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- Gesundheit für Alle: Lösungsansätze für eine gerechte Mittelverteilung im Gesundheitssystem
Gesundheit
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Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 07.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 100
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Ausgehend von der in Expertenkreisen vielfach geteilten Meinung, dass in Zukunft das medizinisch und das finanziell Machbare zunehmend divergieren und damit Leistungsbegrenzungen in der Gesundheitsversorgung mittelfristig unumgänglich sind, stellt sich die Frage nach dem ‚Wie‘ einer Allokation knapper Gesundheitsgüter, insbesondere in Hinblick auf die Erfüllung moralischer Gerechtigkeitserwartungen und Anforderungen. Die in diesem Zusammenhang häufig genannten zentralen Begriffe Rationierung und Priorisierung beschreiben die Methoden, mit denen eine Versorgung unter Knappheit gestaltet werden kann. In diesem Buch werden zunächst grundlegende Betrachtungen der Begriffe Gesundheit, Rationierung und Priorisierung vorgenommen, denen sich eine Darstellung der Verteilungsmechanismen im Gesundheitswesen anschließt. Diese macht die zugrundeliegenden Ursachen für Gerechtigkeitsprobleme in der Gesundheitsversorgung deutlich. Über eine Analyse gerechtigkeitsrelevanter ethischer Denkansätze werden Prinzipien einer gerechten Gesundheitsversorgung als Bewertungsbasis für konkrete Allokationskriterien identifiziert. Für eine mögliche praktische Anwendung werden konzeptionelle Aspekte von Rationierung und Priorisierung diskutiert und abschließend verschiedene konkrete Rationierungskriterien auf ihre Anwendbarkeit, in Hinblick auf eine möglichst gerechte Mittelverteilung, überprüft.
Textprobe: Kapitel 5.2.3, Direkte versus indirekte Rationierung: Unter direkter Rationierung wird verstanden, dass bestimmte Personen oder Personengruppen aufgrund bestimmter Merkmale von der Versorgung ausgeschlossen werden (vgl. Fuchs 2009, S. 25). D.h., es wird personenorientiert rationiert, die Betroffenen werden anhand unveränderlicher Eigenschaften bzw. medizinischer oder ökonomischer Kriterien von der Allokation bestimmter Gesundheitsgüter ausgenommen. Die jeweilige Entscheidung betrifft also immer direkt einen konkreten Patienten und wird auf der Ebene der Leistungserbringung getroffen. Wird die Entscheidung auf Grundlage feststehender, einheitlicher und transparenter Kriterien vollzogen, liegt eine direkt-explizite Rationierungsentscheidung vor. Basiert die Entscheidung auf der Willkür des Leistungserbringers, so kann man von direkt-impliziter Rationierung sprechen. Die indirekte Rationierung hingegen wird ressourcenorientiert vorgenommen. Diese findet nicht auf der Individualebene statt, sondern es werden auf übergeordneten Ebenen Mengenbestimmungen und Verteilungsvorgaben unter statistischen Gesichtspunkten festgelegt (vgl. Kamm 2006, S. 26). Anders ausgedrückt setzt die indirekte Rationierung speziell bei der Kapazitätsplanung an, während die direkte Rationierung ausschließlich in den Bereich der Kapazitätsvergabe fällt (vgl. Arnade 2010, S. 44). Der tatsächliche Umfang der geplanten bzw. gewünschten Versorgung wird durch die Menge der vorhandenen Ressourcen limitiert. Dies erfordert, dass die Verteilungskriterien und –prozesse so gestaltet werden, dass ein definiertes Maß an Versorgung erbracht werden kann. Indirekte Rationierung hat demnach immer im Voraus zu erfolgen, d.h. die Einigung auf Allokationskriterien bzw. für die Versorgung relevante strukturelle und prozessuale Entscheidungen müssen bereits getätigt sein, um auf der Mikroebene in konkreten Fällen die Versorgung steuern und im geplanten Maß gewährleisten zu können. Indirekte Rationierungen können somit zum einen Ausgangspunkt der direkten Rationierung, im Sinne des Ausschlusses von konkreten Patienten von einer bestimmten Art der Versorgung, sein, sich aber auch in alle Patienten gleichermaßen betreffenden strukturellen Einschränkungen, z.B. Wartezeiten oder erhöhten Zuzahlungen, niederschlagen. Indirekte Rationierung umfasst zudem auch den völligen Ausschluss bestimmter Maßnahmen und Interventionsmöglichkeiten aufgrund schlechter Kosten-Nutzen-Relation und beeinflusst damit keine konkreten Leben, sondern nur statistische Risiken und Wahrscheinlichkeiten. Trotz augenscheinlicher Vorteile der indirekten Rationierung dürfen Allokationsentscheidungen auf höheren Entscheidungsebenen nie rein ressourcen- und nutzenorientiert vorgenommen werden, da dies eine Benachteiligung bestimmter Patientengruppen mit sich bringen würde, deren Behandlung, aufgrund hochpreisiger Versorgung mit geringem Nutzeneffekt, ökonomisch gesehen unvorteilhaft ist (vgl. Mack 2001, S. 29). Eine spezielle Gefahr der direkten Rationierung besteht darin, wenn ihre Ausführung auf diskriminierenden und stigmatisierenden Kriterien basiert (vgl. Groß 2009, S. 79). Dadurch würde die Gleichheit als grundlegendes Element der egalitaristischen Gerechtigkeitsvorstellung eklatant verletzt. Ebenso verstößt ein Leistungsausschluss aufgrund personenbezogener und nichtveränderbarer Merkmale gegen den im Grundgesetz verankerten allgemeinen Gleichheitssatz. Dies gilt insbesondere dann, wenn Leistungsausschlüsse überlebensrelevanter Bereiche betroffen sind (vgl. Welti 2010, S. 382f.). Ebenfalls zu bedenken ist, dass die GKV-Mitglieder durch ihre Beitragszahlungen bereits Ansprüche erworben haben (vgl. Jachertz und Rieser 2007, S. 4). Daher steht ausnahmslos allen Beitragszahlern zumindest ein Anrecht auf Verfahrensgerechtigkeit zu. Eine direkte Rationierung ist aus ethischer und rechtlicher Sicht nur legitimierbar, wenn sie auf als gerecht erachteten und im gesellschaftlichen Konsens gefassten Grundlagen beruht und in der Verfassung verankerte Grundrechte nicht verletzt. Da trotz einer kontrollierten Mittelverknappung durch die indirekten Rationierungsebenen immer noch Gesundheitsgüter auf konkrete Individuen verteilt werden müssen wird ersichtlich, dass die indirekte Rationierung kein Universalinstrument für den Umgang mit begrenzten Ressourcen darstellt, sondern ihr vielmehr eine Steuerungsfunktion der Allokation zukommt, die durch direkt-explizite Rationierung auf der Ebene der Leistungserbringung ergänzt bzw. komplettiert werden muss. Indirekte Rationierung berücksichtigt nicht die Dringlichkeit und den unterschiedlichen Bedarf des Individuums und kann somit grundlegende egalitaristische Gerechtigkeitsansprüche, wie die Chancengleichheit und die besondere Berücksichtigung der Bedürftigsten, nicht erfüllen. Jedoch muss vermutet werden, dass die indirekte Allokation auf politischer und gesellschaftlicher Ebene, aufgrund der fehlenden Personenorientierung deutlich konsensfähiger ist und daher vermutlich bevorzugt umgesetzt wird.
Dominik Fischer, B.A. wurde 1980 in Rottweil a. N. geboren. Sein Studium der Gesundheitsökonomie an der APOLLON Hochschule der Gesundheitswirtschaft schloss der Autor im Jahr 2012 erfolgreich ab. Durch seine langjährige Tätigkeit als Fachkrankenpfleger für Anästhesie und Intensivpflege konnte er die zunehmende Divergenz des medizinisch und finanziell Machbaren in der direkten Patientenversorgung mitverfolgen. Die hierbei aufkommenden Fragestellungen bezüglich einer gerechten Mittelverteilung in der Gesundheitsversorgung waren ausschlaggebend für das Erstellen dieser Untersuchung.
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