollten, betreffen die definierten Lernziele und die Frage, ob sie erreicht wurden. Weiterführend sollten auch die Methoden betrachtet und geklärt werden, inwieweit sie für die Erreichung des Lernziels nützlich oder eher hinderlich waren. Nur durch die Reflexion der gesamten Lernpartnerschaft können folgende Aufgaben bewältigt und Probleme verhindert werden. Wird das Konzept des Lerntandems innerhalb eines Betriebes erfolgreich etabliert, hilft es sowohl Jüngeren wie Älteren, wie bereits gezeigt wurde. Ältere erkennen, dass sie durch die Weitergabe ihres beruflichen Wissens wertvoll für das Unternehmen sind und können sich mit ‚ihrem’ Unternehmen identifizieren. Weiterhin stärkt es die fachliche Kompetenz und erweitert die Kontakte innerhalb des Unternehmens. Sie können so auf dem aktuellen Stand des jeweiligen Berufsfeldes bleiben und laufen weniger stark Gefahr, frühzeitig aus dem Betrieb ausscheiden zu müssen. Für Jüngere bietet es die Möglichkeit, wichtiges und nötiges Erfahrungswissen schnell zu übernehmen, das ohne das Lerntandem langwierig erarbeitet werden müsste. Es bilden sich eher Kontakte und Netzwerke innerhalb des Betriebes, die sonst erst über längere Zeiträume aufgebaut werden könnten. Nicht zu vergessen ist in diesem Zusammenhang, dass der Betrieb hier auch Begünstigter ist. Die Wettbewerbsfähigkeit über eine gesunde Altersstruktur herzustellen gilt als eine Möglichkeit, auf den wachsenden Konkurrenzdruck, verbunden mit dem zu erwartenden Rückgang des Arbeitskräfteangebotes auf Seiten junger Auszubildender, zu reagieren. Sowohl junge als auch erfahrene Mitarbeiter verzeichnen einen Kompetenzzuwachs, das Erfahrungswissen Älterer wird ‚offen gelegt’ und damit reproduzierbar. Die Jungen wachsen integriert und vernetzt in ein Unternehmen hinein und können sich schneller und effektiver mit dem Betrieb identifizieren.
Sebastian Thiele M.A. wurde 1981 in Leipzig geboren und studierte nach dem Abitur an der Technischen Universität Freiberg sowie an der Technischen Universität Chemnitz. Schon während des Studiums arbeitete Sebastian Thiele in verschiedenen Projekten der quantitativen und qualitativen Sozialforschung, vornehmlich zu den Themen Gesundheit, Bildung, E-Learning und Wohnen. Er schloss im Jahr 2010 sein Studium der Berufs- und Wirtschaftspädagogik, der Soziologie und Politikwissenschaft an der TU Chemnitz mit dem akademischen Grad 'Magister Artium' erfolgreich ab. Das Interesse an Grundfragen, Kategorien, Einrichtungen und Problemen der Aus- und Weiterbildung sowie der Didaktik und Methodik des beruflichen Lernens begann bereits in einer frühen Phase seiner akademischen Ausbildung und mündete in der vorliegenden Auseinandersetzung mit der Betrachtung der zukünftigen beruflichen Bildung Älterer.
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