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Geschichte


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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 02.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 140
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Auf der Rückseite [unserer Fahne] aber ist um einen Eichbaum herum der Wahlspruch geschrieben, der unsere Losung bleiben soll: Ost und West – In Treue fest Das zitierte Credo des masurischen Gelsenkirchener Pfarrers, Otto Mückeley, kann als repräsentativ für die große Emphase zwischen West- und Ostdeutschen gelten, die in den Abstimmungskämpfen des Versailler Vertrages beschworen wurde. Rund zwei Jahrzehnte später sollte es diesbezüglich zum Härtetest kommen. Die Vertreibung von 15 Millionen Deutschen aus Mittel- und Osteuropa, zum Ende des Zweiten Weltkrieges, zwang zu einem gemeinsamen Neuanfang im Westen. Die Umstände der militärischen und moralischen Niederlage, der Zerstörung und Not, auch in Westdeutschland, waren dafür alles andere als optimal. Diese Studie untersucht für das Gebiet Nordrhein-Westfalen, die politische Integration von West- und Ostdeutschen. Am Beispiel des nordrhein-westfälischen Landesverbandes der Vertriebenenpartei Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE), später Gesamtdeutscher Block , werden die Mechanismen und Schwierigkeiten der politischen Tätigkeit vertriebener Ostpreußen, Pommern oder Schlesier an Rhein und Ruhr analysiert und folgende Fragen beantwortet: 1. In welchem politischen Umfeld mussten Heimatvertriebene in Rheinland und Westfalen agieren? 2. Wie ist das Verbandswesen entstanden und welche Auswirkungen hat es auf den (partei-)politischen Erfolg der Vertriebenen gehabt? 3. Welche Rolle spielten die Parteien CDU/CSU, SPD und FDP im ersten Nachkriegsjahrzehnt für die Vertriebenen? Wie hat sich ihr zeitlicher Vorsprung gegenüber einer eigenen Vertriebenenpartei ausgewirkt? 4. Woran scheiterte der BHE in Nordrhein-Westfalen? 5. Wie hat der BHE-Landesverband die Geschichte der Gesamtpartei und die Geschichte der Vertriebenen des Landes Nordrhein-Westfalen beeinflusst?

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 4.5, Die umkämpfte Gründung des Landesverbandes der Ostvertriebenen: Die Voraussetzungen zur Gründung eines vereinsmäßig aufgebauten Verbandes schufen die örtlichen Interessengemeinschaften bereits 1948 und somit parallel zur Entwicklung von Beiräten, Hauptausschuss/ Gesamtvertretung und Landsmannschaften. Sie orientierten sich dabei anfangs eindeutig an Goebel, der die Entwicklung wohlwollend begleitete. Ob er einen Landesverband als Untergliederung seines zonal und letztlich deutschlandweit angelegten Projekts der Gesamtvertretung anstrebte, oder in ihm eine Alternative im Falle des Scheiterns seines Exilparlament-Modells sah, ist nicht überliefert. Wahrscheinlich hat er eine Zeit lang mit beiden Gedanken gespielt. Hinzu kam der Druck der Basis, die auf einen landesweiten Zusammenschluss drängte. Führend war hierbei die rheinische Seite. Auf drei Tagungen in der heute zu Mönchengladbach gehörenden Stadt Rheydt, in etwa dem Schnittpunkt der Regierungsbezirke Aachen, Köln und Düsseldorf, schlossen sich die örtlichen Interessengemeinschaften zwischen Januar und August 1948 zu einer Landesarbeitsgemeinschaft zusammen. Goebel übernahm hierbei keinen Posten ein, kann aber als spiritus rector der Entwicklung angesehen werden. Bei allen drei Tagungen war er anwesend und hielt Grundsatzreferate. Ab Oktober begann die Landesarbeitsgemeinschaft tätig zu werden, unter Beteiligung der mittlerweile hinzugekommenen westfälischen Regierungsbezirke. Für den Bezirk Arnsberg war Bernhard Geisler der führende Kopf. Damit betrat ein späterer Vorsitzender des Landesverbandes die überregionale Bühne. Im Sommer 1948 begann sich auch die regierungsamtliche Politik in die in Teilen chaotische Verbandsentwicklung einzuschalten. Im Landtagsflüchtlingssauschuss wurde am 16. August 1948 einstimmig beschlossen, dass die legitime Vertretung der Vertriebenen bis dato einzig durch die Beiräte und den Landtagsausschuss selbst erfolge. 'Alle anderen Zusammenschlüsse der Vertriebenen tragen privaten Charakter, es fehlt ihnen jegliche amtliche Legitimation. […] Die bisherige Politik des sog. Hauptausschusses und ähnlicher Privatorganisationen ist nicht geeignet' . Dass sich die Anwesenden (Oskar Salat nahm als Gast an der Sitzung teil) damit selbst zur Alleinvertretung erklärten, schien sie ebenso wenig zu stören, wie die mangelnde Einbindung von Betroffenen in den Landtagsauschuss. Mit der Bitte an Ministerpräsident Karl Arnold, der nächsten Tagung der Landesarbeitsgemeinschaft fernzubleiben, unterstrichen die Abgeordneten diese Position. Damit war insbesondere die Position Salats gestärkt, dessen Landesbeirat am 5. Januar 1949 beschloss 'den Zusammenschluss der Vereinigungen zu einer einheitlichen, demokratisch aufgebauten ‚Ostvertriebenen-Gemeinschaft Nordrhein-Westfalen’ herbeizuführen'. Damit war der Machtkampf zwischen Goebel und Salat endgültig eröffnet. Eine völlige Ausschaltung Goebels‘ war der Gruppe um Salat jedoch nicht möglich, da der anvisierte Landesverband auf die regionale Verankerung und personellen Ressourcen der Interessengemeinschaften angewiesen war. Diese waren spätestens mit ihrem Zusammengehen zur Landesarbeitsgemeinschaft unter Goebels Ägide eng mit dem Geistlichen Rat verbunden. Daher war es wiederum Hans Lukaschek, der als Integrationsfigur widerstreitender Vertriebenenpolitiker fungieren sollte. Nachdem beide rivalisierenden Gruppen im März bzw. April 1949 einen eigenen Landesverband gegründet hatten und die Legitimität des jeweils anderen in Zweifel zogen, lud Lukaschek beide Seiten zu einem Treffen am 19. April und konnte dort die Einsetzung eines 'Koordinierungsausschuss' unter seiner Leitung durchsetzen, der Kompromisse in punkto Satzung und Personal aushandelte. Zu diesem Zeitpunkt war der Oberpräsident a.D. Oberschlesiens bereits an die Spitze von ZvD und VOL gewählt worden, zwei Monate später konnte er als ZvD-Vorsitzender die Gründung 'seines' ZvD-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen verkünden. Am 14. Mai 1949 entstand der 'Landesverband der Ostvertriebenen Nordrhein-Westfalen' mit den Organen Landesversammlung, Landesvorstand und Landesarbeitsgemeinschaft. Der Geschäftsführende Vorstand bestand aus dem Vorsitzenden Georg Goebel und seinem Verbündeten Alfons Langen sowie Oskar Salat, den der Koordinierungsausschuss zum Stellvertretenden Vorsitzenden bestimmt hatte. Damit war ein handlungsfähiger Verband auf Landesebene entstanden, womit 'der Gründungsprozess, nicht jedoch der Konflikt zwischen Oskar Salat und Georg Goebel als abgeschlossen betrachtet werden' konnte. Unter der Oberfläche der sicherlich vorhandenen persönlichen Animosität und Konkurrenz zwischen den beiden einflussreichsten Vertriebenenvertretern in Rheinland und Westfalen, ging es in den Kämpfen zwischen Salat und Goebel um die Grundausrichtung der Vertriebenenvertretung in Westdeutschland. Das zeigte sich schon am 5. Januar 1949 in der Sitzung des Geschäftsführenden Ausschuss‘ des Landesbeirats, der Goebel vorwarf, 'in steigendem Maß in einen Gegensatz zur Arbeit der Flüchtlingsverwaltungen' zu agieren. Eine solche kritische Distanz oder gar eine Opposition unabhängiger Verbände gegen den neu entstehenden Staat und seine vertriebenenpolitischen Maßnahmen war von der Gruppe um Salat ebenso wenig gewünscht wie von den ('einheimischen') Landtagsabgeordneten. Daher entschied man sich, den mittelfristig wohl nicht zu verhindernden Verband lieber selbst zu gründen, und so zumindest großen Einfluss auf Satzung, Personal und Inhalte nehmen zu können. Hierbei kam den 'regierungsnahen' Akteuren zupass, dass Goebels Vorgehensweise, insbesondere der elitäre Zirkel des Hauptausschusses und der Exilgedanke der Gesamtvertretung, unter demokratischen Gesichtspunkten fragwürdig waren. Es gelang der Gruppe um Salat die Auseinandersetzung als Kampf um demokratische Normen zu inszenieren. Ob die Gründung von Institutionen einer soziologischen Gruppe (der Vertriebenen) durch eine andere (Landesregierung und Landtag, fast ausschließlich aus 'Einheimischen' bestehend), ohne dass die Betroffenen über den Weg jemals abgestimmt hätten oder auch nur gefragt wurden, wirklich legitimer war, darf jedoch bezweifelt werden. Zumal die Vertriebenen durch die nach wie vor nicht aufgehobene Genehmigungspflicht, die das Land auch massiv als Druckmittel in dem Konflikt einsetzte , keine Alternative hatten. Letztlich fällt somit der Vorwurf einer Gründung von oben, der Goebel gemacht wurde, auf die regierungsamtliche Politik der frühen Zeit zurück. Gerechterweise muss an dieser Stelle aber auch noch auf Goebels zunehmende politische Rechtstendenz eingegangen werden, die Vorbehalte des Landes gegen ein eigenständiges Vorgehen einer Gruppe unter seiner Führung verständlich machen. Nach seinem Austritt aus der CDU gründete er im November 1948 mit einer Gruppe von 'Monarchisten, Konservativen und Anhängern Otto Strassers' die 'Notgemeinschaft des Deutschen Volkes' und ließ sich zu deren Vorsitzenden wählen. Insbesondere die SPD mobilisierte nun gegen Goebel, zuvorderst Heinrich Albertz mit einem gegen Goebel gerichteten Artikel unter der Überschrift 'Otto Strasser geht um' in der Hannoverschen Presse. Somit ist Steinert sicherlich zuzustimmen, wenn er feststellt, dass die 'Allianz aus Nationalsozialisten, Nationalisten und selbsternannten Führern der Vertriebenenbewegung […] Wirkungen auf das Verhältnis zwischen Landesregierung, Parteien und den sich organisierenden Vertriebenen in Nordrhein-Westfalen' zeitigte. Der massive Eingriff staatlicher Stellen in die Landesverbandsgründung dürfte eine solche Wirkung gewesen sein. Zudem zeigen diese und weitere unten noch darzustellende unüberlegte parteipolitische Aktivitäten, dass das 'Konzept Goebel' früher oder später auf eine eigene Partei zugelaufen wäre. Die Alternative hierzu, eine Aussöhnung mit den westdeutschen Institutionen, war vor allem eine Frage der Parteipolitik. Voraussetzung dafür wäre gewesen, dass eine oder mehrere der 'Lizenzparteien' Personen und Positionen der Vertriebenen aufgenommen hätten. Ob dem so war soll im nächsten Kapitel untersucht werden.

Über den Autor

Arno Barth, M.A. wurde 1982 in Aachen geboren. Nach einer kaufmännischen Ausbildung, nahm er ein Studium der Geschichte an der Universität Duisburg-Essen auf, welches er im April 2012, mit dem akademischen Grad des Magister Artiums, erfolgreich abschloss. Bereits während seines Studiums war der Autor in unterschiedlichen Forschungen und Publikationen involviert. So gehört er zu den Autoren der Festschrift Ein starkes Bindeglied , zur 60jährigen Geschichte des Vertriebenenbeirates, der nordrhein-westfälischen Landesregierung und veröffentlichte u. a. im Magazin des Instituts für niederrheinische Kulturgeschichte und Regionalentwicklung. Auch an den Ausstellungen Vertriebenen – und vergessen? , der Pommerschen Landsmannschaft e.V. und 500 Jahre Zuwanderungsgeschichte des Kultur- und Stadthistorischen Museums Duisburg, war Barth beteiligt.

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