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Produktart: Buch
Verlag: Bachelor + Master Publishing
Erscheinungsdatum: 12.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 68
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Das vorliegende Buch setzt sich mit dem Wirken Luce Irigarays in der Ausgestaltung differenzphilosophischen Denkens auseinander. Die Autorin stellt, basierend auf einer kurzen Zusammenfassung der differenzphilosophischen Entwicklung in der abendländischen Philosophiegeschichte, den Beitrag der Philosophin Luce Irigaray für die Konstruktion eines neuen geschlechtsspezifischen Sprechens, Denkens und Handelns zur Entwicklung einer weiblichen Philosophie dar und gibt einen Einblick in das Verhältnis ihres Werkes zum gegenwärtigen feministischen Diskurs und zu politisch-praktischen Diskussionen und Forschungen. Bei Irigaray tritt ein neues Differenzdenken aus den identitätslastigen Reflexionen traditioneller Philosophien heraus. Nach ihrer Ansicht eröffnet die Suche nach einem anderen Differenzbegriff vor allem im praktischen Denkrahmen die Möglichkeit, konkrete Schritte in Richtung neuer Fragestellungen gehen zu können. Die Schwierigkeit der traditionellen philosophischen Debatte im Kontext weiblicher Problemzusammenhänge besteht in einer vorwiegend männlichen Prägung philosophischer Denkweisen, Methoden und Begriffsbestimmungen. In einer vorgenommenen Neubewertung des Begriffs der sexuellen Differenz versucht Irigaray, eine Perspektive zu eröffnen, die akzeptiert, dass der Mensch zwei ist. In der Weiterführung ist es ihr Anliegen, eine weibliche Sprache als Gegenentwurf auszumachen, welche die tatsächliche geschlechtliche Identität für Frauen zulässt. Die praktische Seite ihres Differenzdenkens spiegelt sich einer Politik der Differenz wider, die es erlaubt, konstruktive Angebote für eine friedliche Revolution zu machen. Dadurch wird Irigarays Beitrag der sexuellen Differenz in einem feministischen Diskurs verortet, welcher es beansprucht, auf die Unterrepräsentation von Frauen hinzuweisen und so die feministischen Theoriebildung durch innovative Impulse für eine Weiterentwicklung, entsprechend den aktuell ökonomischen, politischen, rechtlichen und sozialen Strukturen der Gesellschaft zu beeinflussen.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3.2, Sich selbst berühren: die Sprache der Frau: ‘Weine nicht. Eines Tages wird es uns gelingen, uns zu sprechen. Und das, was wir sagen werden, wird noch schöner sein als unsere Tränen.’ (Irigaray 1979: 222)’[…] berühre dich, berühre mich, du wirst, sehen’.’ (ebd.: 223)Entgegen traditioneller Denkweisen begründet sich die andere Sexualität der Frau auf einem ‘radikalen Anderssein’ hinsichtlich der Logik des Einen (vgl. Kimmerle 2001c: 9). Die Anatomie der Frau bzw. ihre körperlichen Voraussetzungen lassen es zu, Weiblichkeit als eine vielgestaltige begreifen zu können, in welcher die Frau erstmals als eigenständiges Subjekt aufgehen darf. Irigaray versucht, mit der Morphologie des weiblichen Geschlechts begründet, einer Inbesitznahme des weiblichen durch das männliche Geschlecht entgegenzutreten. Hierfür braucht sie das Begehren der Frau, die Berührung, um sich selbst vermitteln zu können. Dem Phallus als Erzeuger und Hüter der bindenden symbolischen Ordnung setzt sie Strukturen weiblicher Anatomie entgegen, die die Auto-Erotik der Frau betonen: die weiblichen Lippen berühren sich stets, der Übergang der Haut ist fließend. Da weibliche Sexualität ‘[…] immer von männlichen Parametern ausgehend gedacht worden’ (Irigaray 1979: 22) ist, beherrscht das männliche Geschlecht das weibliche Nicht-Geschlecht. Die Klitoris als verkümmerter Penis, die Vagina als ‘[…] Herberge des männlichen Geschlechts, wenn, um Lust zu gewinnen, für die verbotene Hand eine Ablösung gefunden werden muß.’ (ebd.) - die Freud’sche Psychoanalyse stellte die erogenen weiblichen Bereiche als die Zonen dar, die in Passivität versunken, das klitorale Geschlecht als ein Nicht-Geschlecht abbilden, ‘[…] das dem Vergleich mit dem wertvollen phallischen Organ nicht standhält.’ (ebd.), welches zum Empfinden sexueller Lust nicht in der Lage ist. Die Auto-Erotik des Mannes, der seinen Phallus direkt sehen, aber nicht ohne Hilfsmittel berühren kann, hat, ‘[…] um sich zu berühren, ein Instrument nötig: seine Hand, das Geschlecht der Frau, die Sprache […]’ (ebd.: 23) und tritt als solche in einer auf einen Vermittler angewiesenen Beschränktheit auf. Die Frau hingegen kann sich aufgrund anatomischer Gegebenheiten jederzeit und permanent affizieren, da ‘[…] ihr Geschlecht aus zwei Lippen besteht, die sich unaufhörlich aneinander schmiegen.’ (ebd.). Diese metaphorisierten Lippen bilden immer schon zwei, ohne voneinander getrennt werden zu können Irigaray bestimmt das weibliche Geschlecht aus der morphologisch vorhandenen Doppeltheit heraus als das Geschlecht, welches sich durch eine Vielheit auszeichnet. Diese Vielheit rekurriert aus der Tatsache, dass die Frau immer schon Frau, immer schon mindestens zwei ist - ohne den verdoppelnden Blick benutzen zu müssen, über den der Mann ‘[…] die Erkenntnis seines Geschlechts erst […] findet.’ (Bussmann 1998: 50) und sein Geschlecht definieren kann. Die Lippen in ihrer unendlichen Gestalt bilden die Grenze zwischen dem, was sichtbar ist und dem, was verborgen bleibt die Spalte zwischen ihnen bewahrt die Möglichkeit, das Offene zurückzuerlangen, das Sprechen kreisen zu lassen. In der Berührung der Lippen sieht Irigaray die erogene Vielfalt des weiblichen Lustempfindens gesichert, eine Berührung, die weder vereinnahmt noch verschreckt und in diesem Sinne von der Ökonomie männlicher Sexualität abweicht. Das ist weibliches, ateleologisches Begehren: es lässt ‘[…] die Polarisierung auf ein einziges Lustempfinden explodieren’ (Irigaray 1979: 29). In diesem Kontext wird ersichtlich, dass Frauen kein anderes Subjekt benötigen, um den eigenen Körper zu erkennen, denn: ‘Ich berühre dich und das reicht sehr wohl aus, um zu wissen, dass du mein Körper bist.’ (ebd.: 214). Wichtig ist die Betonung des Unterschieds zum männlichen Begehren , dass sich in seiner Erscheinung endgültig und begrenzt darstellt - das Begehren der Frau indes ist frei in dem Sinn, dass es ‘[…] genaugenommen nichts und gleichzeitig alles [ist]’ (ebd.: 29). Irigarays Darstellung des weiblichen Geschlechts als ein offenes, sich männlichen Bedeutungszusammenhängen entziehendes, spricht daher darauf an, dass weibliche Sprache nicht mehr vom männlich Gedachten erfasst werden kann. In Bezug auf die Vielheit des weiblichen Geschlechts geht Irigaray von einer Vielfalt der weiblichen Sprache aus, welche im Begehren symbolisiert wird. Im weiblichen Begehren bzw. der Auto-Erotik der Frau zeigt sich ihr Sprechen als eine Form der Lippenbewegung, die zwischen geschlossener und offener Weise oszilliert und sich dabei permanent verändern kann - adäquat dazu variiert der Bedeutungsinhalt des Gesprochenen innerhalb dessen, was die Frau ausdrücken möchte, jedoch ‘Ohne soweit zu gehen, ihre Sprache (langage) anzuführen, von der ‘sie’ in alle Richtungen (sens) aufbricht, ohne daß ‘er’ hier die Kohärenz irgendeines Sinnes (sens) markiert.’ (ebd.: 28). In der Geste der Selbst-Berührung spricht die Frau also immer in der Nähe von dem, was sie sagen will, bemüht darum, jede Festlegung, Erstarrung zu vermeiden kommt sie vom Weg ab, beginnt das Sprechen wieder am Nullpunkt - das heißt: an ihrem Geschlecht-Körper, welcher ‘[…] nach Irigaray den ungewußten Ausgangspunkt der weiblichen Sprache, die sie auch ‘Frau-Sprechen’ nennt.’ (Bussmann 1998: 53) darstellt. Frau-Sprechen (parler femme) bedeutet vor allen Dingen, ‘[…] nicht über die Frau zu sprechen. Es geht nicht um die Produktion eines Diskurses, dessen Objekt bzw. Subjekt - die Frau wäre.’ (Irigaray 1979: 141), sondern um die Entwicklung einer speziell weiblichen, auf Berührung und Nähe ausgerichteten Syntax. Auch hier ist es die Berührung - ohne den Prozess der gewaltsamen Aneignung - die Frau-Sprechen stattfinden lässt. In diesem Sinn sind es weibliche Erfahrungswerte, die Perspektiven in Hinblick auf anders zu interpretierende Bedeutungssysteme eröffnen. Irigaray sieht in der offenen Form des weiblichen Sprechens die Chance, ‘[…] die als weibliche Imagination ausgesponnen und gegen die bestehende symbolische Ordnung ausgearbeitet werden muß.’ (Rullmann 1998: 260). Ziel ist es, den Dialog der Frauen miteinander, den Austausch untereinander zu befördern, um die notwendige Veränderung der herrschenden symbolischen Strukturen herbeizuführen - immer aus dem Blickwinkel heraus betrachtet, die Stellung der Frau in der Gesellschaft, die Irigaray mit Syntax bezeichnet, als eine dem Mann untergeordnete zu bezeichnen. ‘Die Syntax umzustürzen, indem man ihre stets teleologische Ordnung durch Abreißen des Drahtes […] suspendiert, […]’ (Irigaray 1980: 181) bzw. eine andere Syntax zu schaffen, in welcher das traditionelle Verhältnis von Subjekt und Objekt aufgehoben wird, bezeichnet Irigarays Vorstellung einer Syntax, welche ‘[…] eine Nähe, so nah, dass jegliche Diskriminierung, jegliche Definition und somit jegliche Form von Aneignung unmöglich wäre.’ (Irigaray 1977: 22) erzeugen kann. Irigaray sucht also nach einer Form des Sprechens als Theorie einer anderen Form des Ausdrückens, die losgelöst von der Herrschaft des Phallus gedacht und erlebt werden kann besteht aber gleichzeitig darauf, das Vorhandensein beider Geschlechter im Diskurs zu akzeptieren. Eine Sprache der Frauen inmitten oder aus weiblicher Imagination heraus zu entwickeln, ihr Unbewusstes sprechen zu lassen, ist Irigarays Intention. Hierzu arbeitete sie gemeinsam mit einer Gruppe von Forschern Grundelemente geschlechtsspezifischer Kommunikation heraus, welche die ‘Sprachlosigkeit’ der Frau im männlich beherrschten Diskurs aufzeigen konnten. Daran schließt Irigarays Kritik an den Sprachwissenschaften an, welche sich ‘[…] der Frage der geschlechtsspezifischen Bestimmtheit des Diskurses’ entziehen und dabei ‘[…] die Erweiterungen der Wortbedeutung sowie der stilistischen und syntaktischen Möglichkeiten […] als nicht neutral und nicht zeitlos.’ (Kimmerle 2001c:18) vernachlässigen. Ihr Anliegen also, eine weibliche Sprache, in der ‘[…] geschlechtliche Fühlungen in die Sprachfiguren eingeführt werden.’ (Kuster 1996: 57) als Gegenentwurf zum Meta-Sprechen auszumachen, welche eine tatsächliche geschlechtliche Identität für Frauen zulässt, war insofern erfolgreich und fruchtbar, dass Irigaray einen Horizont neuen, anderen Denkens öffnen konnte, der es ermöglichte, das Weibliche, weibliche Identität - in Abgrenzung zum Männlichen - über die Sprache in der Sprache zu repräsentieren, denn: ‘Zu glauben, dass Frauen und Männer auf gleiche Weise sprechen, bedeutet, auf der Ebene der Bedürfnisse stehenzubleiben.’ (Irigaray 1997: 171). Indem Frauen ihre Sprache ergründen und gebrauchen, können sie sich aus dem neutral vermittelten Diskurs herausführen und dabei ihre speziell weiblichen Werte bewahren. Im Verhältnis zum Mann bedeutet dies vor allem aber auch ‘[…] eine Liebe mit dem anderen - Mann[…], eine Liebe, die in der Anziehung gründet und geheiligt ist.’ (ebd.: 180) zu bewahren.

Über den Autor

Silke Piwko wurde 1974 in Löbau (Sachsen) geboren. Nach einer Berufsausbildung erwarb sie das Abitur auf dem zweiten Bildungsweg, sowie den Bachelor of Arts im Studiengang Kulturwissenschaften an der Fernuniversität Hagen. Zur Zeit setzt sie ihr Studium im Masterstudiengang Philosophie an derselben Universität fort. Besonders interessiert ist sie am Themengebiet der Medienphilosophie und an philosophischen und geschlechtsspezifischen Fragestellungen gesellschaftlicher Zusammenhänge.

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