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Geschichte


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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 05.2012
AuflagenNr.: 2
Seiten: 148
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Bis 2013 sollen für 30% der Kinder in den ersten drei Lebensjahren in Deutschland Betreuungsplätze geschaffen werden. Diese Forderung spiegelt gesellschaftliche und kulturelle Veränderungen im Denken und Handeln wider, die sich aus den unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft ergeben. Auf der einen Seite stehen private Entscheidungen wie die Familienplanung, die Verteilung von Familienarbeit auf beide Elternteile, die Erwerbsarbeit von Frauen und die unterschiedlichsten Familienkonstellationen sowie wirtschaftliche Zwänge in den Familien. Zum anderen fordert die Gesellschaft mehr und besser ausgebildete Kinder, hinzu kommt die stetige wachsende Anerkennung der frühen Kindheit als für den gesamten Lebenslauf prägende Zeit. In der Arbeit mit Kindern in den ersten drei Lebensjahren wird Reflektion auf unterschiedlichen Ebenen verlangt. Um verstehen zu können, warum in Deutschland die außerfamiliäre Betreuung von Kindern in den ersten drei Lebensjahren bis heute ein emotional besetztes Thema ist, dass heiß und inbrünstig diskutiert wird, der muss einen Blick in die Vergangenheit werfen. Dabei zeigt sich, dass die Rolle der Frau in der Gesellschaft eng mit der Entwicklung frühkindlicher Betreuungseinrichtungen verbunden ist. Es wird deutlich, wie gesellschaftliche und politische Entwicklungen seit dem 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart hineinwirken. Die jeweiligen Rollenverteilungsmuster wirken z.T. unterschwellig, z.T. offensichtlich bis in die moderne Beziehung zwischen gut ausgebildeten, selbstständigen jungen Frauen und ihren liberalen und an den Kindern ehrlich interessierten Partnern. Werden heute aus Paaren Eltern, sind sie wie keine Generation zuvor vor die Wahl von Lebensentwürfen für ihre kleine Familie gestellt und müssen entscheiden, was für sie richtig oder falsch ist. Alle Varianten der Rollenaufteilung und Betreuungsmöglichkeiten werden aus den unterschiedlichen Perspektiven gewertet. Welche Rolle politische Interessen und gesellschaftliche Überzeugungen für das Leben von Kindern und ihren Familien spielen, zeigt der Vergleich der unterschiedlichen Entwicklungen der Kinderbetreuungspolitik in DDR und BRD. Diese historische Reflektion zieht eine Betrachtung der aktuellen Lebenswelt von Kindern und ihren Familien nach sich. Hinsichtlich einer professionellen Arbeit stellen sich die Fragen, inwiefern außerfamiliäre Kleinkindbetreuung den Bedürfnissen der Eltern, im besonderen Maße jedoch den Bedürfnissen der Kinder gerecht werden kann. In keiner anderen Zeit im Leben findet in einem solchen rasanten Tempo eine solch bedeutende Entwicklung statt. Es soll jedoch keine weitere Abhandlung frühkindlicher Entwicklung sein, sondern aufzeigen, welche Anforderungen sich aus dieser besonderen Lebensphase für die pädagogischen Fachkräfte ergeben und wie diesen entsprochen werden kann.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 4, Bildung in der frühen Kindheit: Der PISA-Schock und die damit einhergehende Sorge um den Wirtschaftstandort Deutschland im Zuge der ökonomischen Globalisierung haben das Thema Bildung und vor allem die frühkindliche Bildung in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses gerückt. Das Argument, Deutschland als rohstoffarmes Land müsse in Bildung als Ressource investieren zieht als positiven Nebeneffekt nach sich, dass die Bedeutung der Bildung von Geburt an in aller Munde ist. Dabei bleibt der Begriff Bildung ohne einheitliche Definition im Raum. Das Bildungssystem und die wissenschaftliche Lehre und Forschung werden, so SCHWEIZER, im Zeitalter der Wissensgesellschaft allgemein aufgewertet aber zugleich stärker an die Ökonomie gebunden und so ihrer relativen Autonomie beraubt. So engagieren sich z.B. Wirtschaftsunternehmen wie die Unternehmensberatung McKinsey verstärkt für die Förderung frühkindlicher Bildung und auch Organisationen wie die Robert-Bosch-Stiftung setzen im Bereich der frühen Bildung einen inhaltlichen Schwerpunkte. Der Bedeutung der frühen Bildung wurde politisch durch die Entwicklung von Bildungsplänen, die Kinder ab dem Zeitpunkt ihrer Geburt mit einschließen, Rechnung getragen. An deutschen Hochschulen wurden in den vergangenen Jahren über 60 elementarpädagogische Studiengänge eingerichtet, um die notwendige Akademisierung und Professionalisierung des Erzieherinnenberufes voranzutreiben. Im Folgenden soll dargestellt werden, was unter Bildung aus frühpädagogischer Perspektive verstanden werden kann und in welcher Weise pädagogische Praxis frühkindliche Bildungsprozessen förderlich sein kann. Paideia – das griechische Konzept der Formung des Menschen zur Vollkommenheit an Leib und Seele wird heute mit Bildung übersetzt. Bereits das antike Verständnis von Bildung als Menschenformung vereinte die Bedeutung der individuellen Prägung mit der Notwendigkeit des Einzelnen für das Gemeinwesen. Die Betonung der gesellschaftlichen Bedeutung von Bildung vor allem hinsichtlich eines kulturellen Reproduktionsgedankens hebt die Notwendigkeit des Einzelnen für das Gemeinwesen hervor und vernachlässigt die Wertigkeit des Individuums. Bildung, in Anknüpfung an Wilhelm von Humboldt, als Aneignungstätigkeit des Menschen, der sich ein Bild von der Welt macht, ist mehr als ein messbares, international konkurrenzfähiges Gut. Bildung kann demnach auch als Bildsamkeit verstanden werden, als die im Menschen angelegte Fähigkeit, sich die physische und geistige Welt anzueignen und den Dingen Sinn und Bedeutung zu verleihen. Damit ist unter Bildung zum einen der Prozess der Weltaneignung zu verstehen ebenso wie das Ergebnis dieses Prozesses. In den ersten Lebensjahren, soviel ist klar, werden die Grundlagen, die Werkzeuge , geschaffen, mit Hilfe derer ein Mensch in seinem Leben seine Umwelt erforscht und begreift. In Deutschland war erst eine politische Entscheidung wie der gemeinsame Rahmen für frühe Bildung in Kindertagesstätten der Kultusministerkonferenz im Jahr 2004 nötig, um diesem Wissen die nötige Aufmerksamkeit zu geben und die staatlichen Bildungsbestreben auch auf die jüngsten Mitglieder der Gesellschaft auszudehnen. In diesem Beschluss heißt es: Die individuelle und gesellschaftliche Bedeutung frühkindlicher Bildungsprozesse ist zu groß, um ihre Förderung allein vom Engagement einzelner Personen in den Kindertageseinrichtungen oder einzelner Träger abhängig zu machen. (…) Bildungspläne im Elementarbereich präzisieren den zu Grunde gelegten Bildungsbegriff und beschreiben den eigenständigen Bildungsauftrag der Kindertageseinrichtungen, der in unmittelbarer Beziehung zu weiteren Aufgaben der Erziehung und Betreuung steht. Sie verleihen den Bildungsprozessen in den Kindertageseinrichtungen Transparenz und bieten Orientierung für die Fachkräfte, Eltern und Lehrkräfte gleichermaßen. Bildungspläne haben aber insbesondere die Aufgabe die Grundlagen für eine frühe und individuelle Förderung der Kinder zu schaffen. (…) Dieser gemeinsame Rahmen stellt eine Verständigung der Länder über die Grundsätze der Bildungsarbeit der Kindertageseinrichtungen dar, der durch die Bildungspläne auf Landesebene konkretisiert, ausgefüllt und erweitert wird . Seit diesem Beschluss haben alle deutschen Bundesländer Bildungspläne entwickelt (im Internet sind die Pläne über die Seite www.bildungsserver.de zu finden). Inhaltlich überschneiden sich die Pläne in der Beschreibung von Bildungsbedingungen, - bereichen und – prozessen. Frühes Lernen wird in allen Plänen als Grundlage weiterer Lernprozesse verstanden. Mit der Auswahl und Bestimmung als relevant erachteter Bildungsbereiche sollen die Bildungspläne eine Orientierung für die Unterstützung und Anregung von Bildungsprozessen leisten. Dabei differiert das Verständnis über Bildung und Bildungsprozessen aufgrund unterschiedlicher Bezugnahme zu unterschiedlichen elementarpädagogischen Bildungsansätzen. In der deutschen Elementarpädagogik bestehen im Wesentlichen drei unterschiedliche Bildungsansätze, die sich zum Teil auch in den Bildungsplänen wiederfinden: - Selbstbildungsansatz nach GERD E. SCHÄFER. - Der Situationsansatz. - Der sozialkonstruktivistische Ansatz nach BRUNER und FTHENAKIS. Im Selbstbildungsansatz wird frühe Bildung in erster Linie als Eigenaktivität des Kindes verstanden, das sich selbstständig und aktiv die Welt aneignet. Der Situationsansatz geht von einer Handlungs-, Bildungs-, Leistungs- und Lernfähigkeit von Kindern aus, die durch das Lernen in Schlüsselsituationen ganzheitlich gefördert werden sollen. Aus sozial-konstruktivistischer Perspektive steht die Interkation im Zentrum von Bildungsprozessen wonach die Vermittlung aller Kompetenzen und allen Wissens auf der Basis des sozialen Austausches gesehen werden muss. Keiner dieser drei Ansätze soll im weiteren Verlauf des Textes favorisiert werden, für die weitere Darstellung eines elementarpädagogischen Verständnisses von früher Bildung erweist sich allerdings der Gedanke der Selbstbildung als hilfreich, da er sowohl Schlüsselsituationen und die sozialen Aspekte früher Bildung integriert.

Über den Autor

Katharina Lorber, Jahrgang 1981, studierte Erziehungswissenschaft und Geschichte in Gießen. Seit 2008 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Prof. Dr. Norbert Neuss in der Abteilung Pädagogik der Kindheit der Justus-Liebig Universität Gießen. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind die Professionalisierung von elementarpädagogischen Fachkräften, institutionelle Betreuung von Kindern in den ersten drei Lebensjahren und die Kleinkindpädagogik Emmi Piklers und ihrer Mitarbeiterinnen.

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