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Geisteswissenschaften

Nicolas Meudt

Über die politische Philosophie im Daodejing

ISBN: 978-3-95549-321-9

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Produktart: Buch
Verlag: Bachelor + Master Publishing
Erscheinungsdatum: 06.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 80
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Ziel dieser Auseinadersetzung mit der Philosophie Laozis ist die Wiederherstellung des ursprünglichen Sinngehalts des Daodejings (DDJ) sowie der mutmaßlichen Bedeutung der enthaltenen Essenz für den originären Verfasser und dessen Publikum. Im Anschluss an die Bewusstmachung des Kontexts seiner Genesis werden der Text sowie die grundsätzliche Gültigkeit der darin enthaltenen Gedanken deswegen, ganz im Sinne der historischen Hermeneutik, in direktem Bezug auf die soziohistorischen Umstände ihrer Entstehung interpretiert. Mit erstaunlicher Sekurität lässt sich dergestalt konkludieren, dass sich das DDJ als ursprünglich zutiefst politisches Werk primär mit der Realisierung von Frieden und gesellschaftlicher Ordnung beschäftigt. Wie diese Ordnung im Detail auszusehen hat, muss anhand Laozis Hauptthema, der Problematik der Identität und Funktion des Dao , entschlüsselt werden. Zentrale Fragen, mit denen sich diese Arbeit beschäftigt, sind daher: Was ist das Dao (im DDJ)? In welchem Bezug steht es zur phänomenalen Welt? Wie lebt der Mensch in diesem Dao? Wie hat er es verloren und (wie) kann er es zurückgewinnen? Welche politische Form des Zusammenlebens beschreibt Laozi als optimal? Warum?

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.3, Moderne Annäherungsversuche an das DDJ: Viele Irritationen bezüglich des Textverständnisses lassen sich durch eine Bewusstmachung der in der Auseinandersetzung mit den Gedanken Laozis verfolgten Ziele aus dem Weg räumen. Das erste Ziel und der auch heute noch dominante Ansatz ist es, die zeitgenössische Relevanz des Textes und die in ihm enthaltenen Fragen auf aktuelle Probleme herauszuarbeiten. Neben der Bedeutung des DDJs für das Individuum als persönliche Lebensphilosophie, ‘Es handelt sich bei diesen Inhalten um Belehrungen für das Leben und Korrekturmöglichkeiten für das moderne Leben.’ , werden dabei auch immer wieder Problemstellungen von gesellschaftlicher, teilweise sogar globaler, Bedeutung bearbeitet. So untersucht etwa Karin Lai, ob und wie sich die Philosophie Laozis gegenüber der feministischen Bewegung und ihrer Agenda positioniert und Walter Schweidler und Herbert Mainusch befassen sich mit der Frage, inwiefern der Daoismus und die Idee der Menschenrechte kompatibel sind und ob er nicht vielleicht sogar bei der Findung eines ‘Weltethos’ dienlich sein könnte? Das zweite Ziel ist die Wiederherstellung des ursprünglichen Sinngehalts des Textes und der wahrscheinlichen Bedeutung seines Inhalts für seinen originären Verfasser und dessen Publikum. Diese Ziele müssen sich nicht zwangsläufig gegenseitig ausschließen, jedoch ist es wichtig sich den unterschiedlichen Ansätzen bewusst zu sein, weil sich nur so die mannigfache Verschiedenheit der Resultate richtig einordnen lässt. Die an den Lesern und ihren Welten orientierte Methode der Schriftauslegung entspricht einem Verständnis des DDJ als ‘heiligem Text’ oder zumindest der Würdigung seines Status als ‘Klassiker’. Als solchem wird ihm eine wie auch immer geartete, immanente und zeitlose Wahrheit zugeschrieben, von deren Kenntnis der heutige Leser hofft profitieren zu können. Diese Möglichkeit sieht beispielsweise Russel Kirkland: The Daode jing can best be compared to works of ‘wisdom literature’ like the Biblical book of Proverbs. In other words, its primary purpose is to provide the reader with profound advice about how to live his life. Oddly, this simple fact is seldom appreciated. Many have misinterpreted the Daode jing as a philosophical treatise, or as just another manifestation of a universal mystical wisdom. Such interpretations misconstrue the fundamental nature of the work. Zu einer ähnlichen Beurteilungen gelangen Ames und Hall, die bei den Editoren des DDJ die Absicht vermuten, eine Anleitung zur Selbstkultivierung zusammenstellen zu wollen, die zu einer Optimierung der Welt-Erfahrung verhilft. We will argue that the defining purpose of the Daodejing is bringing into focus and sustaining a productive disposition that allows for the fullest appreciation of those specific things and events that constitute one’s field of experience. The project, simply put, is to get the most out of what each of us is: a quantum of unique experience. It is making this life significant. Einen Schritt weiter geht Galia Patt-Shamir, der die Meinung vertritt, dass das DDJ ein transformativer Text sei, der zwangsläufig das Leben eines jeden verändern würde, der ihn nur liest und versteht. Ganz in der Tradition Xiang’ers meint Ellen Marie Chen gar, in den 81 Kapiteln eine Unsterblichkeitslehre gefunden zu haben: Then I came to examine the meaning of ming, the Taoist term for spiritual enlightenment. It dawned upon me that the Tao Te Ching was indeed, as the religious Taoists claimed it to be, a work in search of immortality. Diesem Ansatz würden heute wohl die wenigsten Wissenschaftler folgen, doch dass das DDJ eine mystische Komponente hat, ja dass der Text primär als mystischer Text zu verstehen ist, war nicht nur lange Zeit Konsens, sondern findet auch heute noch Anklang bei einer Mehrzahl von Forschern. ‘The thought of the Tao-te-ching emerges as multifaceted and endlessly adaptable to many-layered interpretations. Yet its mystical dimension remains essential’, schreibt beispielsweise Benjamin Schwartz, ein renommierter Vertreter dieses traditionellen Ansatzes, der in der Wirkungsgeschichte des Werkes Bestätigung findet. Bekräftigt wird er in seiner Haltung unter anderem durch Harold D. Roth, der hier exemplarisch für eine in ihrer Zahl schier endlose Allianz an Gleichgesinnten zitiert werden soll: ‘One of the few areas of agreement between sinologists and scholars of Comparative Religion is in regarding the Laozi as an important work of mysticism’. Wenn es also klar scheint, dass es sich bei Laozi um einen Mystiker handelt – dies ist er, wie für so viele andere auch für Max Kaltenmark - so stellt sich naturgemäß die Frage, bis zu welchem Grade er ein solcher ist. Auf diesem Weg, so der eben genannte Autor, gäbe es nämlich ‘viele Stufen, angefangen bei der einfachen Meditation bis zur ekstatischen Trance’. Sich auf Zhuangzi berufend, etikettiert Kaltenmark Laozi wenig später als ‘Ekstatiker’. Diese These würde Mark Csikszentmihaly, selbst ein Vertreter des prominenten mystischen Ansatzes, so wohl unter keinen Umständen stehen lassen - für ihn ist ‘the Laozi’ gerade keine Darstellung einer mystischen Erfahrung, sondern ‘an attempt to describe a ’phenomenon’ in the same way that scholars of mysticism do’. Selbstverständlich wählen auch nicht wenige den Mittelweg zwischen einer philosophischen und einer mystischen Interpretation. ‘The most important aspect of the Laozi is of course its mixture of philosophy and mysticism, both of which are related to its form of presentation or language.’ , konstatiert Zhang Longxi und fasst damit die Position all jener treffend zusammen, welche die beiden Konzepte nicht als antagonistisch betrachten, sondern für miteinander vereinbar halten. Von derlei Kompromissen will Chad Hansen freilich nichts wissen. Für ihn ist das DDJ zuallererst ein sprachtheoretisches Werk, das sich mit Problemen der Sprachlogik – dem Missverhältnis zwischen gesprochenem oder geschriebenem Wörtern und ihrer Bedeutung - beschäftigt: The view of Taoism that emerges from this study of the concept of knowledge in the critical philosophy of the Tao Te Ching can be understood without any metaphysical or mystical assumptions at all. All conclusions follow simply from the relativist and skeptical analysis of language, names, and distinctions, and from a view of knowledge as a skill. Hansen zufolge wendet sich Laozi gegen Sprache als Instrument gesellschaftlicher Kontrolle. Laozis Sprachtheorie, so der Autor, entstammt nicht etwa einer fatalistischen Geisteshaltung oder einer Betroffenheit durch den aktuellen Lauf der Dinge sondern einer gesellschaftsfeindlichen, anti-konventionellen und antiautoritären Haltung. Als Vertreter des linguistischen Skeptizismus fordert Laozi demnach eine Umwertung der den Dingen, Begriffen und Ereignissen nominalistisch zugeschriebenen Werte. The famous reversal of opposites character of Daoism starts from Laozi's contrast theory of names (…)What is pragmatically salient about the distinctions between two opposites lies in how they guide us (…) The opposites guide our preferences. Distinctions shape attitudes (…) Socialization produces behavior-influencing desires. They are not innate. I shall argue that what the reversal of opposites reverses is the socialized desire or preference assignment to each of the pairs. Laozi teaches us to value what convention teaches us to disvalue. Auch David Hong Cheng kann einer mystischen Interpretation des DDJ nicht viel abgewinnen. Dass es überhaupt zu einer solchen Auslegung kommen konnte, führt er auf die leichtfertige Vermischung der Philosophie Laozis mit den Gedanken Zhuangzis zurück. That some scholars in later centuries grouped Lao Tzu and Chuang Tzu together as Taoists without distinguishing their respective philosophies was a mistake that caused the mislabelling of Lao tzu as a mystic. Based on the contents of the text he left to posterity, Lao Tzu was not, by any stretch of imagination, a mystic. Derzeit gibt es in der Laozi-Forschung zwei voneinander unabhängige, besonders intensiv geführte Diskussionen. Die erste widmet sich der Frage, ob sich aus dem DDJ Aussagen bezüglich des Themas ‘Naturschutz’ herauslesen lassen, verkürzt gesagt also: War Laozi Umweltschützer? Ist Daoismus ‘grün’? Seitdem die Auseinandersetzung in den 1990er Jahren an Fahrt aufgenommen hat, scheinen die diesbezüglichen Publikationen kein Ende zu nehmen. Und da die Fronten hier ähnlich verhärtet scheinen – man vergleiche nur die Aufsätze von Paul R Goldin und Eric Sean Nelson - wie bei der Frage ob das DDJ nun ein mystischer oder philosophischer Text ist und die Problematik des Umweltschutzes sich wohl oder übel kaum in Luft auflösen wird, wird wohl auch die Debatte aller Wahrscheinlichkeit nach in absehbarer Zeit nicht abreißen. Die zweite auffällige Entwicklung ist eine explosionsartige Zunahme an ‘interkulturellen Arbeiten’ in der vergangenen Dekade. Sie versuchen das Denken Laozis in einen ‘universellen’ Rahmen zu setzen und durch Vergleiche – entweder das Aufzeigen von Gemeinsamkeiten, oder die Beleuchtung von Unterschieden - mit westlichen Denkern zu einem besseren Verständnis seiner Philosophie zu gelangen. Unter den vorgenommenen Betrachtungen befinden sich unter anderem Gegenüberstellungen mit: Heraklit , Plato , Aristoteles , Levinas , Wittgenstein , Schelling , Derrida , Hesse , Dewey und natürlich immer wieder Heidegger. Ann A. Pang-White versucht sich gar an einer Zusammenführung der beiden derzeit vorherrschenden Forschungstrends und hegt bei diesem Unterfangen große Hoffnungen: ‘By bringing Daoism and Kant into dialogue, I hope to bring forth a synthetic approach that is better suited to today’s environmental concerns’.

Über den Autor

Nicolas Meudt wurde 1983 in Heidelberg geboren und hat dort sowie in Köln und Porto unter anderem Politikwissenschaft, Philosophie und Mittlere und Neuere Geschichte studiert.

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