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Geschichte

Johannes Kaufmann

Rundfunkkrieg: Deutsche und britische Radiopropaganda im Zweiten Weltkrieg

ISBN: 978-3-8428-6524-2

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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 07.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 96
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Live übertragene politische Reden bei Massenversammlungen, Volksempfänger und ideologische Indoktrination über den Äther direkt ins Ohr des Hörers – solche Stereotype bestimmen das Bild des nationalsozialistischen Rundfunks ein Bild von der Allmacht der Propaganda, der der Empfänger schutzlos ausgeliefert ist. Wollt ihr den totalen Krieg? – Joseph Goebbels Frage an das jubelnde Publikum im Sportpalast 1943 ist ins kollektive Gedächtnis eingegangen. Doch schon die Fassade dieses Paradebeispiels der erfolgreichen Massensuggestion beginnt unter dem prüfenden Blick zu bröckeln: Nicht nur, dass die ins ganze Reich gesendete Begeisterung des Publikums bei Goebbels Rede keinesfalls spontan, sondern vielmehr sorgfältig inszeniert war, auch die Hörer an den Radios hegten ihre Zweifel. So machte bald nach der Rede in Deutschland die Frage nach dem größten deutschen Bauwerk die Runde sowie die dazu passende Antwort: ‚Der Sportpalast, denn in ihn geht angeblich das ganze deutsche Volk hinein‘. Ist die These von der Verführung des Volkes durch die Propaganda also haltbar? Handelt es sich dabei nicht vielmehr um eine Rechtfertigungsstrategie, die dem Vorwurf des Mitläufertums und der Mitschuld an den Verbrechen des NS-Regimes die Unmündigkeit und Manipulierbarkeit des Volkes entgegenstellt? Die vorliegende Untersuchung geht diesen Fragen auf den Grund. Sie analysiert das Programm des NS-Rundfunks und seine Organisationsstruktur und blickt darüber hinaus auf den Umgang der Rezipienten mit dem staatlich gelenkten Medienangebot. Da viele Hörer der Propaganda misstrauten und sich alternative Informationsquellen suchten, wird für einen Vergleich auch das deutsche Programm der BBC herangezogen.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.1.2, Das Führerprinzip im Reichsrundfunk: Wie alle anderen Bereiche des nationalsozialistischen Regimes wurde auch der Rundfunk nach dem Führerprinzip organisiert. Angefangen vom Propagandaminister über den Leiter der Rundfunkabteilung des RMVP, den Reichssendeleiter bzw. den Generaldirektor der RRG, die Intendanten bis hinunter zu den Leitern der verschiedenen Programmsparten waren immer einzelne Personen für ihre Abteilungen zuständig und dem nächst höheren Leiter und letztlich dem Propagandaminister Rechenschaft pflichtig. Eine Ausnahme bildete bis 1937 das Führungsgremium der RRG aus drei gleichberechtigten Direktoren, die allerdings jeder für sich wiederum dem Minister verantwortlich waren. Verstärkt wurde diese Bündelung von Macht in den Händen weniger Männer – Frauen waren im Rundfunk lediglich als Schreibkräfte und gelegentlich im Bereich des Frauen- und Jugendfunks angestellt – durch die Praxis der Ämteranhäufung. Als Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, Reichspropagandaleiter der NSDAP, Präsident der RKK und mit der Auflösung des Verwaltungsrates der RRG am 6. April 1940 auch noch eine Art ‚Präsident‘ der RRG stand Joseph Goebbels in jeglicher Hinsicht an der Spitze der nationalsozialistischen Massenmedien, inklusive des von ihm als besonders wichtig eingeschätzten Rundfunks. Anders als bei der Presse legte er beim Rundfunk besonderen Wert auf persönliche Führung. So leitete er die beinahe täglichen sogenannten 11-Uhr- oder Ministerkonferenzen im RMVP selbst. Vor den versammelten Funktionären des Rundfunks, dem Leiter seiner Rundfunkabteilung, dem Reichssendeleiter und später auch dem Generaldirektor der RRG, dem Leiter des DDD und Vertretern anderer Dienststellen wie der Propagandaleitung der NSDAP, Mitarbeitern des Auswärtigen Amts und Verbindungsoffizieren der Wehrmacht ließ er es sich nicht nehmen, persönlich bis ins kleinste Detail in die Belange des Rundfunks hineinzuregieren. Dazu gehörten nicht nur Entscheidungen im Personal- und Finanzbereich, sondern auch Fragen der täglichen Programmgestaltung, zum Inhalt und der Gestaltung von Sendungen, zur Freigabe oder Zurückhaltung von Sendungen und ihrer Abstimmung auf die aktuelle politische Situation bis hin zu Anweisungen zur Benutzung von Wellenlängen sowie der Ausstrahlung über bestimmte Sender oder Sendegruppen. In Einzelfällen bestand er sogar darauf, die Sendezeiten festzulegen und die ganz konkrete inhaltliche Gestaltung einzelner wichtiger Sendungen zu aktuellen politischen, kulturellen oder militärischen Themen selbst zu übernehmen. Als höchste Beamte unter sich etablierte der Propagandaminister den Leiter seiner Rundfunkabteilung Horst Dreßler-Andreß und den Direktor der Programmabteilung und Reichssendeleiter Eugen Hadamovsky. Dreßler-Andreß verband als Präsident der RRK und Amtsleiter der Propagandaabteilung der NSDAP Kompetenzen für die Personalpolitik des Rundfunks mit Kompetenzen im Parteibereich und in der Programmgestaltung. Hadamovsky war gerade einmal 28 Jahre alt, als der Rundfunk unter seiner programmatischen Leitung der Regierung Hitlers ‘die restlichen 48 Prozent zusammentrommeln’ und die Bevölkerung ‘durchtränken [sollte] mit den geistigen Inhalten der Zeit’, wie Goebbels seine Aufgabe im März 1933 festlegte. In diesen Kampftagen war der junge Agitator der richtige Mann für Goebbels, jedoch nur bis ins Jahr 1937. Neuausrichtung des deutschen Rundfunks im März 1937: Nach der Phase des agitatorischen Trommelns für die Nationalsozialisten, insbesondere im Jahr der Machtübernahme, sah Goebbels die Zeit für gekommen, dem Wandel der Selbstdarstellung des Rundfunks als Träger der freien deutschen Kultur auch personell Rechnung zu tragen. Das neue Bild des Rundfunks war mit der großmauligen Demagogie des ‚unzulänglich‘ gebildeten Hadamovskys nach außen kaum zu vertreten. Um gleichzeitig den ewigen Reibereien innerhalb des Direktoriums ein Ende zu bereiten, berief Goebbels mit Heinrich Glasmeier, dem Intendanten des Reichssenders Köln, einen Generaldirektor der RRG und Reichsintendanten und setzte somit faktisch Hadamovsky und seinen Kollegen einen allein verantwortlichen Chef vor die Nase. Mit dem nach außen getragenen Versprechen der Dezentralisierung des Rundfunks hatte die Maßnahme freilich nichts zu tun. Im Gegenteil, sie bedeutete eine weitere zentrale Bündelung von Entscheidungsbefugnissen und eine stärkere Kontrolle und Überwachung der Reichssender und ihrer Intendanten durch die Verpflichtung zur gemeinschaftlichen Programmplanung unter der Leitung Glasmeiers, was sicherlich auch im Kontext der Kriegsvorbereitungen gesehen werden muss. Dreßler-Andreß erging es noch schlechter: Er wurde auf allen seinen Positionen durch den Intendanten des Reichssenders Breslau, Hans Kriegler, ersetzt. Hadamovsky gelang es Anfang 1940 für kurze Zeit, einen Teil seines ehemaligen Einflusses auf den Rundfunk zurückzugewinnen, indem er zum Leiter der Rundfunkabteilung im RMVP berufen wurde. Im Juni 1942 wurde er jedoch endgültig aus dem Rundfunk entfernt und in die Stabsleitung der Reichspropaganda-Abteilung der NSDAP versetzt. Nachdem seine Versuche, einen eigenen Parteirundfunk in Konkurrenz zur RRG zu etablieren, am Widerstand des verärgerten Propagandaministers gescheitert waren , meldete Hadamovsky sich frustriert als Kriegsberichterstatter bei der Wehrmacht, was letztlich zu seinem Tod an der Ostfront führte. Die Generalbevollmächtigten Hinkel und Fritzsche: Im Oktober 1941 betraute Goebbels Hans Hinkel, den Generalreferenten für RKK-Angelegenheiten, mit der Aufgabe, das Abendprogramm des Rundfunks grundsätzlich umzukrempeln und aufzulockern. Nachdem er eine Gruppe von Komponisten um sich gesammelt und mit dieser ein Rahmenprogramm für bunte Abende erarbeitet und dem Minister präsentiert hatte, wurde er von diesem am 15. Februar 1942 zum Alleinverantwortlichen für das gesamte Kultur- und Unterhaltungsprogramm bestellt. Auf den ‚Hinkel-Sitzungen‘ besprach er sich mit den Leitern der zehn von ihm ins Leben gerufenen Programmgruppen und legte mit diesem Expertengremium die Richtlinien für die künstlerischen und unterhaltenden Sendungen fest. Allerdings schien sich das Vertrauen Goebbels in Hinkels Fähigkeiten trotz allem in Grenzen zu halten, denn er bestand weiterhin auf eine persönliche, teilweise sehr penible Einflussnahme. Der einzige Beamte, der in seiner Rundfunkarbeit eine gewisse Unabhängigkeit vom Propagandaminister erlangen konnte, war Hans Fritzsche. Fritzsche hatte es zu verstehen gewusst, Schritt für Schritt seine Karriere voranzutreiben. Als der von ihm geleitete Rundfunknachrichtendienst Anfang 1933 in das RMVP eingegliedert wurde, trat er kurz darauf in die Partei ein und übernahm zusätzlich auch die Stelle des leitenden Nachrichtenredakteurs der Presseabteilung. 1938 wurde er zum Chef der Presseabteilung berufen. Gleichzeitig war er als Autor und Sprecher für die Politische Zeitungs- und Rundfunkschau im Radio tätig. Schließlich berief Goebbels den immer wieder beförderten Beamten am 2. November 1942 zum Leiter der Rundfunkabteilung im RMVP und übertrug ihm die Verantwortung für die Gestaltung der politischen und propagandistischen Sendungen des Rundfunks. Als Aufsichtsratsvorsitzender der Interradio AG war er außerdem über die Auslandspropaganda, inklusive der Programme der Geheimsender, informiert, so dass er schließlich – auch mit seinen weiterhin bestehenden Verbindungen zum DDD – über eine Kontrollmacht über den Rundfunk verfügte, die außer Goebbels bis dahin keiner einzelnen Person zugekommen war. Mitte des Jahres 1944 zog Goebbels aus diesen Tatsachen die Konsequenz: Hinkel übernahm die Filmabteilung des RMVP und Fritzsche bekam die Verantwortung für das gesamte Rundfunkprogramm übertragen. Aufgrund des Kriegsverlaufs dienten die wöchentlich oder häufiger stattfindenden Konferenzen unter Fritzsche allerdings größtenteils der Schadensbegrenzung. Konstruktive Programmgestaltung war kaum noch möglich.

Über den Autor

Johannes Kaufmann (geb. 1981) ist Historiker und Journalist. Er studierte Chemie, Geschichte, Germanistik und Philosophie an der Technischen Universität Braunschweig, an der er 2007 seinen Abschluss machte. Als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Historischen Seminar der TU Braunschweig vertiefte er seinen Schwerpunkt in der Militär- und Mediengeschichte des 20. Jahrhunderts und veröffentlichte einzelne Aspekte aus seinem Dissertationsprojekt zu den Medienstrategien und Medienbildern der israelischen Militärführung von 1956 bis 1982 in einschlägigen Fachzeitschriften. Seit 2012 arbeitet er als Wissenschaftsjournalist für die Braunschweiger Zeitung.

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