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  • Die Coverversion und musikalischer Fortschritt? Eine Analyse der künstlerischen Bedeutung der Praktiken des Coverns in der populären Musik

Kunst & Kultur


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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 01.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 84
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die Coverversion - kommerzielle Kopie oder kulturelle Erinnerung, mangelnde Kreativität oder künstlerischer Fortschritt? Die kontrovers diskutierte musikalische Praxis des Verwendens von bereits Dagewesenem trägt zumeist einen negativen Beigeschmack. Doch bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass ohne sie vieles in der Musik nicht so wär, wie es nun ist. Daher beschäftigt sich dieses Buch mit der Frage, ob einer Coverversion, nebst oder statt kommerziellem Interesse, auch ein künstlerischer Anspruch sowie eine ästhetische Wirkung zugesprochen werden kann. Dazu untersucht es die verschiedenen Ausprägungen des Coverns, vom simplen Nachspielen bis zum Remix, und gibt einen historischen Abriss der künstlerischen Mehrfachverwertung. Weiterhin setzt es sich mit dem rechtlichen Rahmen des Coverns durch das Urheberrechtsschutzgesetz und den darin enthaltenen Schranken der künstlerischen Freiheit auseinander. Letztlich werden zwei popmusikalische Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit bezüglich ihres eklektizistischen Einflusses untersucht. Das Buch bietet dabei zahlreiche Anknüpfungspunkte für weitere Studien, sowohl in den rechtswissenschaftlichen Disziplinen als auch in der Musikästhetik.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel IX., Cover in den 90er und 2000er Jahren: In den 90er Jahren wurden die Praktiken der 80er Jahre weitgehend fortgeführt und erweitert. Der Remix und das Sampling erlangten ihren Höhepunkt im HipHop, welcher auch in Europa immer populärer wurde, sowie in der elektronischen Musik und ihren Spielarten. In vielen Songs wurden systematisch Teile anderer Songs übernommen, um darum herum einen ‚neuen‘ Song zu kreieren. Zumeist wurde der Refrain als Aufhänger übernommen. Mit großem Erfolg praktizierte z.B. die deutsche Elektromusikerin Marusha dieses Konzept. So entnahm sie für ihren Song ‘Somewhere Over the Rainbow’ aus dem Jahr 1994 den Refrain des Originals von Judy Garland aus dem Film ‘Der Zauberer von Oz’ (1939), sang ihn neu ein und unterlegte ihn mit einem zeitgemäßen Technobeat. Auch der Eurodance basierte zunächst auf diesem Prinzip. So wurde hier meist von einer Sängerin der Refrain eines bekannten Werkes gesungen und ein Rapper artikulierte dazu meist melodisch sehr einfache Strophen. Somit wurde der Fokus auf den Refrain gelegt und die Strophen stellten lediglich eine Ergänzung dar. Folglich schienen viele Songs zum Rohmaterial zu avancieren. An ihnen wurde sich ausprobiert, die Tempi bis ins Unermessliche erhöht, die Stimmen verzerrt und somit die ursprüngliche Werkgestalt stark verändert. (Vgl. Pendzich 2004: 232-234). Allgemein betrachtet, unterzog sich die Musik in den späten 80er, den 90er sowie auch den 2000er Jahren somit einem qualitativen Wandel, bei dem kein Genre gegen Coverversionen und Werkteilübernahmen immun war. Viele Künstler nutzten bekannte und erfolgreiche Songs, um ihre Karrieren voranzubringen. Nun häuften sich sogar Coverversionen von bereits gecoverten Songs. Wiederholungen und Revivals waren die Norm und wurden vom Publikum sogar erwartet. Die Industrie verwertete diese Erwartungshaltung in zahlreichen Formaten, wie unzähligen Cover-Compilations und Tribute-Alben und TV-Sendungen, in denen zum Covern angeregt wurde. Zudem passten erfolgreiche Künstler ihr früheres Werk aktuellen und nachgefragten Trends an. So waren Re-Arrangements für Orchester- oder String-Quartetts, wie z.B. bei Kiss’ Album ‘Kiss Symphony: Alive IV’, beliebt. Außerdem wurde das Konzept ‚Cover‘ sogar auf ganze Künstler, deren Repertoire und Image ausgeweitet. Beispielsweise wurde die schwedische Pop-Gruppe A*Teens als Reincarnation ABBAs konzipiert und erfolgreich vermarktet. Zudem existieren auch heute noch zahlreiche Coverbands, die am Erfolg von Künstlern, wie Elvis Presley, den Beatles oder Rammstein, partizipieren. (Vgl. Plasketes 2010b: 14-18). Zusammenfassend scheint ab den 90er Jahren die Kommerzialisierung der Coverversion, aber auch die Kreativität mit fremdem kompositorischem Material zu arbeiten, deutlich gewachsen zu sein. Der künstlerische Anspruch, etwas musikalisch Komplexes zu schaffen, scheint hier jedoch häufig hintergründig gewesen zu sein, was jedoch keine eklektizistische Verwendung fremder Musik ausschließt. Aus den neuen Verwertungsmöglichkeiten fremden musikalischen Materials erwuchs jedoch auch eine stärkere Differenzierung der Praxis sowie des Begriffs ‚Coverversion‘, welche sich bis heute fortführt und immer neue Formen und Praktiken hervorruft. Dazu beigetragen haben vor allem auch technische Neuerungen und die Experimentierfreude der Musiker und Produzenten. 2.2, Cover als universeller Begriff verschiedener Kulturpraktiken: Wie sich gezeigt hat, vollführte sich im Laufe der Musikgeschichte, vor allem der populären Musik, also ein starker Wandel des Phänomens Coverversion. Wurden fremde Kompositionen bis Anfang des 20. Jahrhunderts noch zu Lehr- und Studienzwecken sowie zur Modernisierung genutzt, so wandte sich der Jazz, mittels der Bearbeitung oder gar freien Benutzung fremder Werke zu eigenen Zwecken, der Entwicklung ganz neuer Stile zu. In den 50er Jahren entdeckte die Industrie das wirtschaftliche Potenzial der Musik der unterdrückten schwarzen Bevölkerung und kopierte diese, zumeist möglichst exakt, mittels einer einfachen, oft geglätteten Neuaufnahme. Die 60er Jahre brachten durch die Adaption des amerikanischen Rock’n’Roll die Herausbildung eines ganz neuen Genres, des Beats, mit sich. Zudem wurde fremdes kompositorisches Material hier auch als Rohstoff angesehen, den es in neue Kompositionen einzubinden galt. In den 70er Jahren wurden artifizielle Werke mit der Rockmusik verquickt, woraus wiederum ein völlig neuer Umgang mit fremder Musik entstand, welcher die Musikwelt auch nachfolgend prägte. Seit den 80er Jahren erhielt die Benutzung bereits dagewesener Musik einen zunehmend kommerziellen Beigeschmack. Technische Neuerungen ermöglichten hier sowohl eine Zunahme der Quantität als auch eine nicht immer positive Änderung der Qualität von Coverversionen. Letztendlich vollführte die Benutzung fremden musikalischen Materials und folglich das Verhältnis von Original und Kopie, allgemein betrachtet, einen Wandel von größtmöglicher Konvergenz hin zur Divergenz, und von Einfachheit zu Komplexität (Vgl. Pendzich 2004: 316). Dennoch gab und gibt es in der Geschichte der populären Musik immer auch Coverversionen, die eine nahezu exakte Kopie des Originals darstellen und somit nicht mit Divergenz und Komplexität zu umschreiben sind. Schlussendlich ist es, aufgrund der vielen verschiedenen historischen und auch allgegenwärtigen Praktiken der Adaption fremden kompositorischen Materials, sehr schwer bis unmöglich, die Begriffe ‚Cover‘ oder ‚Coverversion‘ einheitlich zu definieren. Zudem tauchen beide Begriffe sowohl im deutschen Urheberrecht als auch im US-amerikanischen Copyright nicht als Rechtsbegriffe auf, können also nur als Annäherung an gewisse Praktiken verstanden werden. Aufgrund der Bedeutungsverschiebung im Laufe der letzten Dekaden kann demnach nicht generalisiert werden, was eine Coverversion ist, welchen Anspruch sie erhebt und was sie beinhaltet. Die Coverversion erhält, je nach Zeit, Ort und Kontext, eine jeweils andere Bedeutung. Hinzu kommt, dass Rechtsexperten, Ökonomen, Musikwissenschaftler und andere Philosophen zu unterschiedlichen Auffassungen gelangen, was genau ein Cover ist und was nicht. Daher sind einige Definitionen bewusst allgemein gehalten und sagen nur etwas darüber aus, dass ein Song auf einem anderen Song basiert oder als Neufassung dessen angesehen werden kann, was jedoch nicht impliziert, wie hoch der Grad der Veränderung ist . Dieser kann vor allem im rechtlichen Sinne zu unterschiedlichen Einschätzungen eines neuinterpretierten Songs führen, welche letzten Endes auch häufig den Künstler selbst in seinem Schaffen beeinflussen können. In der weiteren Auseinandersetzung soll nunmehr auf einer vereinfachenden und sehr offenen Definition der Coverversion aufgebaut und verschiedene Praktiken des Umgangs mit fremdem kompositorischem Material mit einbezogen werden. Diese Praktiken werden im Folgenden einer Definition angenähert und verglichen. Zudem werden die Begriffe ‚Cover‘ bzw. ‚Coverversion‘ auf zweierlei Weisen verwendet. Cover bzw. Coverversion im weitesten Sinne (i.w.S.) wird als Oberbegriff für alle Praktiken des Verwendens fremden kompositorischen Materials genutzt. Cover bzw. Coverversion im engeren Sinne (i.e.S.) wird die einfache Änderung bzw. Neuinterpretation oder Neuaufnahme ohne großen Veränderungsgrad meinen.

Über den Autor

Ariane Petschow, B.A., wurde 1986 in Rostock geboren. Im Jahr 2013 schloss sie ihr Studium der Musikwissenschaft und Betriebswirtschaftslehre an der Humboldt-Universität zu Berlin erfolgreich ab und nahm direkt im Anschluss ein Masterstudium im Fach Media, Communication und Cultural Analysis an der Södertörns Högskola in Stockholms län (Schweden) auf. Bereits während des Studiums sammelte sie praktische Erfahrungen in verschiedensten Unternehmen der Musik- und Medienbranche – beispielsweise im Event- und Künstlermanagement sowie im digitalen Musik- und Medienvertrieb. Ihr Forschungsinteresse liegt im Bereich der digitalen Medien sowie der populären Musik und damit einhergehenden soziologischen und rechtlichen Belangen. Entsprechend versucht sie im vorliegenden Buch die viel diskutierte musikalische Praxis der Coverversion unter verschiedensten Gesichtspunkten zu beleuchten.

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