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Geisteswissenschaften


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Produktart: Buch
Verlag: Bachelor + Master Publishing
Erscheinungsdatum: 06.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 56
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die vorliegende Studie versucht eine interdisziplinäre Annäherung an das vielschichtige, spannungsreiche und schwer fassbare Verhältnis zwischen Demokratie und öffentlicher Verwaltung. Den Anstoß bildet dabei die Frage, wie die umfassende und allgegenwärtige Tätigkeit der öffentlichen Verwaltung in demokratischen Systemen legitimiert werden kann. Daraufhin werden mehrere mögliche Perspektiven der Legitimitätsbeschaffung identifiziert, wobei die Theorie von Demokratie und Verwaltung der beiden Staatsrechtler Kelsen und Merkl zwar den Ausgangspunkt darstellt, sich aber als für moderne Industriegesellschaften überholter Ansatz erweist. Folglich werden zwei unter dem Schlagwort Demokratisierung der Verwaltung firmierende Alternativkonzepte der Legitimitätsbeschaffung präsentiert und im Hinblick auf ihre Bedeutung für die verwaltungspolitische Praxis Österreichs untersucht. Dabei wird einerseits die jahrzehntelange politische Diskussion um die Demokratisierung der österreichischen Bezirksverwaltung dargestellt und andererseits die politische Auseinandersetzung um mehr Bürgerbeteiligung beim Umweltschutz sowie die damit in Zusammenhang stehenden rechtlichen Umsetzungsmaßnahmen im Bereich der Umweltverträglichkeitsprüfung analysiert.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 5.1, Die Demokratisierung der österreichischen Bezirksverwaltung: Das Schlagwort der Demokratisierung der Verwaltung wird ursprünglich mit rätedemokratischen Bürokratiemodellen in Verbindung gebracht. In Österreich waren es die Sozialdemokraten, die seit dem Zusammenbruch der Monarchie unter diesem Titel eine an rätedemokratische Vorstellungen angelehnte Verwaltungsreform auf Ebene der Bezirksverwaltung forderten (Öhlinger/Matzka 1975, 445). 5.1.1, Organisationsgrundsätze der österreichischen Bezirksverwaltung: Die Bezirksverwaltung als allgemeine staatliche Verwaltung auf unterster Ebene wird in Österreich durch die sogenannten Bezirksverwaltungsbehörden besorgt, die für alle Angelegenheiten der Bundes- und Landesverwaltung in erster Instanz zuständig sind, soweit keine Sonderregelungen bzw Sonderbehörden bestehen ( subsidiäre Allzuständigkeit ). Aktuell existieren 95, das gesamte österreichische Staatsgebiet umfassende Bezirksverwaltungsbehörden, wobei zwischen den Städten mit eigenem Statut (15) und den (für uns interessanten) Bezirkshauptmannschaften (80) zu unterscheiden ist (Raschauer 2009, 112f Adamovich et al. 2009, 81f.). Es sind nämlich letztere, die unverändert aus der Monarchie übergeleitet und somit in ihrer rein monokratischen Struktur belassen wurden. Diese besteht in der Leitung durch den einzigen, namensgebenden Organwalter, den Bezirkshauptmann: An der Spitze der Bezirkshauptmannschaft steht der Bezirkshauptmann dieser ist für die gesamte Geschäftsführung verantwortlich und ist das entscheidende Organ. Damit ist für den Bereich der Bezirksverwaltung das monokratische System lückenlos durchgeführt. Zur Bestellung des Bezirkshauptmannes ist die LReg zuständig (Walter et al. 2007, 399). Im Unterschied zu den Bürgermeistern in den Statutarstädten wird der Bezirkshauptmann also – ganz im Sinne Webers – als berufsmäßiger Verwaltungsbeamter ernannt und eben nicht (direkt oder durch den Gemeinderat) gewählt. Dabei ist der Bezirkshauptmann als nur ‚nach oben hin‘ verantwortlicher Funktionsträger (Adamovich et al. 2013, 202), je nach Materie (Bundes- oder Landesverwaltung), an Weisungen des Landeshauptmannes oder der Landesregierung bzw des jeweiligen Landesrats gebunden (Adamovich et al. 2009, 82f). Des Weiteren waren seine Verwaltungsakte regelmäßig beim Landeshauptmann (mittelbare Bundesverwaltung) bzw bei der Landesregierung (Landesverwaltung) durch Berufung bekämpfbar. Die dabei inhaltlich zu behandelnden Verwaltungsmaterien sind vielfältig: Die Aufgaben der Bezirksverwaltung umfassen sowohl Angelegenheiten der Landesverwaltung (zB Naturschutz, Sozialhilfe, Jagdrecht) als auch Aufgaben der mittelbaren Bundesverwaltung (zB Gewerbe-, Forst-, Wasser- und Kraftfahrrecht) sowie der Sicherheitsverwaltung (…) (Adamovich et al. 2009, 83). Dabei geht die Tendenz sogar zu einer immer stärkeren Aufgabenkonzentration bei den Bezirksverwaltungsbehörden, was sich etwa darin bemerkbar macht, dass in den letzten Jahren wichtige Bereiche des gewerblichen Anlagenrechts in ihren Zuständigkeitsbereich überführt worden sind (Raschauer 2009, 113). 5.1.2, Debatte um die Demokratisierung der Bezirksverwaltung: Vorschläge betreffend die Reformierung der Bezirkshauptmannschaften sind bereits seit 1920 Gegenstand verfassungs- und verwaltungspolitischer Diskussionen , wobei die Frage im Mittelpunkt steht, ob diese Behörden in ihrer bisherigen Form aufrechterhalten oder (…) ersetzt bzw. modifiziert werden sollen (Adamovich et al. 2013, 202). Vor allem die Sozialdemokratie war treibende Kraft hinter den Reformbestrebungen und setzte über Jahrzehnte hinweg ihr Programm der Demokratisierung der Bezirksverwaltung auf die politische Tagesordnung. Allgemeine Hauptforderung war dabei die Bevölkerung an der Verwaltung durch gewählte Vertreter auf allen ihren Ebenen mitwirken zu lassen (Demmelbauer/Pesendorfer 1980, 8). Dabei treten die Bezüge zum rätedemokratischen Bürokratiemodell und die damit einhergehenden klassenkämpferischen Untertöne besonders in frühen Publikationen führender Sozialdemokraten zum Vorschein. So etwa bei Max Adler, der sich mit dem Programm gegen [d]ie aus den Zeiten der absoluten Monarchie [stammende], zentralisierte Staatsmacht wandte, die demnach der entstehenden Bourgeoisgesellschaft als eine mächtige Waffe in den Kämpfen gegen den Feudalismus diente (1922, in Demmelbauer/Pesendorfer 1980, 19). Und auch Otto Bauer (1923, in Demmelbauer/Pesendorfer 1980, 20) forderte die Demokratisierung der Bezirksverwaltung, weil die Unterstellung der Bezirkshauptleute unter die Landeshauptleute die Unterwerfung der proletarischen Industriebezirke unter die bürgerlich-agrarischen Landtagsmehrheiten bedeutet. In der politischen Praxis blieb von den oben erörterten Idealvorstellungen des rätedemokratischen Bürokratiemodells letztlich nur die Forderung übrig, anstatt Beamtenernennung wiederkehrende Volkswahlen (auch) auf Ebene der Bezirksverwaltung einzuführen, was letztlich einer Rückbesinnung auf den Gedanken der Selbstverwaltung gleichkam. Dieser Gedanke war ja auch schon in der Stammfassung des B-VG zu finden, das die (Orts-)Gemeinden (wie wir sie heute kennen) als Selbstverwaltungskörper einrichtete und es somit in diesem begrenzten Bereich – entgegen Webers Bürokratiemodell – zuließ, dass direkt und auf Zeit gewählte Organe (nämlich die Gemeinderäte) ‚allgemein und ohne Grenzziehung‘ neben den ernannten berufsmäßigen Organen zur Führung der Verwaltung berufen sind (Mantl 2007, 198). Diesen Selbstverwaltungsgedanken wollten die Sozialdemokraten nun aber auch auf der Ebene des Bezirks verwirklicht wissen: [Das Demokratisierungsprogramm] intendierte die Umwandlung ihrer [der Bezirkshauptmannschaften] aus der Monarchie übernommenen hierarchischen und bürokratischen Organisationsstruktur in einen Selbstverwaltungskörper nach dem Muster der Gemeinden, also: Wahl eines allgemeinen Vertretungskörpers (‚Bezirksparlament‘) nach dem Proportionalwahlsystem, der wiederum einen ihm ‚politisch‘ verantwortlichen Bezirkshauptmann und allenfalls weitere Mitglieder der Bezirks-‚Exekutive‘ zu bestellen hätte (Öhlinger/Matzka 1975, 445). Diese Intention schlug sich schon im Februar 1919 in einem Aktionsprogramm der sozialdemokratischen Abgeordneten nieder. Darin wurde gefordert, dass [d]ie Organe sämtlicher Verwaltungskörper (…) nach den Grundsätzen eines allgemeinen, gleichen und proportionalen Wahlrechtes gewählt werden sollten (Miehsler 1971, 155), wobei dies vor allem auch für die Bezirkshauptmannschaften zu gelten habe. Die Sozialdemokraten erreichten in der Folge – entgegen den Widerständen aus der Christlichsozialen Partei – eine Verankerung im Verfassungs-Übergangsgesetz 1920 , wonach [d]er einfache Bundesgesetzgeber ein Grundsatzgesetz zur ‚… Ausgestaltung der dermaligen Bezirksverwaltung …‘ erlassen sollte (Miehsler 1971, 146). Des Weiteren wurde auf ihr Betreiben Artikel 120 im B-VG verankert, der als Programmnorm den Bundesverfassungsgesetzgeber damit beauftragte, an Stelle der somit bloß als Übergangslösung gedachten Bezirkshauptmannschaften, die Ortsgemeinden in den jeweiligen Bezirken zu sogenannten Gebietsgemeinden nach dem Muster der Selbstverwaltung zusammenzuschließen (Demmelbauer/Pesendorfer 1980, 8f.). Die Sozialdemokraten wollten mit dieser Bestimmung das erste Stück Weges in Richtung rätedemokratischer Modelle eröffnen (Öhlinger/Matzka 1975, 456): Verfolgt man die in den ersten Jahren der Ersten Republik insbesondere von sozialdemokratischer Seite geführte Diskussion, so sieht man, daß (sic!) der Artikel 120 B-VG tatsächlich die Bezirksräte der Rätepyramide meinte (Öhlinger/Matzka 1975, 457). Im Jahre 1921 legte die christlich-soziale Minderheitsregierung Mayr II dem Nationalrat dann zwar tatsächlich einen Entwurf eines Bezirksverwaltungsgesetzes vor. In diesem kam jedoch die Absicht, das Vorhandene zu bewahren, sehr deutlich hervor , weswegen die Sozialdemokraten auch in dem zur Beratung dieser Vorlage gebildeten Unterausschuß (sic!) des Verfassungsausschusses mehrere wichtige Abänderungsanträge (Miehsler 1971, 158) einbrachten. Jedoch beschäftigte sich der Nationalrat in weiterer Folge nicht mehr mit dieser Regierungsvorlage und das Thema wurde in der ersten Republik nicht mehr behandelt (Miehsler 1971, 159). Zu Beginn der zweiten Republik griffen die Sozialdemokraten das Thema aber schon bald wieder auf. So wurde 1946 per Initiativantrag ein Entwurf für ein Bundesverfassungsgesetz über die Demokratisierung der Bezirksverwaltung in den Nationalrat eingebracht, der dann in einen Unterausschuss verwiesen, jedoch nicht mehr im Plenum behandelt wurde (Miehsler 1971, 160). Trotzdem betonten sozialdemokratische Abgeordnete immer wieder dieses Anliegen, so etwa Eibegger (1950, 524), der den gescheiterten Antrag (mit) eingebracht hatte und auch einige Jahre später noch um Unterstützung (vorrangig der ÖVP) warb: Wir haben in Österreich seit 1918 immer versucht, Behörden und Verwaltungen nach demokratischen Grundsätzen einzurichten. Gestatten Sie mir, daß (sic!) ich jetzt auf eine alte Forderung der Sozialdemokraten zurückkomme. (…) [I]ch will (…) in groben Umrissen die Frage der Demokratisierung der Bezirksverwaltungen behandeln. Schon die Verfassungen 1920, 1925 und 1929 haben uns auch eine Demokratisierung der Bezirksverwaltungen in Aussicht gestellt. Allerdings wurde in der Verfassung bestimmt, daß (sic!) hiefür ein eigenes Verfassungsgesetz notwendig sei. Dieses Verfassungsgesetz ist nie beschlossen worden. (…) Wir wollen aus den Bezirksverwaltungen und Bezirksverwaltungsbehörden nur das machen, was wir Demokraten in Österreich aus den Gemeinden und Bundesländern gemacht haben. Wir glauben, daß (sic!) als Zwischenstufe die Bezirksverwaltungsbehörde organisch gleich ausgebildet sein soll wie nach unten die Gemeinde und nach oben das Land. (…) Unsere Forderung richtet sich in erster Linie an unseren Regierungs- und Koalitionspartner, an die Volkspartei (…). Die Demokratisierung der Bezirksverwaltung kann (…) nur mit Zustimmung der beiden Regierungsparteien erfolgen. Wie schon die Christlichsozialen in der 1. Republik, so stand auch die Volkspartei diesen Vorstößen reserviert gegenüber, was etwa in der Replik des ÖVP-Abgeordneten Sebinger (1950, 532) zum Ausdruck kommt: Ich darf aber auch noch ganz kurz zu meinem Vorredner von der Sozialistischen Partei etwas sagen, der sich mit der Forderung nach der Demokratisierung der Verwaltung beschäftigt hat. Gewiß (sic!), meine Herren, man kann sich natürlich zu bestimmten Zeiten über alle Fragen unterhalten. Österreich ist ein Bundesstaat. (…) [U]nd daraus ergibt sich, daß (sic!) die Demokratisierung der Verwaltung, besonders der Bezirksverwaltungen, eine Angelegenheit der Länder ist. Irgendwann und irgendwie werden wir darüber schon ins Gespräch kommen, aber ich mache schon heute darauf aufmerksam, daß (sic!) wir uns auf diesem Gebiete zu äußerster Vorsicht veranlaßt (sic!) sehen. Auch in den darauffolgenden Jahren tauchte die Debatte immer wieder auf. So beklagte sich Eibegger im Jahr 1958 (3257), dass alle Versuche, nunmehr auch die Bestimmungen über die Schaffung der Gebietsgemeinden durchzuführen, erfolglos waren und sich die Volkspartei immer wieder weigert, derartige Gesetzesvorschläge überhaupt in Verhandlung zu nehmen. Dementsprechend warf er der ÖVP vor, dass [m]an annehmen muß (sic!), daß (sic!) die Volkspartei die Bezirkshauptmannschaften in ihrer alten Form als Restbestand aus längst vergangenen autoritären Zeiten auch für die Zukunft für die demokratische Republik Österreich retten will (1958, 3257). Symptomatisch für die Haltung der ÖVP hingegen die Aussage des Abgeordneten Prader (1962, 4619), wonach in bezug (sic!) auf das geographische Nahverhältnis unsres kleinen Landes, zwischen der demokratischen Verwaltung der Gemeinden und des Landes kein ausreichender Raum für ein zusätzliches Parlament auf Bezirksebene mehr gegeben scheint, weil dadurch die Gefahr der allzu großen Schwerfälligkeit in der Verwaltungstätigkeit entstehen könnte . Neben diesem Wirtschaftlichkeitsargument trat Prader (1963, 1650f.) in der Folge aber auch eindeutig in die argumentativen Fußstapfen von Kelsen und Merkl: Nach politischen Mehrheitsbildungen zusammengesetzte Organe sind dann sinnvoll, wenn sie im Bereich ihrer Zuständigkeit echte Gestaltungsbereiche, einen eigenen Wirkungsbereich haben, über den sie zu bestimmen und zu entscheiden haben (…). Welcher Wirkungsbereich wäre es denn überhaupt, den in diesem Bereich noch Bezirksparlamente zu gestalten hätten? Ich weiß keinen mehr. (…) Jedenfalls haben heute die Bezirkshauptmannschaften keinen eigenständigen Entscheidungsbereich, sie sind nur Gesetzesvollzugsorgane, Durchführungsorgane (…) und nicht etwas, was einen eigenen und selbst zu gestaltenden Wirkungsbereich besitzt.

Über den Autor

Gabriel Schmidlechner wurde 1990 in Oberndorf geboren. Sein Bachelorstudium der Politikwissenschaft sowie sein Diplomstudium der Rechtswissenschaften schloss er im Jahr 2014 jeweils mit Auszeichnung ab und erlangte dadurch die akademischen Grade Magister iuris sowie Bachelor of Arts. Seit März 2015 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Öffentliches Recht, Bereichsteil Verfassungs- und Verwaltungsrecht der Universität Salzburg.

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