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  • Der Mythos: Mehr als bloße Theologie – Eine Erklärung der Menschen für das Unerklärliche

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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 05.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 80
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Der Mythos ist die grundlegendste aller Erzählungen, es gab ihn schon viele Jahrhunderte, bevor er das erste Mal niedergeschrieben wurde. Doch er kam aus der Mode und wurde abgewertet. Lange Zeit wurde der Mythos mit Fabel gleichgesetzt, als wäre er eine reine Fiktion, was aber nicht seiner eigentlichen Bedeutung entspricht. Erst Heyne berichtigte das falsche Bild, das viele Menschen vom Mythos hatten und beschreibt den Mythos als das, was er von Anfang an war, nämlich die Ausdrucksweise primitiver Menschen, die alles für sie Unerklärliche den Göttern oder einem Gott zuschrieben, um sich selbst und ihren Mitmenschen die Wirklichkeit zu erklären. In einem zweiten Teil werden drei berühmte Schöpfungsmythen der alten Zeit aufgegriffen und untersucht, da sie den Mythos an sich in seiner ursprünglichsten Form verkörpern. Diese Form ist das Beschreiben des ultimativen Anfangs. Die beschriebenen Schöpfungsmythen sind Atramchasis, Enuma Elisch und die Urgeschichte in Genesis 1-9. Zwangläufig tritt dabei immer wieder das Thema Gott/Götter in den Vordergrund, da diese als eine Art universale Erklärung für alles Unerklärliche in dieser archaischen Zeit fungieren.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.2, Mythos - eine begriffliche Annäherung: Claus Petersen macht in seiner oben bereits genannten Dissertation über den Mythos im Alten Testament gleich zu Beginn auf die Heterogenität der einzelnen Definitionen des Begriffs ‘Mythos’ aufmerksam. In der vorliegenden Studie soll Definition verstanden werden, als das, was sie in diesem Zusammenhang nur sein kann, nämlich Begriffsbestimmungen von einzelnen oder mehreren Personen geprägt und keine universal gültige und von allen akzeptierte Meinung. Dafür gibt es einfach zu viele verschiedene Versuche den Begriff festzulegen. Petersen vergleicht hierzu mehrere von Autoren gegebene Definitionen, um anhand derer die Probleme der Begriffsbestimmung aufzuzeigen. Es sind oft Nuancen, die einzelne Definitionen unterscheiden. So definiert Gunkel die Mythen als ‘Göttergeschichten’. Doch das Problem dabei wäre, dass damit die Erzählungen des Alten Testaments wegfallen, weil sie unter diesem Gesichtspunkt keine Mythen darstellen. ‘Seiner Form nach ist der Mythos eine Erzählung er berichtet über den Verlauf von Geschehnissen’, wie z.B. im Mythos Enuma Elisch. Es wird nicht gesagt, dies und das sei die Situation im Moment, sondern alles wird in einer aufeinanderfolgenden Erzählung geschildert. Es gestaltet sich hier mit Spannung, Handlung, Kämpfen, Entscheidungen, alles was zu einer spannenden Erzählung gehört. Diese Erzählungen haben keinen Erfinder an sich, sie sind eine kollektive Erscheinung eines bestimmten Kulturkreises. Diese Aussage soll nicht in Abrede stellen, dass es natürlich einen gegeben haben kann, der die ursprünglich mündlich tradierten Mythen aufschrieb, aber das ist unabhängig von deren Erfindung. Jede Kultur hat ihre Mythen, da sie eine notwendige Denkform des Menschen darstellen. Nur ist es von manchen Völkern nicht überliefert, weil es entweder nicht verschriftlicht wurde oder über die Jahre verloren ging. Daher liegt heute zwar eine große Anzahl Mythen vor, die man nachlesen kann, aber bei weitem nicht so viele, wie es wahrscheinlich gegeben haben mag. Fraglich ist heute, inwieweit die überlieferten Mythen mit denen übereinstimmen, die damals, vor der Verschriftlichung, als Erzählungen im Umlauf waren. Dies ist schwer abzuschätzen und auch mangels fehlender Belege rein spekulativ. Lévi-Strauss erforscht aus diesem Grund Mythen, die bei heute noch existierenden archaischen Kulturen erzählt werden, weil er diese für authentischer und näher am Ursprung des Geschehens hält. Weiterhin fällt auf, dass zu all diesen Erzählungen Gottheiten gehören. Sie sind die handelnden ‘Figuren’ und nicht Menschen, alle Aktion geht von ihnen aus. Petersen bemerkt, dass selten auch Menschen als handelnde ‘Figuren’ auftreten, doch sie sind in jedem Fall den Göttern untergeordnet. Aber davon abgesehen scheint es auch einmal eine Zeit, nach sumerischen Vorstellungen, gegeben zu haben, in der ‘die Götter (auch noch) Mensch waren’. So lautet der erste Vers des Atramchasis-Mythos, der dies belegt. Dies könnte eventuell darauf zurückgehen, was der nächste Vers beschreibt, dass die Götter noch selbst die Körbe tragen mussten, was später die Menschen für sie tun müssen. Hier sei noch darauf hinzuweisen, dass in den altorientalischen Mythen nicht nur Gottheiten untereinander agieren, sonder auch von den Werken eines einzelnen Gottes berichtet werden kann. Reventlow verweist in seinem Aufsatz Mythos im Alten Testament darauf, dass die traditionelle Auffassung, wie sie z.B. Gunkel hatte, der bereits oben genannt wurde, revisionsbedürftig sei, denn der Mythos sei eben nicht nur im polytheistischen Bereich zu Hause. Es müssen also nicht immer mehrere Götter beteiligt sein, um eine Erzählung zu einem Mythos zu machen. Auch wenn das in den meisten altorientalischen Mythen der Fall ist, so muss das nicht die Regel sein. Henotheismus und Monolatrie waren ebenfalls im Orient verbreitet, wie neuere Erkenntnisse zeigen. Ein Volk betet somit lediglich einen Gott an, gesteht den anderen Völkern aber ihre Götter zu. Folglich ist es möglich, selbst wenn mehrere Götter genannt werden sollten, sich doch nur zentral um das Handeln eines Gottes zu kümmern. Ein dritter Punkt ist, dass es keinen spezifischen Ort gibt, an dem die Mythen spielen, so kann nicht abgegrenzt werden, wo die Götter handeln. Ihnen steht die ganze Welt zur Verfügung, doch es entsteht stets der Eindruck, dass es ein Ort ganz in der Nähe ist, es wirkt bekannt. Wenn die Götter aber aus dem Himmel heraus handeln, dann ist dieser kein abgeschlossener Raum, sondern die Götter steigen nach Belieben auf und ab. Es stellt kein Hindernis für sie dar, dass sie vom Himmel auf die Erde herabsteigen, nur um kurz etwas zu vollbringen. Es hat eher den Charakter eines ‘nebenan seins’, die Götter sind da, aber dennoch in gewisser Weise abgegrenzt von den Menschen. Wenn nicht der Ort, so lässt sich die Zeit des Handelns abgrenzen. Es ist ein Spezifikum des Mythos, dass er sich außerhalb der geschichtlichen Zeit befindet, in einer Urzeit. Genauer gesagt spielt es sich an einer zeitlichen Grenze ab, die direkt, aber noch ganz knapp vor der geschichtlichen Zeit liegt. So findet sich im akkadischen Enuma Elisch gleich zu Beginn eine Beschreibung, wie man sich die anfängliche Situation vorgestellt hat, kurz bevor die geschichtliche Zeit begann, aber man setzte in den Text immer den Zusatz ‘noch nicht’, um eben darauf hinzuweisen, dass man sich noch kurz vor dieser Zeitschwelle befindet, auch wenn man es schon mit zeitlichen Begebenheiten beschreibt. Als oben der Himmel noch nicht existierte und unten die Erde noch nicht entstanden war - gab es Apsu, den ersten, ihren Erzeuger und Schöpferin Tiamat, die sie alle gebar Sie hatten ihre Wasser miteinander vermischt, ehe sich Weideland verband und Röhricht zu finden war - als noch keiner der Götter geformt oder entstanden war, die Schicksale nicht bestimmt waren, da wurden die Götter in ihnen geschaffen: Diese Abgrenzung durch eine Art Formel ‘als noch nicht war’ wird in den Mythen genutzt, um das Ereignis, was dann folgt, also die Schöpfung, an den Anfang zu stellen. Es wird hier stets betont, dass alles, was der Mensch quasi kennt, eben noch nicht war, auch wenn es benannt wird. Natürlich gibt es auch andere Formeln in anderen Kulturkreisen, welche aber immer zurückweisen in eine Urzeit: ‘Einst, in früheren Jahren’, ‘Das erste Mal’. Aber auch ohne diese Formeln spielen die Mythen in ihrer ‘eigenen’ Zeit, also in einer Urzeit oder Vorzeit. Im ägyptischen Bereich stellt hierfür Kees fest, dass der Mythos ‘in die ferne Vergangenheit, die Zeit vor den Königen zurückführt und aus Uranfängen die Entstehung der Welt herleitet, Himmel und Erde scheidet und Götterdynastien bis zu dem Mythe und Geschichte trennenden Ereignis der ‚Vereinigung der beiden Länder‘ ersinnt’. All diese Texte weisen auf eine Einmaligkeit hin, es ist immer nur von der Schaffung in der Urzeit die Rede, keine wiederholende Tat, auch wenn die Texte in den Kulturen eine erzählende Wiederholung finden, so ist in diesen selbst keine Aufforderung dessen zu erkennen. Zusammenfassend zum bisher Gesagten lässt sich feststellen, dass das oben genannte im Grunde eine ‘Minimalanforderung’ an den Begriff des Mythos darstellt. Zum einen handelt es sich um eine Erzählung, die Geschehnisse wiedergibt, also Handlungszusammenhänge etc. und nicht nur bloße Ergebnisse oder Feststellungen. Diese gehen aber nicht, wie man heute annehmen würde, auf einen einzigen Verfasser zurück, sondern stellen kollektives Gedankengut dar. Ebenfalls sind in den Mythen stets handelnde Gottheiten, seien es nun einer, der handelt, oder mehrere, anzutreffen. Von diesen geht die Initiative aus, sie sind die Handlungsträger. Wenn Menschen vorkommen, dann um die Götter zu unterstützen oder ihre Befehle zu empfangen. Ebenfalls findet das Geschehen in einer eigenen Zeit statt. Auch wenn bei Enuma Elisch z.B. schon in der Beschreibung der Urzeit geschildert wird, wie es danach sein wird, so ist es doch eine frühe Aussageform dafür, indem man ein noch nicht einsetzt, dass es eben noch nicht ganz so weit ist, sondern eben doch noch vorzeitlich. Auch wenn der folgende Punkt wie aus dem Zusammenhang gerissen erscheint, so ist er dennoch von Wichtigkeit. Bereits in der begrifflichen Annäherung an den Mythos konnte gezeigt werden, dass es sich dabei um eine Erzählung handelt, daher ist es ratsam, sich bewusst zu machen, was das Erzählen für den Menschen bedeutet, bevor zu dem Punkt übergegangen wird, der klärt, welche Voraussetzungen menschlichen Denkens es bedarf, um einen Mythos zu schaffen.

Über den Autor

Michael Rößlein wurde 1983 in Bamberg geboren. Sein Studium der Germanistik und Theologie an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg schloss der Autor im Jahre 2013 mit dem Ersten Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien erfolgreich ab. Bereits während des Studiums schrieb der Autor zahlreiche Arbeiten zu Themen der Germanistik und Theologie, wie z.B. über Medea, Schnitzlers Traumnovelle oder der Gerechtigkeitstheorie Michael Walzers.

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