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- Praktische Umsetzung der Lebensmittelsicherheitskultur in ausgewählten Unternehmen der Lebensmittelindustrie
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Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 09.2024
AuflagenNr.: 1
Seiten: 118
Abb.: 22
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Lebensmittelsicherheitskultur – ein Begriff, viele Facetten. Die Implementierung und Umsetzung einer Lebensmittelsicherheitskultur ist inzwischen nicht mehr nur für Unternehmen erforderlich, die eine Zertifizierung anstreben, sondern wird auch vom Gesetzgeber vorgeschrieben. Dies stellt viele Betriebe vor Herausforderungen, da sowohl der Begriff an sich als auch die Maßnahmen zur Umsetzung nicht explizit definiert sind. Diese Ausarbeitung möchte grundlegende Begriffe erklären, die theoretischen Grundlagen der Lebensmittelsicherheitskultur darstellen und anhand von Interviews aufzeigen, welche Umsetzungsmöglichkeiten es gibt, welche Probleme dabei auftreten können und wie unterschiedlich die befragten Unternehmen bei der Umsetzung vorgehen.
Textprobe: 2.2 Unternehmenskultur Die Unternehmenskultur ist der Motor eines Unternehmens […] . Sie hat sowohl eine Koordinations- als auch eine Motivationsfunktion. Insbesondere die Motivationsfunktion ist ein essentieller Bestandteil für die Implementierung und Aufrechterhaltung einer Lebensmittelsicherheitskultur. Eine Unternehmenskultur stellt aber auch sicher, dass Unternehmen […] beständig Produkte und Dienstleistungen bereitstellen […] können, die die Anforderungen der Kundinnen und die zutreffenden gesetzlichen und behördlichen Anforderungen erfüllen . Die Produktsicherheit, die das übergeordnete Ziele aller lebensmittelverarbeitender Betriebe ist, ist somit in ihrer Ausprägung von der Unternehmenskultur abhängig. In diesem Kontext ist es deshalb notwendig, sich mit den Begriffen Kultur und Unternehmenskultur auseinanderzusetzen. Kultur ist die Grundlage und Bedingung für das soziale Miteinander. Sie entwickelt sich durch das Handeln von Menschen und formt die Gesellschaft . Unter Kultur versteht man Denk- und Verhaltensweisen, die einem bestimmten Muster folgen und eine soziale Gruppe charakterisieren. Sie können durch Sozialisationsprozesse erlernt werden und sind von Dauer, das heißt kein kurzweiliger Trend. Erweitert man den Kulturbegriff nun um das Unternehmen, lässt sich sagen, dass Unternehmen kleine, mehr oder weniger geschlossene Gesellschaften mit einem individuellen Wertesystem sind. Alle Beschäftigten des Unternehmens schaffen dieses System und definieren sich darüber. Es wird deutlich, dass die Unternehmenskultur alle Hierarchien im Unternehmen betrifft und auch von allen Mitgliedern des Unternehmens, von der Unternehmensführung bis zum Mitarbeiter, geschaffen und aufrechterhalten werden muss. Die Handlung eines jeden Beschäftigen wird von der Unternehmenskultur geprägt und prägt wieder die Unternehmenskultur. Maßgeblich dabei ist die grundsätzliche Haltung der Unternehmensleitung. Diese Grundlage ist insbesondere für die LMS-Kultur von großer Bedeutung. Die Kultur eines Unternehmens beschreibt die gemeinsam gelebten und akzeptierten Werte innerhalb des Unternehmens, an denen sich das Handeln aller Beteiligten orientiert . Zu den Werten der Unternehmenskultur zählen ein respektvoller Umgang miteinander, eine offene Kommunikation zwischen Führungskräften und Mitarbeitern, transparente Prozesse sowie die Wertschätzung der Mitarbeiter. Die Unternehmenskultur beschreibt alle die Praktiken, die sich als für die Arbeitsqualität nützlich herausgestellt haben und den täglichen Prozessen sowie dem Miteinander einen festen Rahmen geben. Die Unternehmenskultur hat des Weiteren einen großen Einfluss auf das Wohlbefinden der Mitarbeiter, wovon wiederum deren Motivation abhängt. Wer unkonzentriert und demotiviert ist, macht Fehler . An dieser Stelle kann an die Lebensmittelsicherheit angeknüpft werden. Mitarbeiter, die demotiviert, möglicherweise auch überfordert und nicht fundiert geschult sind, können Fehler machen, die die Produktsicherheit in hohem Maß gefährden. Eine Unternehmenskultur, die auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter Rücksicht nimmt und in der Achtsamkeit verankert ist, kann einen positiven Einfluss auf diese Problematik ausüben und dazu führen, dass die Mitarbeiter motiviert sind und von sich aus an dem gesetzten Ziel, beispielsweise der Lebensmittelsicherheit, mitwirken. Die Unternehmenskultur ist geeignet, die umfangreiche Bedeutung der Lebensmittelsicherheit aufrechtzuerhalten und auch zu verbessern. Aus dieser Perspektive heraus können die Lebensmittelsicherheit und die Unternehmenskultur zur LMS-Kultur zusammengeführt werden. 2.3 Lebensmittelsicherheitskultur Bereits 2009, mehr als zehn Jahre, bevor das Thema LMS-Kultur als Anforderung in die gängigen Standards aufgenommen wurde, schrieb Frank Yiannas, dass es das Ziel sein sollte, eine LMS-Kultur aufzubauen und nicht ein Lebensmittelsicherheitsprogramm. Er wies bereits zu dieser Zeit darauf hin, dass bei einigen der größten Zwischenfälle im Bereich der Lebensmittelsicherheit auch die Unternehmenskultur eine Rolle gespielt hat. Obwohl die Lebensmittelsicherheit verschiedenen Gesetzen, Richtlinien und Verordnungen unterliegt, treten immer wieder durch Lebensmittel ausgelöste Probleme und Erkrankungen auf. Die WHO gibt fünf Grundprinzipien vor, die für sichere Lebensmittel essentiell sind: Sauberkeit, Trennung von rohen und gekochten Lebensmitteln, gründliches Erhitzen, dem Lebensmittel entsprechende Lagertemperaturen und die Verwendung von sauberem Wasser und sicheren Rohstoffen. Alle fünf Grundprinzipien können durch den Faktor Mensch, beispielsweise durch Irrtum, Unwissenheit, Unfähigkeit oder Desinteresse, negativ beeinfluss werden. Menschliches Verhalten ist dementsprechend ein zentrales Regelelement für Lebensmittelsicherheit . Entscheidend für die Lebensmittelsicherheit und für den Aufbau einer LMS-Kultur ist demnach das menschliche Verhalten. Laut Frank Yiannas werden keine deutlichen Verbesserungen bezüglich lebensmittelbedingter Erkrankungen, insbesondere in bestimmten Teilen der Erde, erzielt, wenn das menschliche Verhalten nicht besser beeinflusst und verändert wird. Dies bedeutet, dass die Lebensmittelsicherheit in den Unternehmen zu einem großen Teil vom Verhalten der Mitarbeiter abhängt. Die Lebensmittelsicherheit ist ein zentraler Wert, für den sich jeder Mitarbeiter verantwortlich fühlen sollte. Unsichere Bedingungen und Verhaltensweisen muss der Mitarbeiter erkennen können und er muss wissen, wie er entsprechend reagiert und eingreift. Das bedeutet aber auch, dass die Unternehmen Zeit und Geld in die Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter investieren müssen. Es reicht nicht aus, dass sich das HACCP-Team regelmäßig trifft, das ist nicht Lebensmittelsicherheitskultur . Die LMS-Kultur bezieht sich auf die spezifische Kultur eines Unternehmens und dabei insbesondere auf die Praktiken, die angewendet werden, wenn es keine Aufsicht und keine Kontrolle gibt. Für eine funktionierende LMS-Kultur müssen die Mitarbeiter motiviert sein, von sich aus die für die Lebensmittelsicherheit notwendigen Maßnahmen umzusetzen, ohne, dass sie durchgehend kontrolliert werden müssen. Jeder Mitarbeiter und jede Person im Unternehmen ist für die Herstellung sicherer Lebensmittel verantwortlich. Es ist wichtig, dass Mitarbeiter nicht nur verstehen, was sie tun und wie sie es tun sollen, sondern auch warum […] . Dazu genügt es nicht, die Mitarbeiter einmal jährlich zu schulen oder verschiedenartige Arbeitsanweisungen auszuhängen. Der Kern der LMS-Kultur besteht darin, den Mitarbeitern verständlich zu machen, warum Lebensmittelsicherheit essenziell ist und sie dazu zu motivieren, die entsprechenden Praktiken von sich aus anzuwenden, ohne permanent kontrolliert werden zu müssen. Insbesondere die Eigentümer sowie die Unternehmensleitung sind grundsätzlich Vorbilder für die Mitarbeiter, indem sie die Wichtigkeit der Lebensmittelsicherheit betonen und sich eigenverantwortlich dafür engagieren. Dies sorgt dafür, dass die Thematik von den Mitarbeitern ernst genommen wird und sich eine Unternehmenskultur entwickelt, die von Hygiene, guter Herstellungspraxis und Sicherheit geprägt ist. Das Management nimmt dazu auch regelmäßig an Lebensmittelsicherheitssitzungen teil und beschäftigt sich mit etwaigen Kundenreklamationen, Ergebnissen von Behördenbesuchen, Auditergebnissen und dem aktuellen Stand bezüglich der Lebensmittelsicherheit in der Branche. Die Stärke der LMS-Kultur zeigt sich darin, wie wichtig das Thema der Unternehmensführung ist. Die LMS-Kultur beginnt in der oberen Unternehmensebene und gelangt dann in alle anderen Unternehmensbereiche. Ein Geschäftsführer, der grundsätzlich seine Hygienebekleidung nicht richtig trägt, kann kein gutes Vorbild für die Mitarbeiter sein. Diese sehen das Verhalten bei ihm und leiten davon möglicherweise ab, dass das korrekte Tragen der Hygienebekleidung keinen hohen Stellenwert hat. Dies kann dazu führen, dass Mitarbeiter sich diesem Verhalten anpassen, ihre Hygienebekleidung künftig auch nicht mehr korrekt tragen und die Lebensmittelsicherheit somit gefährden. Bei der LMS-Kultur handelt es sich längst nicht mehr um ein Nischenthema. Die Lebensmittelsicherheitskultur ist im Mainstream der Hygieneanforderungen angekommen . Nachdem bereits die GFSI im Jahr 2020 die Auditkriterien um die LMS-Kultur erweitert hat, wurde mit der Aktualisierung der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 auch erstmals eine gesetzliche Grundlage zur Implementierung und Aufrechterhaltung einer LMS-Kultur geschaffen. Im folgenden Kapitel werden die gesetzlichen Anforderungen sowie die Auditkriterien der gängigen Zertifizierungsstands bezüglich der LMS-Kultur dargestellt. 3. Bedeutung der Lebensmittelsicherheitskultur Die LMS-Kultur ist inzwischen nicht nur für Betriebe, die eine Zertifizierung anstreben, verpflichtend, sondern auch auf EU-Ebene gesetzlich geregelt. Das folgende Kapitel gibt einen Überblick über die gesetzlichen Anforderungen sowie die Auditkriterien der gängigen Zertifizierungsstandard und schließt mit dem Stand der Forschung ab. 3.1 Codex Alimentarius und Änderung der EU-Verordnung Nr. 852/2004 Die Gesetzgebung zur Lebensmittelsicherheit innerhalb der EU und weltweit basiert auf dem sogenannten Codex Alimentarius . Es handelt sich dabei um eine Sammlung internationaler Lebensmittelstandards, die von einer Kommission aus Vertretern der FAO und der WHO ständig weiterentwickelt wird. Ziele sind die weltweite Harmonisierung der Lebensmittelsicherheit sowie die Erleichterung des globalen Handels im Lebensmittelbereich. Der für den Lebensmittelsektor wichtige Code of Practice CXC 1-1969 General Principles of Food Hygiene wurde im Jahr 2020 überarbeitet. Die Forderung nach einer LMS-Kultur wurde integriert. Laut diesem Code of Practice ist es für das erfolgreiche Funktionieren eines Lebensmittelhygienesystems grundlegend, dass eine positive LMS-Kultur etabliert und aufrechterhalten wird, die sich der Bedeutung des menschlichen Verhaltens in Bezug auf die Bereitstellung sicherer und zum Verzehr geeigneter Lebensmittel bewusst ist und diese anerkennt. Der Codex Alimentarius gibt im Folgenden vor, welche Elemente wichtig für die Lebensmittelsicherheit sind. Dazu zählen: - das Engagement des Managements sowie aller Mitarbeiter für die Herstellung und den Umgang mit sicheren Lebensmitteln, - das Einbinden des Personals in die Praktiken der Lebensmittelsicherheit, - die Schaffung des Bewusstseins für die Bedeutung der Lebensmittelhygiene, - die klare und offene Kommunikation, auch Abweichungen betreffend, sowie - die Verfügbarkeit ausreichender Ressourcen, materiell und personell, um das Funktionieren des Lebensmittelhygienesystems sicherzustellen. Aufbauend auf der Aufnahme der LMS-Kultur in den Codex Alimentarius wurde auch die europäische Gesetzgebung angepasst. Die EU-Kommission hat im Juli 2020 Änderungen der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 bezüglich der Lebensmittelhygiene vorgelegt, die unter anderem unter Bezugnahme auf die Allgemeinen Prinzipien der Lebensmittelhygiene der Codex Alimentarius-Kommission […] die Einbeziehung der Lebensmittelsicherheitskultur in dieser Verordnung vorsieht . Abbildung 3 stellt die detaillierten Anforderungen der Verordnung (EU) 2021/382 vom 03. März 2021 dar, die zur Änderung der Anhänge der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 erstellt wurde.
Jutta-Verena Schulze wurde 1990 in Fulda geboren. Ihr Studium der Oecotrophologie an der Hochschule Fulda schloss sie 2015 mit dem akademischen Grad Bachelor of Science ab. Seitdem ist sie im Bereich der Qualitätssicherung in der Lebensmittelindustrie tätig. Im Rahmen dieser Tätigkeit entwickelte sie ein ausgeprägtes Interesse für das Thema Lebensmittelsicherheitskultur als Ausgangspunkt für sichere Lebensmittel. Das berufsbegleitende Studium der Lebensmitteltechnologie, ebenfalls an der Hochschule Fulda, schloss sie 2023 mit dem akademischen Grad Master of Science ab.
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