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Geschichte


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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 09.2016
AuflagenNr.: 1
Seiten: 160
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die Geschichte der deutsch-französischen Beziehungen prägt seit jeher die Außenpolitik der historischen Zwillinge Deutschland und Frankreich in besonderem Maße. Es ist vor allem die wohl einzigartige Wechselwirkung von Freundschaft und Feindschaft, Kooperation und Konkurrenz, Akzeptanz und Ablehnung, die dem bilateralen Verhältnis schon über mehrere Jahrhunderte ihren besonderen Charakter verleiht. Die teils über Jahrzehnte andauernden Phasen der mehr oder weniger latenten Feindseligkeiten, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts unter dem Schlagwort der sogenannten Erbfeindschaft in zwei Weltkriegen kulminierten, konnten erst 1945 mit der totalen Niederlage Hitlerdeutschlands überwunden werden. Seither sind Misstrauen und Gegnerschaft sukzessive Verständigung und Partnerschaft gewichen. Heute gilt die deutsch-französische Freundschaft als eine der wichtigsten Triebfedern für den europäischen Integrationsprozess und als Garant für politische Stabilität in der Europäischen Union, was angesichts der aktuellen Krisen und Herausforderungen einmal mehr deutlich wird. Das Ziel dieser Untersuchung besteht zunächst in einer systematischen Gegenüberstellung der nationalen und internationalen Gegebenheiten, die bei der Formulierung der Frankreichpolitik Gustav Stresemanns und Konrad Adenauers ausschlaggebend waren, um dann in einem zweiten Schritt die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den jeweiligen Zeitabschnitten herauszuarbeiten.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.2 Nationale Umwelt: 2.2.1 Politische Rahmenbedingungen: Für die Entwicklung der Republik von Weimar waren vor allem zwei Dokumente prägend: zum einen regelte der Versailler Vertrag die Beziehungen zwischen Deutschland und den Siegermächten. Zum anderen sollte die Weimarer Reichsverfassung der jungen Republik die verfassungsrechtliche Stabilität verleihen, indem sie das präsidentiell-parlamentarische System auf ein festes Fundament stellte. Während sich der sogenannte Friedensvertrag von Versailles als ein permanent destabilisierendes Element entpuppen sollte, wollten die Verfassungsväter mit ihrem Dokument das deutsche Volk zusammenführen, indem sie es zum Souverän erhoben und die Gewalten teilten. Fortan sollte sichergestellt sein, dass sich keine Regierung dauerhaft gegen den Reichstag stellen konnte, der wiederum den politischen Mehrheitsverhältnisse widerspiegeln sollte, die innerhalb der Bevölkerung bestanden. Die Frage, ob die Deutschen zu diesem Zeitpunkt überhaupt in der Lage waren, sich mit den Spielregeln einer wahrhaftigen Demokratie vertraut zu machen und zu arrangieren, trat dabei in den Hintergrund. Die Ägide der Hochzollern war zwar mit der nicht ganz freiwilligen Abdankung des Kaisers beendet worden, der einst unerschütterliche Obrigkeitsglauben der Deutschen erkaltete jedoch nur langsam. Die Weimarer Reichsverfassung war wie die Republik selbst das Ergebnis von Kompromissen und bot ihren Gegnern deshalb vielfältige Möglichkeiten, um die politische Ordnung erfolgreich zu unterwandern. Der Konsens innerhalb der Nationalversammlung reichte gerade soweit, dass eine Restaurierung der Monarchie oder die Gründung einer Räterepublik nach sowjetischem Vorbild ausgeschlossen werden konnte. Weil sich alle beteiligten Akteure und Parteien nach Kräften darum bemühten, bei der Formulierung der Grundrechte zuvorderst dem eigenen Wählerklientel so gut es ging gerecht zu werden, kam es zu einer Ansammlung verschiedener Normen, die in ihrer Gesamtheit den Korridor für wichtige Reformen verengte, was sich wiederum negativ auf die Handlungsfähigkeit der Exekutive auswirken sollte. Der Zwang zum Ausgleich manifestierte sich auch im dualistischen Charakter des Verfassungstextes und der darin vorgesehenen Zweiteilung der Reichsgewalt. Dieser Konstruktion lagen mehrere Motive zugrunde: Einerseits sollte der Bevölkerung, die knapp fünfzig Jahre in einer konstitutionellen Monarchie gelebt hatte, der Übergang zu einer von vielen abgelehnten Staatsform so leicht wie möglich gemacht werden. Andererseits war die Weimarer Verfassung Ausdruck des traditionell verankerten Wunsches nach einem Staatsoberhaupt mit übergeordneten Vollmachten. Der Reichspräsident, der für eine siebenjährige Amtszeit als eine Art Ersatzkaiser an die Spitze des politischen Systems trat, war demzufolge mit äußerst weitreichenden Vollmachten und Kompetenzen ausgestattet. Als völkerrechtlicher Vertreter des Deutschen Reichs (Art. 45) ernannte und entließ er die Reichsregierungen und deren Kanzler (Art. 53), ernannte und entließ die Reichsbeamten und Offiziere (Art. 46), war Oberbefehlshaber des gesamten Heeres (Art. 47) und konnte per Verhängung des Ausnahmezustands zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sämtliche Exekutivgewalt an sich reißen (Art. 48 Abs. 2). Zur Machtfülle des Reichspräsidenten gehörte außerdem, dass er den Reichstag auflösen und neue Wahlen ansetzen konnte (Art. 25). Das daraus resultierende machtpolitische Ungleichgewicht zwischen Exekutive und Legislative zog sich wie ein roter Faden durch den gesamten Verfassungstext. Obwohl darin eine grundsätzliche Trennung der Befugnisse zwischen den drei Staatsorganen Reichspräsident, Reichsregierung und Reichstag vorgesehen war, sahen sich sowohl das Kabinett als auch das Parlament ständig mit der Möglichkeit von regulierenden Eingriffen durch das Staatsoberhaupt konfrontiert. Die Reichsregierung, an deren Spitze der Reichskanzler stand, wurde nicht durch vom Parlament gewählt, sondern vom Reichspräsidenten ernannt und entlassen. Das Kabinett hatte den Charakter eines Kollegialorgans, in dem jeder Minister innerhalb seines Sachgebiets selbstständig Entscheidungen fällen konnte, die er gemäß Art. 56 Abs. 2 der Reichsverfassung ausschließlich gegenüber dem Parlament zu verantworten hatte. Die Ressortchefs waren dazu verpflichtet, dem Kabinett sämtliche Gesetzentwürfe und alle Angelegenheiten, die den Geschäftsbereich anderer Ministerien tangierten, zur Beratung und endgültigen Beschlussfassung vorzulegen (Art. 57). Die Koordination zwischen den Ressorts oblag dem Reichskanzler, der mit seiner Richtlinienkompetenz auch den grundsätzlichen Kurs der Regierungsarbeit absteckte (Art. 56). Beschlüsse im Kabinett wurden mehrheitlich getroffen, bei Gleichheit der Stimmen gab die Kanzlerstimme den Ausschlag. Eines der signifikantesten Merkmale, das bei der Betrachtung des politischen Systems der Weimarer Republik hervorsticht, ist sicherlich die Häufigkeit der Regierungswechsel, die gleichzeitig auf den folgenschwersten Konstruktionsfehler der Weimarer Reichsverfassung zurückzuführen ist. Anders als in der Gegenwart war das Amt des Reichskanzlers mit ungleich geringeren Macht- und Gestaltungskompetenzen versehen, was sich unweigerlich negativ auf die Haltwertzeit der jeweiligen Regierung auswirkte. Das ursprüngliche Ziel verfolgend, die Regierung stärker an das demokratische Votum des Volks zu binden, erreichten die Verfassungsväter das exakte Gegenteil von dem, was sie ursprünglich beabsichtigt hatten. So sah die Verfassung für den Reichskanzler eine doppelte Abhängigkeit vor, da er sowohl auf das Vertrauen des Reichspräsidenten als auch auf den Rückhalt im Parlament angewiesen war, um erfolgreich regieren zu können. So hatte der Reichstag die Möglichkeit, die Regierung mit einfacher Mehrheit zu Fall zu bringen, ohne gleichzeitig eine Nachfolge wählen zu müssen (dekonstruktives Misstrauensvotum). Mit der Machtkonzentration auf dem Amt des Reichspräsidenten legten die Verfassungsväter den Grundstein für die chronische Schwäche der Parteiendemokratie, mit der viele Deutsche bis zum Untergang der Republik fremdelten. Das bereits angesprochene Ressortprinzip eröffnete Stresemann als Außenminister einen relativ weiten Handlungsspielraum. Dieser wurde zusätzlich durch das Vertrauen erweitert, das ihm die verschiedenen Reichskanzler entgegenbrachten, die ihn jeweils in ihr Kabinett berufen hatten. Sowohl der Zentrumspolitiker Wilhelm Marx, als auch der parteilose Hans Luther sowie der Sozialdemokrat Hermann Müller lagen mit Stresemann außenpolitisch auf einer Wellenlänge, und hielten an ihm fest, obwohl sich kaum ein anderer Politiker derart heftigen außer- und innerparteilichen Angriffen ausgesetzt sah wie er. Stresemann, der auch seiner eigenen Partei zu keinem Zeitpunkt unumstritten war, kam außerdem zugute, dass weite Teile der SPD dessen außenpolitischen Ansichten teilten, die daraus resultierenden Maßnahmen befürworteten und deshalb für die notwendigen parlamentarischen Mehrheiten im Reichstag sorgten. Dies war natürlich umso wichtiger, wenn Minderheitsregierungen an der Macht waren, was in der Weimarer Republik nicht selten der Fall war. Auf diese Weise war Stresemann überhaupt erst möglich, bedeutende Meilensteine, wie den Dawes-Plan (1924), die Verträge von Locarno (1925) oder Deutschlands Beitritt zum Völkerbund (1926) zu erreichen und damit die Rückkehr Deutschlands als einem international bedeutenden Akteur auf Augenhöhe voranzutreiben. Insofern liegt in der sozialdemokratischen Unterstützung ein entscheidender Schlüssel zum Verständnis der Außenpolitik Stresemanns im Allgemeinen sowie seiner Frankreichpolitik im Besonderen. Die Verständigungspolitik Stresemanns wäre ohne den Beistand der SPD sicherlich weniger erfolgreich gewesen. Um die schwierigen außenpolitischen Herausforderungen meistern zu können, stand Gustav Stresemann ein vergleichsweiser kleiner, aber dennoch höchst kompetenter, effizient arbeitender institutioneller Unterbau zur Verfügung. Nach seiner Ernennung zum Reichskanzler und Außenminister verfügte Stresemann zunächst, dass der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Ago von Maltzan (1877-1927) zum ständigen Vertreter des Ministers und der damalige Ministerialdirektor Carl von Schubert (1882-1947) zum ständigen Vertreter des Staatssekretärs ernannt wurde. Nach der Demission Stresemanns als Reichskanzler traten zwischen ihm und von Maltzan einige Dissonanzen hinsichtlich der konzeptionellen Ausrichtung der deutschen Außenpolitik auf. Während sein Staatssekretär auf eine stärkere Akzentuierung der Ostpolitik und eine ausbalancierte Strategie drängte, sprach sich der Außenminister für eine deutliche Fokussierung auf die Beziehungen Deutschlands zu Frankreich, England und den USA aus, um möglichst zeitnah einen Abzug der Besatzungstruppen aus Westdeutschland erreichen zu können. Mit der Berufung Carl von Schuberts zum Staatssekretär stellte Stresemann sicher, dass sich sein ranghöchster Mitarbeiter konzeptionell wie inhaltlich auf derselben Linie wie er selbst befand. Maltzan wurde dagegen deutscher Botschafter in den Vereinigten Staaten. Mit der Berufung von Schuberts in das Amt des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts wurde sichergestellt, dass bis zu Stresemanns Tod im Oktober 1929 auf der obersten Führungsebene des Auswärtigen Amts eine für die politischen Verhältnisse Weimars bemerkenswert hohe personelle wie inhaltliche Kontinuität herrschte, die sich in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre mittelbar und unmittelbar auf das Wechselspiel von Außen- und Innenpolitik Deutschlands auswirkte. Neben dem Staatssekretär gehörten drei Ministerialdirektoren dem inneren Machtzirkel im Auswärtigen Amt an. Einen besonderen Einfluss auf den Minister besaß dabei vor allem Friedrich Gaus, der als Leiter der Rechtsabteilung maßgeblich an der Abfassung der wichtigsten völkerrechtlichen Vertragswerke, wie beispielsweise der Verträge von Locarno, beteiligt war, die in Stresemanns Amtszeit als Reichsaußenminister fielen. Der Umfang der Beratungstätigkeit von Gaus kaprizierte sich jedoch nicht nur auf juristische Belange, sondern beinhaltete auch Fragen der strategischen Ausrichtung deutscher Außenpolitik. Der im politischen Berlin auch als Kronjurist bezeichnete Spitzenbeamte avancierte neben Schubert zum wichtigsten Berater Stresemanns. Sowohl Gaus als auch Schubert standen absolut loyal hinter Stresemann und stellten sicher, dass der außenpolitische Betrieb trotz der immer häufiger auftretenden gesundheitsbedingten Abwesenheiten des Amtschefs wie gewohnt weiter lief. Als weiterer wichtiger Vertrauter und politischer Berater Stresemanns galt auch der DVP-Politiker und Diplomat, Werner von Rheinbaben, der von August bis Oktober 1923 noch als Chef der Reichskanzlei tätig war, dann aber nach der ersten Regierungsumbildung zurücktrat. Im Anschluss daran war von Rheinbaben außenpolitischer Sprecher der DVP-Fraktion. Von Rheinhaben verfügte unter anderem über ausgezeichnete Kontakte ins benachbarte Frankreich und versuchte diese zugunsten einer Beschleunigung der Revision der Bestimmungen des Friedensvertrages von Versailles zu nutzen. Darüber hinaus verfasste er das außenpolitische Grundsatzprogramm seiner Partei und galt lange Zeit als rechte Hand Stresemanns. Vor dem Hintergrund des starken innenpolitischen Gegenwinds, der Stresemann im Hinblick auf seine Verständigungspolitik mit Frankreich entgegen schlug, war es wichtig, dass dieser sich zumindest innerhalb des Auswärtigen Amts der Loyalität seiner engsten Mitarbeiter und Berater sicher sein konnte. Vor allem hier sowie bei seinen Reichskanzlern fand Stresemann den politischen Rückhalt, der ihm von der Opposition, den radikalen Organisationen und weiten Teile seiner eigenen Partei verweigert wurde. Von rechts als Kapitulant und von links als Erfüllungspolitiker oder Marionette der Industriebarone diffamiert, hielt Gustav Stresemann an seiner Überzeugung fest, dass die Ziele der Verständigung mit anderen Nationen und der Konsolidierung der Republik in einer gemeinsamen außenpolitischen Strategie kanalisiert werden mussten und konnten. Es sollte das große Dilemma des deutschen Staatsmannes werden, dass ihm in der Heimat die Anerkennung seiner Leistungen lange verwehrt blieb, die er im Ausland schon zu Lebzeiten erfuhr.

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