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  • Federico García Lorcas Dramen als Spiegel der sozialen Realität: Eine Analyse von Bluthochzeit, Yerma und Bernarda Albas Haus

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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 11.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 132
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Federico García Lorca zählt zu den wichtigsten spanischen Dramatikern des frühen zwanzigsten Jahrhunderts. Die vorliegende Studie behandelt seine Tragödien ‘Bluthochzeit’, ‘Yerma’ und ‘Bernarda Albas Haus’ nach inhaltlichen und stilistischen Gesichtspunkten. Neben der Werkanalyse vermittelt dieses Buch ebenfalls einen historischen sowie biografischen Hintergrund. García Lorca, dessen Schaffen in die Zeit des nationalsozialistischen Franco-Regimes fällt, thematisiert in seiner ‘Trilogie der spanischen Erde’ soziale Missstände. Eigene Beobachtungen und Zeitungsartikel bilden das Fundament der drei Dramen. Im Mittelpunkt stehen Frauen, die ihre Bedürfnisse ausleben wollen, dafür jedoch mit den gesellschaftlichen Konventionen brechen müssen oder diese, wie im Falle Yermas, nicht erfüllen können. Doch nicht nur inhaltlich begab sich García Lorca damit auf ein neues Gebiet innerhalb des spanischen Theaters seiner Zeit: Mit dem Wandertheater ‘La barraca’ spielte sein Ensemble in entlegenen Dörfern, um auch der Landbevölkerung Kultur und Bildung nahezubringen. Denn Bildung begriff Lorca als Schlüssel, um die von ihm kritisierten Zustände - deren Ursache er in einer vom Katholizismus geprägten, patriarchalischen Gesellschaft erkannte - ändern zu können. Seine regimekritische Haltung und seine Homosexualität, die er Zeit seines Lebens zu verbergen suchte, brachten ihm in der Blüte seines Schaffens den Tod. Im August 1936 wurde García Lorca von Mitgliedern der faschistischen Falange erschossen.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 6.1, García Lorcas Begriff der Gesellschaftskritik: Da im Fokus der Werkanalyse von Bluthochzeit, Yerma und Bernarda Albas Haus die in den Stücken enthaltenen gesellschaftskritischen Tendenzen stehen, muss vorangestellt Lorcas Begriff der Gesellschaftskritik erörtert werden. Dieser basiert auf dem Bestreben des Autors, soziale Missstände aufzuzeigen und antiquierte, jedoch immer noch herrschende moralische Vorstellungen und Werte als für den Einzelnen menschenfeindlich anzuprangern, da individuelle Bedürfnisse den bestehenden Moral- und Wertvorstellungen unterworfen werden und die Erfüllung des persönlichen Glücks dadurch nicht möglich ist, wie er am Beispiel der handelnden Figuren in den drei Dramen veranschaulicht. Der Autor kritisiert, dass natürliche Bedürfnisse aufgrund von Regelsystemen, die der Erhaltung einer bestimmten traditionellen Gesellschaftsordnung dienen, unterdrückt werden müssen. In seinen sozialkritischen Äußerungen wendet sich Lorca gegen den Katholizismus, den Machtanspruch überkommener gesellschaftlicher Werte und die Gliederung der Gesellschaft in unterschiedliche soziale Schichten. Diese Abspaltung der Menschen voneinander führt zu einer Ungleichheit bezogen auf die Rechte: Aufgrund der sozialen Position sind sie vorhanden oder fehlen. Zudem wird ein Mangel an gegenseitigem Verständnis bewirkt. Besonders stark lässt sich bei García Lorca eine Kritik an der katholischen Kirche und ihrer dogmatischen Herrschaft in Spanien feststellen. Dem Autor zufolge beinhalten die kirchlichen Werte in ihrer Auslegung einen unflexiblen Regelkanon, der der menschlichen Gefühlswelt und Natur entgegensteht und aus diesem Grund als lebensfeindlich empfunden und angeprangert wird. Besonders deutlich tritt dies in seinem Werk Bernarda Albas Haus zu tage. Indem die durch sie vermittelten Werte der Bewahrung traditioneller Lebensweisen und Ehrvorstellungen dienten und zugleich eine gesellschaftliche Weiterentwicklung unterbanden, leistete die Kirche einen großen Beitrag zur Festigung und Erhaltung der vom Autor angegriffenen Zustände. García Lorca richtete sich des Weiteren gegen das Regiment einer Militärdiktatur. Stattdessen befürwortete er die Errichtung einer Republik, von der er sich eine Verbesserung und Modernisierung des gesamtgesellschaftlichen Zustandes erhoffte. Seines Erachtens nach musste die Volksbildung gefördert und die Armut beziehungsweise das wirtschaftliche Ungleichgewicht im Land bekämpft werden. Ganz stark wandte sich der Theatermacher gegen die Marginalisierung und Unterdrückung bestimmter Menschengruppen innerhalb des gesellschaftlichen Gefüges. Dazu zählen im Gesamtwerk neben Frauen auch Homosexuelle sowie verschiedene ethnische Gruppen wie die Schwarzen oder die Sinti und Roma. Ihre Repression diente der Konservierung bestehender ideologischer, wirtschaftlicher und sozialer Zustände. Anzumerken ist hierbei, dass in Lorcas Heimatland auch regionale Identitäten wie etwa die Basken und die Katalanen unterdrückt wurden, da Kastilien als Inbegriff des Spanischen galt, was besonders unter dem Regime Francos betont wurde. Der Autor kritisierte außerdem die gesellschaftliche Signifikanz materiellen Besitzes, da sie zur Formung einer Klassengesellschaft beiträgt, wodurch soziale Grenzen innerhalb der Gesellschaft errichtet werden. Das wiederum hemmt den Einzelnen in seinem Streben nach Erfüllung und Glück. In den drei behandelten Werken äußert sich dieser Umstand darin, dass eine Liebesbeziehung der Braut mit Leonardo, Yermas mit Viktor oder der Töchter Bernarda Albas mit Männern des Dorfes insbesondere durch eine unterschiedliche Klassenangehörigkeit verhindert wird, da deren Verbindung aufgrund der Bewahrung eines bestimmten sozialen Status nicht möglich ist. Die von ihm verübte literarische Gesellschaftskritik lässt somit einen humanistischen (im Sinne von Humanität) als auch aufklärerischen Charakter erkennen. Gesellschaftskritik, also Kritik an der gegenwärtig existierenden Gesellschaft, existiert bereits seit der Antike und findet sich unter anderem im philosophischen Werk Aristoteles’ zum Ethikbegriff. Enzyklopädisch wird der Begriff definiert als: ‘...das Bemühen, einer historisch konkreten Gesellschaft oder ihren Einzelerscheinungen mit dem Maßstab einer vergangenen, als real vorgestellten, oder künftigen, im utopischen Denken entworfenen Sozialordnung entgegenzutreten’. Sie findet sich wieder in Literatur, Kunst und Philosophie. In letzterer lassen sich verschiedene Ansätze unterscheiden: a) die konservative Gesellschaftskritik, die im 19. und 20 Jahrhundert verortet wird und geprägt war durch die politisch motivierten Revolutionen, deren Gründe sie zum einen in der Aufklärung, der Säkularisierung (der Loslösung von der kirchlichen Herrschaft und damit dem Verlust der Vormachtstellung der Kirche) als auch dem so genannten Rationalismus sieht. Zum anderen wurde als Antrieb der revolutionären Aktivitäten auch der Prozess der Industrialisierung angeführt, der eine Veränderung der Produktionsprozesse und eine Überwindung bis dahin geltender Führungs- beziehungsweise Herrschaftsstrukturen sowie die Bildung einer bürgerlichen Gesellschaft nach sich zog. Die Kritik an dieser neu entstandenen Gesellschaftsschicht wird deswegen auch als antimodernistisch bezeichnet. b) die liberale Gesellschaftskritik beinhaltet ein politisches Ideal basierend auf der Emanzipation des Bürgertums, die ‘...einer allgemeinen Vernunft zum Siege verhelfen soll, auf der wirtschaftlichen Leitidee vom aufgeklärten Selbstinteresse der wirtschaftenden Individuen (Adam Smith) und der naturrechtlichen Vorstellung vom ‘Trieb zur Glückseligkeit’ (Carl Gottlieb Svarez)’. Der Staat hat im Zuge dessen die Aufgabe, die gesellschaftlichen Funktionsbedingungen zu gewährleisten. c) Einen Gegensatz dazu bildet die sozialistische und marxistische Gesellschaftskritik. Sie hinterfragt die Grundlagen einer bürgerlichen Gesellschaftsordnung. Der Begriff des Marxismus umfasst die Arbeiten von Karl Marx und Friedrich Engels. Dabei werden die geschichtliche Entwicklung und die Produktionsweisen des kapitalistischen Gesellschaftssystems untersucht sowie der Versuch einer möglichen Gesellschaftsordnung zur Befreiung des Proletariats angestrengt. Ihre Konzeption erfolgte anhand der Geschichte der bürgerlichen Klassengesellschaft, da bestimmte Klassen die Subjekte der historischen Veränderung der Gesellschaftsstruktur, das heißt der Produktionsverhältnisse, bilden. Mit Ende des Zweiten Weltkrieges bildeten sich innerhalb von Philosophie und Soziologie Strömungen heraus, die die Charakteristika einer modernen Massengesellschaft kritisch beleuchteten und als: d) kulturkonservative Gesellschaftskritik bezeichnet werden. Die so genannte Frankfurter Schule ging von einer neomarxistischen Sichtweise aus. Ihre Gesellschaftsanalyse beruht neben Marx auch auf der Psychoanalyse Freuds. Die Verquickung von Marxismus, Psychoanalyse und Soziologie führt zur Kritischen Theorie, welche durch heterogene Standpunkte der einzelnen zur Frankfurter Schule zugehörigen Philosophen gekennzeichnet ist. Eine so genannte antimoderne Gesellschaftskritik findet sich innerhalb sämtlicher fundamentalistischer Bewegungen. Neben der Philosophie wird Gesellschaftskritik auch innerhalb der Kunst und der Literatur geäußert. Bereits in Texten aus der Antike findet eine Anprangerung sozialer Ungerechtigkeit statt oder werden soziale Dissonanzen und Konflikte in den Mittelpunkt des Werkes gestellt, wie etwa bei Aristophanes, Juvenal oder Hesiod. Völlig neue Dimensionen der Verbreitung gesellschaftskritischer Literatur wurden durch die Erfindung des Buchdrucks zu Beginn der Neuzeit erschlossen und ermöglichten beispielsweise den Humanisten mittels der Vervielfältigung und Verbreitung ihrer Schriften starke Kritik an der katholischen Kirche, wie sie auch in García Lorcas Werken zum Ausdruck kommt. Seit dem Einsetzen des bürgerlichen Emanzipierungsprozesses im 17. Jahrhundert bestimmte sie die Gesellschaftskritik in der Literatur. Neue Perspektiven und Möglichkeiten bot dabei die junge Gattung des Romans, der formal nicht mehr an die klassische aristotelische Poetik gebunden war und über mehrschichtige Handlungsstränge verfügte, wie etwa im Werk Miguel de Cervantes‘. Mit der Aufklärung, die zur Entwicklung der Öffentlichkeit als Bestandteil des Emanzipierungsprozesses des Bürgertums beitrug, erhielt die europäische Literatur schließlich ausdrücklichen gesellschaftskritischen Charakter. Eine Umwandlung erfuhr die literarische Gesellschaftskritik durch die Französische Revolution (1789 bis 1799). Innerhalb der nun einsetzenden romantischen Bewegung wurde die moderne Welt kritisch bewertet. Man zog sich stattdessen vielmehr in vergangene Zeitalter, in die Natur oder fremde Länder zurück. Obwohl die europäische Romantik somit ihren Ursprung in der Gesellschaftskritik hat, drückt sich diese in ihren Werken nicht mehr unmittelbar aus. Eine Wende setzte mit der Bewegung des Jungen Deutschland ein, der auch Heinrich Heine angehörte und in deren Mittelpunkt erneut die Gesellschaftskritik gestellt wurde. Das Bemühen, den Menschen beziehungsweise seine Lebensumstände psychologisch und sozial genau zu beschreiben, breitete sich in der Literatur des gesamten europäischen Raumes aus und beeinflusste sie schließlich weltweit. Die Literatur wurde somit in den Dienst der Gesellschaftskritik des Realismus gestellt. Diese war nicht einheitlich, sondern verfügte über geschichtliche und historische Eigenheiten. Gesellschaftskritik als konstanter Bestandteil findet sich insbesondere auch in der antifaschistischen Literatur. Dort stand sie besonders nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges im Mittelpunkt, denn die Autoren setzten sich intensiv mit der Kriegs- und der Faschismusthematik auseinander (Bewegung der Littérature engagée sowie die Gruppe 47). Auch nach den Folgen der Studentenrevolte von 1968 kam es in der Literatur zu starker Kritik bezüglich der bestehenden Gesellschaftsordnung. Innerhalb der westlichen Industriegesellschaft verlor sie seitdem jedoch stark an Gewicht, da nur noch wenig produktive Impulse aus dem kulturellen Bereich kamen. Im Vergleich dazu war und ist sie in totalitären Gesellschaftssystemen von besonderer Bedeutung, da sie die kritische Funktion der freien Medien übernahm und übernimmt und damit eine besondere Rezeptionshaltung gegenüber der Kunst und der Literatur nach sich zog beziehungsweise zieht.

Über den Autor

Steffi Bojahr, geboren 1979 in Schönebeck/Elbe bei Magdeburg, studierte ‘Angewandte Kulturwissenschaften’ an der Universität Lüneburg. 2007 schloss sie ihr Studium mit dem akademischen Grad der Magistra Artium ab. Federico García Lorcas Werk lernte die Autorin während ihres einjährigen Studienaufenthaltes in Spanien kennen. Dort studierte sie im Bereich Publizistik an der Universidad Complutense de Madrid. Beeindruckt von der Leidenschaft, dem Mitgefühl und der Schaffenskraft García Lorcas, beschloss sie, sein Werk am Beispiel der ‘Trilogie der spanischen Erde’ in einer Studie zu untersuchen. Dabei stellte sie fest, dass Lorca bis heute nichts an seiner Aktualität verloren hat. Nach einem journalistischen Volontariat ist Steffi Bojahr heute als Redakteurin tätig.

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