Suche

» erweiterte Suche » Sitemap

Gesellschaft / Kultur


» Bild vergrößern
» weitere Bücher zum Thema


» Buch empfehlen
» Buch bewerten
Produktart: Buch
Verlag: disserta Verlag
Erscheinungsdatum: 02.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 116
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die vorliegende im März 2002 abgeschlossene Arbeit befasst sich mit der Vorgeschichte des IV. Buna-Werks der IG-Farbenindustrie AG (IG), das in den Jahren 1941 bis 1945 am Rande der oberschlesischen Kleinstadt Auschwitz (Oswiecim), zwischen Monowitz (Monowice) und Dwory erbaut wurde und mit der Frage, ob das KL Auschwitz eine maßgebliche Rolle im Entscheidungsfindungsprozess für die Standortfrage gespielt hat. Sie beschränkt sich daher im Wesentlichen auf den Zeitraum von Dezember 1940 bis Februar 1941 und endet mit der Göring-Weisung vom 18. Februar 1941, die wesentliche Grundlage für den Häftlingseinsatz des KL Auschwitz bei der IG war. Die akribische Darstellung der zeitlichen Abfolge der Standortdiskussion, also die Entwicklung von der Aufwerfung der Standortfrage über das Einsetzen der Standortsuche bis zur Entscheidung in der Standortwahl und anschließend in Angriff genommenen Standortbauplanung mit einhergehender weit reichender Standortprüfungen soll zu einer historischen Einordnung und vor allem zur Differenzierung der Vorgänge beitragen. Auf diese Weise wird ein möglichst vollständiges Bild des Entscheidungsfindungsprozesses dargestellt und ein Beitrag zur Erforschung unternehmerischen Handelns im Rahmen staatlicher Wirtschaftspolitik vorgelegt.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.3, Die maßgeblichen Entscheidungsgründe für den Standort Auschwitz O.S.: [...] Die Entscheidungsgründe für die Standortwahl eines Industriekomplexes beziehen sich prinzipiell auf 1.) das Baugelände des Werks und auf die mit dem Werk in Zusammenhang stehenden Gebäude- und Anlagenflächen außerhalb des eigentlichen Werksgeländes, 2.) die Versorgungsmöglichkeiten des Geländes mit Energie und anderen für die Produktion notwendigen Rohstoffen und 3.) den Anschluss an ein leistungsfähiges Verkehrsnetz für die Beschaffung von Baustoffen. Nach einer Standortwahl werden in einem zweiten Schritt geologische, meteorologische und weitere Untersuchungen in Auftrag gegeben und erst nach einer Entscheidung bezüglich des ausgewählten Geländes werden die standortspezifischen Vorbereitungen für die Aufnahme der Bauarbeiten getroffen, in deren Zusammenhang auch die Arbeitskräftefrage von Bedeutung ist. Für die zuletzt erwähnte Phase sind die Baustoff-, Baugeräte- und Arbeitskräftebeschaffung von entscheidender Bedeutung. Mit der Standortwahl selbst stehen sie jedoch in keinerlei Beziehung, da sie anderen Entscheidungsbereichen und der Standortwahl untergeordneten Zuständigkeitsbereichen angehören. Sie werden also erst nach einer Standortauswahl in Gang gesetzt. Die Kriterien für die Standortwahl des Buna-Werks IV richteten sich im Gegensatz zu den Kriegswerken der IG nach den Bedürfnissen eines technologiepolitisch interessanten Großwerks, das zwei Sparten miteinander kombinierte, den Leuna- und den Buna-Teil. Die Anforderungen an den Standort waren daher besonders hoch im Vergleich zu den Buna-Werken I-III. Dies belegt auch die gründliche Inspektion aller in Frage kommenden Gelände. Allein die konkurrenzlosen topographischen versorgungs- und verkehrstechnischen Ergebnisse für Auschwitz ließen keine Zweifel an einer eindeutigen Entscheidung. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass es noch nach Ende Dezember 1940 – also nach der Vorentscheidung – Zweifel am Standort Auschwitz oder gar Einwände gab, die einen anderen Standort begünstigt hätten. Die maßgeblichen Entscheidungsgründe, auf die die Arbeitskräftefrage überhaupt keinen Einfluss hatte, wurden schon auf der Arbeitsbesprechung der Mineralölbaugesellschaft mbH am 10. Dezember 1940 in Kattowitz genannt, im betreffenden Konferenzbericht schriftlich festgehalten und bis zur Gründungssitzung beibehalten. Ambros kam schließlich zu dem gleichen Ergebnis, welches er durch die Informationen des Auschwitzer Bürgermeisters und durch den im Folgenden zitierten Auszug des Konferenzberichts der Mineralölfirma bestätigt fand. Darin heißt es unter dem Punkt 3. Auschwitz- Monowitz : When inspecting the third building site (east of Auschwitz) it was noticed that there is an excellent site of about 5 square kilometers which offers still better possibilities for expansion. In addition, the water situation is very favourable because the draining works can be placed below the confluence of the Weichsel [Vistula], Przemsza [sic!], and Sola Rivers and sufficient water will be available, even with minimum outflow. Exact outflow data will be obtained from the Katowice Water Office. Coal can be procured from 3 sides: to wit, the Cracow district, the central disrict, and the coal deposits southwest of the building site, where the new Brzeszcze and Jawiszowitz shafts of the Hermann Goering Werke are located, and from the Silesia Shaft, near Dzieditz, which is supposed to be the property of Elektroindustrie/Berlin. The distance from the central and Cracow districts is about 25 kilometers by rail, and from the southwestern district about 9-10 kilometers by rail. It would be preferable to get supplies from the southwestern district because a private works railroad could be build for that purpose. According to Herr Weber`s statements, the quantities mined by the two mines of the Hermann Goering Werke at present amount to 4,900 tons per day and those mined by ‚Silesia’ to 1,500 tons per day. The production at the mines belonging to the Hermann Goering Werke can easily be increased to 7,000 tons per day, so that a total of 8,500 tons per day can be procured from this district. In theory, these 3 mines can meet the total requirements of the hydogenation [sic!] plant. We were unable to ascertain whether there is available a coal suitable for hydrogenation with a low ash content of about 3-5 percent, low oxygen content, et cetera. Should the 840,000 tons of hydrogenation coal not be available, these amounts would have to be sent from the central or Cracow districts. Herr Hentrich suggests that the mines in the vicinity of the site be inspected in order to ascertain if the types of coal are suitable and so that experiments to this end be conducted in Ludwigshafen. [...] In addition, the site is very favorable located from the point of view of possible air pollution, so that, taking everything into account, it can be said that this building site would in every respect satisfy the requirements. Aus den vorhandenen Dokumenten, gehen übereinstimmend alle maßgeblichen Entscheidungsgründe für die Standortwahl Auschwitz hervor. Im Hinblick auf den Aspekt Baugelände waren zusammengefaßt folgende Vorteile maßgeblich: a) Die Fläche des Geländes: Der Platzbedarf für das geplante Großwerk mit Ausbaumöglichkeiten wurde durch ein weites Gelände zwischen den Dörfern Dwory und Monowitz, östlich der Kleinstadt Auschwitz erfüllt. Es handelte sich um ein großflächiges geeignetes Gelände von etwa 5 Quadratkilometern, das eine Expansion der geplanten Anlage ermöglichen würde. Weder Geländefalten, noch erhebliche Niveauunterschiede waren gegeben. b) Die Sicherheit des Geländes: Das nahezu ebene Gelände wies etwa 20m Höhendifferenz zum Fluss Weichsel auf. Es galt somit als hochwassersicher. Luftangriffssicher lag es vorläufig nur, weil es im Osten außer Reichweite der alliierten Bomber lag. c) Die geographische Lage: Das Gelände war in ausreichendem Abstand zur Wohnsiedlung der Stadt Auschwitz gelegen und schränkte ferner eine geplante Ausdehnung der Stadt nach Osten nicht ein. Die Lage ermöglichte außerdem die Anlegung einer Werkssiedlung und eines Grünstreifens zwischen Werksgelände und Stadtgebiet. Der ausreichende Abstand zur geplanten Werkssiedlung war gegeben. d) Ökologische Gesichtspunkte (Windrichtung): Die Lage war akzeptabel, da in Auschwitz die Hauptwindrichtung Südwest ist. Wegen der Abgasreinigung war eine Sicherheitszone zwischen Stadt und Werk erforderlich. Diese war gegeben, wenn das Werk möglichst nach Nordosten gedrängt würde. Da sich im Nordosten des Geländes zudem die Bahngeleise und der Fluss befanden, war diese Lage optimal.

Über den Autor

Andreas Kilian, geboren 1974, studierte Mittlere und Neuere Geschichte sowie Germanistik an der Universität Frankfurt am Main. Mit vorliegender Arbeit schloss er sein Magisterstudium 2002 erfolgreich ab. Seit 1992 erforscht er die Geschichte der jüdischen Sonderkommandos im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Er ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen zu diesem Thema, darunter der ersten Monografie Zeugen aus der Todeszone (mit Eric Friedler und Barbara Siebert, 2002) und der Encyclopaedia Judaica (mit Gideon Greif, 2nd Ed. 2006) sowie wissenschaftlicher Berater der ersten Fernseh-Dokumentation mit dem Titel Sklaven der Gaskammer (von Eric Friedler, 2000) und Gründer des ersten Internetportals zum Thema (2003). Zudem bearbeitete er die Neuausgabe von Miklos Nyiszlis Erinnerungsschrift Im Jenseits der Menschlichkeit. Ein Gerichtsmediziner in Auschwitz (mit Friedrich Herber, 2005).

weitere Bücher zum Thema

Bewerten und kommentieren

Bitte füllen Sie alle mit * gekennzeichenten Felder aus.