Suche

» erweiterte Suche » Sitemap

Geschichte


» Bild vergrößern
» Blick ins Buch
» weitere Bücher zum Thema


» Buch empfehlen
» Buch bewerten
Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 08.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 128
Abb.: 11
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

In der Hochphase des Imperialismus wurde der afrikanische Kontinent unter den Westeuropäern aufgeteilt. Das Deutsche Kaiserreich nahm 1884 einen unwirtlichen Küstenstreifen zwischen der britischen Kolonie Goldküste und dem französischen Dahomey in Besitz und errichtete dort ihre sehr direkte Herrschaft. Bereits zehn Jahre später wurde im heutigen Anécho ein kleines deutsches Regierungskrankenhaus eröffnet. Es war das erste deutsche Krankenhaus in den afrikanischen Kolonialgebieten überhaupt und beeinflusste die Architektur und den Betrieb späterer, größerer Häuser in Deutsch-Ostafrika und Kamerun. Die Zeit des Kolonialismus fiel mit dem Erblühen der naturwissenschaftlichen Medizin zusammen, was die Frage aufwirft, wieviel moderne Medizin denn an den Rand der Welt exportiert wurde und wie solche Veränderungen auf die ortansässige Bevölkerung wirkten. Denn diese war auch vorher medizinisch nicht gänzlich unversorgt geblieben. Vielmehr bestand vor der Kolonisation ein dichtes Netz an lokalen Heilkundigen, deren Grundlage eine in der Bevölkerung tief verwurzelte animistisch-religiöse Weltanschauung war. Das Buch will die Aufgaben und das Wirken von Ärzten und Pflegepersonal des Krankenhauses von seinen Anfängen bis zur Aufgabe der deutschen Kolonie Togo - von 1884 bis1914 - verfolgen und sie in den Kontext einer gewaltbereiten Epoche stellen. Waren die medizinischen Akteure machtbesessene Agressoren, die im Großlabor Togo unethische wissenschaftliche Feldversuche zum eigenen Ruhme durchführten, waren sie womöglich eine conditio sine qua non der deutsche Kolonialismus in Togo kläglich gescheitert wäre, oder waren sie doch eher Ärzte und Krankenpflegekräfte, die entsprechend ihrer Ausbildung bemüht waren, Leiden zu lindern? Für die Beurteilung moderner Begriffe wie Imperialismus und Kolonisation wurde auf zeitgenössische Autoren zurückgegriffen. Als Stimmen aus der Kaiserzeit wurde eine Reihe von zeitgenössischen Autoren herangezogen. Nur so wurde es möglich, das Weltbild der Originalakteure von dem Mantel der Urteile, die wir in den letzten hundert Jahren über die deutsche Kolonialpolitik angehäuft haben, zu befreien. Der Leser möge immer bedenken, dass nur der das Handeln von Menschen einer anderen Epoche verstehen kann, der bereit ist, sich in deren Denk- und Verhaltensmuster hineinzuversetzen. Sie hätten es doch besser wissen müssen -Schuldzuweisungen sind hier kontraproduktiv und spiegeln nicht das damalige Denken wieder.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.1.2., BESETZUNG UND UNTERWERFUNG: Lange bevor das Reich zugriff, waren bereits deutsche Handelsgesellschaften und Missionare im Togostreifen tätig. Namentlich die Missionare der Norddeutschen Missionsgesellschaft hatten sich die Missionierung der östlich des Voltaflusses lebenden Ewe zum Ziel genommen. Ihr Traum war, in einem noch kolonialherrenfreien Gebiet wirken zu können. Sie ließen sich in Kete nieder. Zugleich eröffnete das der Missionsgesellschaft nahestehende und diese finanziell unterstützende Bremer Handelshaus Friedrich M. Vietor mit dem Kaufmann Johann Carl Vietor 1856 seinen ersten Betrieb ebenfalls in Kete, dem Faktoreien an der Küste (Be-Beach, Bagida-Beach, Anecho) folgen sollten. Mit Hauptsitz an der französischen Küste (Grand-Popo) trieb Carl Goedelt, ein Woermann-Partner, ab 1880 Handelsniederlassungen nach Westen vor (Anecho, Lomé). Ebenso mit Hauptsitz in Grand-Popo etablierten sich 1884 sieben Agenturen der deutschen Firma Wölber& Brohm in Anecho, Bagida und Lomé). Ein kleineres Unternehmen, Max Grumbach & Co. war in Anecho ansässig, musste aber nach wenigen Jahren aufgeben. Dazu bestand in Lomé ein Außenposten der englischen F&A. Swanzy Faktorei sowie in Anecho eine Tochtergesellschaft der französischen Regis Aines Frères und Cyprien Fabre in Porto Seguro. Die meisten Unternehmen (außer Vietor) lebten gut vom Alkoholverkauf und nutzten die noch europäisch unvereinnahmte Togoküste, um die hohen Zölle in der englischen Goldküste bzw. im französischen Dahomey zu umgehen. Es war daher nur noch eine Frage der Zeit, wann die benachbarten Kolonialmächte den freien Küstenstreifen dazwischen unter sich aufteilen würden. Frankreich hatte in einem Geheimdossier bereits einen Schutzvertrag für Klein-Popo beschlossen, jedoch noch nicht vollzogen. Gleichzeitig umwarben die Engländer einige Häuptlinge an der Küste für einen Schutzvertrag. Als 1883 die Afrikaner auch noch einen englischfreundlichen ‘Regierungschef’ in ihren Clan aufnahmen, fürchteten die deutschen Händler um ihre Vorrechte und riefen ein vor der Küste kreuzendes deutsches Kriegsschiff - die SMS ‘Sophie’ - zu Hilfe. Deren Besatzung überfiel Klein-Popo (05.02.1884) und entführte vier unbequeme, englisch-freundliche Ratgeber des örtlichen Königs. Solcherlei Gewaltdemonstration verfehlte ihre Wirkung auf die afrikanischen Potentaten nicht. Es kündigte ihnen das Bestehen einer weiteren Macht neben England und Frankreich an und eröffnete die Möglichkeit, sich geschickt der englisch-französischen Umklammerung zu entziehen und gleichzeitig die verschiedenen europäischen Fraktionen zu ihrem eigenen Vorteil gegeneinander auszuspielen. So baten bereits im März 1884 die Könige von Little Popo und Gridji um den Schutz des Kaiserreichs. Es scheint, dass die Togoer sich damals für das kleinere Übel, nämlich den Schutzvertrag mit dem bis dahin unbekannten deutschen Kaiserreich, entschieden haben. Es ist für den geschichtlichen Ablauf unerheblich, inwieweit sich die vertragschließenden togoischen Parteien wirklich über die Vertragsfolgen im Klaren waren. Fest steht, dass die Häuptlinge wie auch Engländer und Franzosen die deutsche Oberherrschaft anerkannten, zumal die Deutschen zu Beginn noch sehr zurückhaltend vorgingen und die übrigen Europäer kein wirklich brennendes Interesse an Togo zeigten. So achtete der für Westafrika eingesetzte Reichskommissar Gustav Nachtigal, der sich gerade auf dem Schiffsweg von Tunis nach Kamerun befand, strikt darauf, seine Fahne nicht in Klein-Popo zu hissen, da dieses der französischen Interessenssphäre zugerechnet wurde. Er folgte damit ausdrücklich einer Weisung Bismarcks, Gebietsstreitigkeiten mit Frankreich unbedingt zu vermeiden. Gegenüber englischen Befindlichkeiten war man lockerer, und so unterzeichneten einige Häuptlinge den Schutzgebietsvertrag für das Gebiet des Königs Mlapa III am 5.7.1884 in Bagida. Am nächsten Tag bestimmte Nachtigal den Handelsagenten des Unternehmens Wölber & Brohm Heinrich Randad zum provisorischen Konsul. Den Reichskanzler informierte Nachtigal erst bei seiner Rückreise am 23.8.1884 von Madeira aus über die Inbesitznahme und Ernennung. Es blieb die Politik aller folgenden Regierungsbeamten, das Gebiet der Kolonie durch Schutzgebietsverträge mit den Häuptlingen, die man für zuständig hielt, zu erweitern. Die Grenzen blieben noch einige Jahre variabel. Die präzise Grenzziehung zu den Nachbarkolonien (dem französischen Dahomey im Osten und der westlich gelegenen, britischen Goldküste) erfolgte erst Jahre später. Aus dem Vorgenannten ergibt sich, dass die deutsche Kolonisation ohne die Zustimmung der einflussreichen Familien der Küstenorte nicht hätte stattfinden können. Diese Entscheidung war wiederum von Stammesstreitigkeiten und der vermuteten baldigen britischen Annexion beeinflusst. Die deutschen Kolonisatoren wären 1884 kräftemäßig nicht in der Lage gewesen, sich an der Sklavenküste mit militärischer Macht festzusetzen und zu halten. Nach Erbar lag nun vor den frischgebackenen Kolonialherren die gewaltige Aufgabe, ohne praktische Erfahrungswerte und strategische Vorgaben sowie ohne Kenntnisse des Landes, das sie regieren sollten, eine effektive Verwaltung mit bescheidenen finanziellen Mitteln einzurichten. Dem lag der Wille Bismarcks zu Grunde, Kolonien, wenn sie ihm denn schon vom Volke aufgenötigt wurden, sich selbst tragen und verwalten zu lassen. Es gelang allerdings nicht, private Chartergesellschaften für Togo ins Leben zu rufen, so dass am Ende doch das Reich unterstützen musste. Die Vorgänge zur Festigung der Macht und ihr Ausbau sind sehr detailliert bei Trutz von Trotha beschrieben. Seiner Ansicht nach wurde das Gewaltmonopol, das eine Herrschaft kennzeichnet, durch permanente Gewaltandrohung und gelegentliche Demonstration überlegener Waffenstärke erreicht und schließlich ‘zur Grundform des Rechts’ erhoben. Es ist zutreffend, dass Gewalt unmittelbar überzeugt und keines Dolmetschens bedarf. Das Brechen von Widerstand bei einigen kurzzeitigen, kleinen lokalen Aufständen durch Einsatz überlegener Waffen wie dem Maxim-Maschinengewehr förderte eine Kultur des Gehorsams aus Angst vor Strafe und des Denunziantentums zur eigenen Bereicherung. Keiner dieser Aufstände hat allerdings jemals den großen Widerhall im der Öffentlichkeit des Kaiserreichs gefunden, wie ihn die Nama-Herero-Aufstände in Deutsch-Südwest erzeugten. ‘Koloniale Herrschaft ist (...) vor allem Schreckensherrschaft gegenüber der beherrschten Bevölkerung’, führte Michael Mann aus, ‘um das fremde Regime aufrechterhalten zu können, werden exemplarische und zugleich drakonische Strafmaßnahmen erlassen...’ Das Bestrafen war bei den Deutschen ein häufig genutztes Zwangsmittel, allem voran Zwangsarbeit und die beliebte Prügelstrafe, die im Reichsgebiet bereits verboten war. Das Fehlen eines kodifizierten Strafgesetzbuches in den Kolonien öffnete der Willkür Tür und Tor. 2.1.3., VERWALTUNG, TRANSPORT- UND SCHULWESEN: Das Hauptstrukturelement der deutschen Herrschaft war ‘die Station’. Diese wurde von einem deutschen Regierungsbeamten, gelegentlich einem deutschen Assistenten und anfangs aus landesfremden Ethnien rekrutierten Polizeisoldaten (z.B. Haussa aus Nigeria) geführt. Togo war ab 1897 verwaltungsmäßig in sieben Bezirke untergliedert, denen ein Bezirksamtmann vorstand: Lomé, Anecho, Misahöhe, Kete-Kratschi, Atakpame, Sokode-Bassari und Mangu. Deren vorgesetzte Dienststelle war die Zentralverwaltung, das Gouvernement, das sich von 1885-1887 in Bagida, von 1887-1897 in Sebe und danach in Lomé befand. Stations- und Bezirksleiter waren die Hauptträger der amtlichen Zivilisierung. Sie sprachen Recht und setzten Recht. Eine Gewaltentrennung gab es nicht. Der erste Bezirksamtmann von Lomé (damals noch Bezirk Lomé-Bagida) Richard Küas81 beschreibt in seinen Togo-Erinnerungen seine Inthronisation durch seinen Vorgesetzten, den kaiserlichen Kommissar Eugen von Zimmerer82 mit den Worten: ‘Sie haben die Lokalverwaltung der Küstenorte Lomé und Bagida zu übernehmen. Daneben müssen Sie halt versuchen, Ihren Einfluss so viel wie möglich ins Innere des Westbezirks vorzuschieben (...) Und nun gehen Sie hin und regieren Sie!’. Hier wird die absolute Machtfülle spürbar, die diesem Personenkreis übertragen wurde. Die rechtliche Stellung der afrikanischen Bevölkerung fasste Johannes Gerstmeyer im Jahr 1914 treffend zusammen: ‘Der Grundsatz, dass alle Menschen vor dem Gesetze gleich sind, hat (...) in den Schutzgebieten keine Geltung. Er ist eben dort nicht durchführbar.’ Bei unterschiedlichen Auffassungen über die Amtsführung konnte es leicht zum Streit zwischen dem Gouverneur und Bezirksleiter kommen, wobei die Gouverneure nur in den Anfangsjahren die Oberhand behielten. Stations- und Bezirksleiter hatten die Aufgabe, ihr Gebiet regelmäßig zu bereisen, es, solange die Grenzziehungen noch nicht abgeschlossen waren, durch neue Schutzverträge mit lokalen Häuptlingen zu vergrößern, Wege auszubauen und zu unterhalten, Gästehäuser zu schaffen, Versuchspflanzungen anzulegen und die Wirtschaft zu fördern, Fauna und Flora zu studieren, meteorologische Daten zu erheben, die Gesundheit und Hygiene der Bevölkerung zu verbessern, Recht zu sprechen und Ruhe und Frieden zu halten oder wieder herzustellen. Daneben mussten Statistiken für die Zentralverwaltungen geschrieben, Abgaben eingezogen und Strafarbeitsmaßnahmen überwacht werden. Da die europäische Personaldecke äußerst dünn war, mussten aus den afrikanischen Dörfern ständig Arbeitskräfte rekrutiert werden. Das Haupttransportmittel für den gesamten Warenverkehr war der Rücken oder Kopf des Afrikaners. Dieser ging zu Fuß. Erst 1905 wurde die erste Eisenbahnlinie (Küstenbahn von Lomé nach Anecho) eröffnet, zwei Jahre später folgte die Inlandlinie von Lomé nach Palime. Die Hinterlandbahn, die den Nordteil mit der Küste verbinden sollte, wurde nur von Lomé bis Atakpame (dort 1913) fertig gestellt. Afrikaner waren kaum in verantwortlichen Positionen tätig. Bei der Rechtspflege überließ man den Häuptlingen immerhin die Alltags- und Bagatellfälle sie wurden als Ratgeber in größeren Strafrechtsfällen gehört. Nach Sebald blieben manche der Häuptlinge zwar nominell für Landschaften verantwortlich, hatten de facto aber nichts zu sagen und waren direkt dem Bezirkschef unterstellt. Fielen sie bei einem Leiter in Ungnade, konnte dieser sie durch eine andere Person ersetzen. Die zahlenmäßig geringe ‘weiße’ deutsche Bevölkerung war im Gouvernementsrat vertreten. Gouvernementsräte wurden nach einer Verordnung des Reichskolonialamtes ab 1903 als beratende Organe der Gouverneure in den Kolonien eingerichtet. 1905 wurde dieses Organ, das unter der Leitung des Gouverneurs stand, auch in Togo eingesetzt. Zuvor hatte für einige Jahre ein ‘Verwaltungsrat’ in Togo bestanden, dem sogar Häuptlinge angehört hatten. Das war für den Gouvernementsrat nicht mehr vorgesehen. Das Gremium war keineswegs paritätisch besetzt. Es sollten immer mehr amtliche als private Vertreter anwesend sein, deren Mindestzahl aus drei vom Gouverneur zu bestimmenden Personen bestand. Der Rat sollte bei den Haushaltsentwürfen der Kolonie und bezirksübergreifenden Angelegenheiten beraten. Er hatte jedoch kein Weisungsrecht.

Über den Autor

Dr. med. Günter Rutkowski, Magister Artium, wurde 1954 in Berlin geboren. Er studierte zunächst Medizin in Münster, später Geschichte an der Fernuniversität Hagen. Der Autor war Truppenarzt und Regimentskommandeur, Landarzt und Betriebsarzt in Libyen. In Nordafrika sind die Folgen der europäischen Kolonisation noch heute präsent, und viele Länder erfahren derzeit eine Migration von Schwarzafrikanern nach Norden. Vor hundert Jahren wanderten dagegen die Europäer nach Süden. Den Historiker fasziniert der Hintergrund dieser heute unverständlichen Kolonisation: Was wollten die Deutschen eigentlich in Afrika, speziell in dem berüchtigten Togo? Es war daher naheliegend, das sich der Autor als Arzt für den Anteil, den die Medizin an der Kolonialbewegung hatte, interessierte.

weitere Bücher zum Thema

Bewerten und kommentieren

Bitte füllen Sie alle mit * gekennzeichenten Felder aus.