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Kunst & Kultur

Konstantin Bikos

Graswurzelfeuilleton: Journalistische Kunstkritik in Zeiten des Web 2.0

ISBN: 978-3-8428-5508-3

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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 02.2011
AuflagenNr.: 1
Seiten: 102
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Das Feuilleton, so hört man immer wieder, befindet sich in der Krise. Von einem Ressort, das kein Geld bringt, aber viel Geld kostet sprechen etwa Thierry Chervel und Anja Seeliger. Folgerichtig tituliert Franziska Augstein das Zeitungsfeuilleton als eine Institution, die sich auf dem Wege zu ihrer Abschaffung befindet. Auf der anderen Seite geht ein Konkurrent ins Rennen, der scheinbar viele Schwächen der Zeitung und ihrer Kulturberichterstattung ausgleichen kann: Das Web 2.0 ist schnell, multimedial, interaktiv, meist kostenlos und weist eine vergleichsweise niedrige Teilnahmeschwelle für Kommunikatoren auf. Entsprechend groß ist mittlerweile die Anzahl sogenannter Kulturblogs und anderer kulturjournalistischer Angebote im Internet. Doch können diese Angebote dem klassischen Feuilleton tatsächlich den Rang ablaufen? Um diese Frage zu beantworten, werden im vorliegenden Buch zunächst die wichtigsten Funktionen des Feuilletons und der journalistischen Kunstkritik definiert und systematisiert. Den theoretischen Hintergrund liefern die Cultural Studies, die sowohl die Kunst als auch den Journalismus als zentrale Mechanismen zur Selbstverständigung einer Gesellschaft verhandeln. Mithilfe der Erkenntnisse der Feuilletonforschung erfolgt eine Katalogisierung der Voraussetzungen, die zur Erfüllung der Funktionen notwendig sind. Auf dieser Grundlage und unter Berücksichtigung der Aussagen zweier Akteure werden schließlich die beiden Mediengattungen systematisch miteinander verglichen. Die Studie bietet einen Einblick in ein bisher durch die Kommunikationswissenschaft weitgehend vernachlässigtes Forschungsfeld. Sie legt einen Grundstein für weitere Forschungsarbeiten in einem Bereich journalistischen Wirkens, der sich am Beginn eines drastischen Wandlungsprozesses befindet.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.3.5, Zu Funktion 2: Die Variable ‘Wissen’: Bei der Erfüllung von Funktion 2 ist der Experte dem Laien vor allem durch ein Mehr an Wissen überlegen. Den Kunstkritikern muss es auch darum gehen, zu erkennen, ‘was das besondere ist an der Veranstaltung, über die sie schreiben’ sie müssen das Kunstwerk, den Künstler und sein Lebenswerk ‘rezeptionsgeschichtlich einordnen’ und, soweit mit den Rezipientenbedürfnissen vereinbar, kunsttheoretisch analysieren. ‘Möglichst breite Repertoirekenntnisse sind ebenso unerlässlich wie das Wissen um aktuelle Interpretationsrichtungen’. Zur Erlangung dieses Wissens ist eine formelle Ausbildung zwar nach wie vor der Königsweg - mit ausreichend Eigeninitiative geht es jedoch auch ohne, denn noch nie war Wissen so verfügbar, wie im Internet-Zeitalter. Dies ist ein nicht zu unterschätzender Punkt, denn auch aufgrund von Variable 2b kann nicht jeder kulturjournalistische Akteur im Internet als Laie bezeichnet werden - auch wenn viele von ihnen keine einschlägige formelle Ausbildung genossen haben und somit im Volksmund gemeinhin ‘nur’ als ‘Kunstliebhaber’ bezeichnet werden. Im Gespräch mit Baumberger merkt Verena Kuni entsprechend bezüglich partizipativer kulturjournalistischer Online-Angebote an: ‘Man kann ja nicht einfach ein Medienformat mit Hobbyismus gleichsetzen, bloß weil es andere Zugänge ermöglicht’. Entsprechende empirische Befunde liegen zwar nicht vor. Doch schon anhand der oben genannten Berufsanforderungen kann man wohl im Normalfall davon ausgehen, dass die Kunstkritiker des klassischen Feuilletons einen entsprechenden fachlichen Hintergrund haben. Andererseits muss auch eine generelle Tendenz innerhalb der journalistischen Profession beachtet werden: Die Aufgaben, die Journalisten, auch Kulturjournalisten, wahrnehmen müssen - sowohl in inhaltlicher Hinsicht als auch im journalistischen Arbeitsablauf - vervielfältigen sich zusehends. Der ‘Kritikerpapst’ entwickelt sich im Zuge der finanziellen Krise der Printmedien immer mehr zum Allround-Kritiker. Wie oben erwähnt, kann dies durchaus eine Absenkung der kritischen Qualität zur Folge haben. Zu Funktion 2: Die Variable ‘Fähigkeit zur sprachlichen Umsetzung’: Die mangelnde Fähigkeit, ein Kunsterlebnis in angemessene Worte zu fassen, wird oft bei kulturjournalistischen Angeboten im Internet kritisiert. Diese Kritik ist natürlich bei besagten ‘Fan-Seiten’ und manchen anderen partizipativen Angeboten oftmals durchaus angebracht. Die haben jedoch im Normalfall nicht den Anspruch einer journalistischen Berichterstattung. Fragwürdiger erscheint sie im Hinblick auf die aus der Perspektive klassischer Medienangebote recht gewöhnungsbedürftige Textstruktur, die das Merkmal vieler Blogs ist - und zwar auch solcher Angebote, die journalistische Ansprüche hegen. Auch hier gilt: ‘Ein Post kann fragmentarisch, offen, unvollständig sein’. Was nämlich zunächst als Manko erscheint, kann durchaus einen Sinn ergeben innerhalb eines Nachrichtenangebotes, das die Spontaneität und Schnelligkeit der Blogosphäre mit der Subjektivität des Kulturjournalismus im Allgemeinen verbinden soll. Ein solcher Schreibstil kann von den Akteuren und Usern auch als adäquater empfunden werden als der literarische Charakter vieler Texte, die im klassischen Feuilleton erscheinen: Meist befassen sich Blogs mit der künstlerischen Thematik einer Subkultur, in der ein laxerer Umgangston herrscht und eine tiefgreifende kunstanalytische Herangehensweise ohnehin unangebracht wäre - zum Beispiel Punkmusik. Ein experimenteller Schreibstil, wie ihn manche Blogs pflegen, kann natürlich auch an sich eine künstlerische Qualität annehmen (etwa in Anlehnung an die Kunstform ‘Performance Writing’), bzw. zum kritisierten Kunstwerk oder zur Begegnung des Autoren mit dem Kunstwerk eine direktere Verbindung aufbauen. Inwiefern der Rezipient mit solchen Texten tatsächlich etwas anfangen kann, hängt freilich vom Einzelfall ab und wurde noch nicht empirisch untersucht. Für die Akteure des klassischen Feuilletons gehört eine im weitesten Sinne ‘kultivierte’ Ausdrucksweise hingegen zum journalistischen Anspruch dazu. Die Sprache des Feuilletons stellt eine historisch bedingte Besonderheit innerhalb des Journalismus' dar: In seinen frühen Jahren, also im 18. und 19. Jahrhundert, war das Feuilleton eine Beilage der Zeitungen, in der ‘unterm Strich’ Kurzgeschichten und Fortsetzungsromane erschienen. Entsprechend bemerkt Haake ‘Anleihen des Journalismus bei der Literatur zugunsten seiner Feuilletongestaltung’. Später wurde es immer mehr auch zu einer Plattform für Intellektuelle - eine Entwicklung, die in den 1920er Jahren mit Akteuren wie Siegfried Karacauer und Kurt Tucholsky ihren Gipfel erreichte, bevor der Nationalsozialismus ‘diesen hintergründigen Kulturjournalismus’ zerstörte. Auch wenn über den Schreibstil der Feuilletonisten vor allem Kritik laut wird: In den meisten Fällen gelingt es ihnen dabei, die adäquaten künstlerischen Kategorien verbal zu erfassen und diese im Rahmen der Analyse, Interpretation und Evaluation des Kunstwerks angemessen zu bedienen. In einem guten Feuilletonbeitrag - und davon gibt es trotz oft geäußerter Kritik und Häme viele! - wird die Information des Lesers mit einem anregenden und mitunter innovativen Schreibstil verbunden. Trotzdem besteht hier schlimmstenfalls die Gefahr einer übermäßig abstrakten Darstellungsweise - und damit einem Verlust der Verständlichkeit. Zudem verleitet besonders in der Lokalpresse die im Feuilleton ausnahmsweise gestattete formelle Freiheit auch solche Autoren zu stilistischen Experimenten, deren Talente nicht unbedingt im literarischen Bereich liegen: ‘Die Elaborate dieser Amateurschreiber strotzen dann auch häufig vor Allgemeinplätzen’.

Über den Autor

Dipl.-Journ. Konstantin Bikos, M.Mus., wurde 1978 in Neunkirchen/Saar geboren. 2003 schloss er sein Musikstudium am Dartington College of Arts ab und erlangte 2004 den akademischen Grad des Master of Music in Musikethnologie an der School of Oriental and African Studies in London. Bereits während des Studiums entwickelte er ein besonderes Interesse an den Schnittstellen zwischen Kunst, Kultur und Gesellschaft. Der Journalismus als zentrales Instrument der diskursiven Verhandlung kultureller Bedeutung übte deswegen schon früh eine Anziehungskraft auf ihn aus. Seine Karriere als Kulturjournalist begann 2007 bei der Badischen Zeitung (Freiburg). Es folgten zahlreiche Veröffentlichungen im In- und Ausland und eine Zusammenarbeit mit dem Bundesjugendorchester. 2010 absolvierte Bikos einen Diplom-Studiengang in Journalistik an der Universität Hohenheim. Hier vertiefte er sein Interesse an den sogenannten Neuen Medien und am Graswurzeljournalismus. Heute arbeitet Bikos als freiberuflicher Journalist, Autor, Musikpädagoge und Perkussionist.

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