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Kunst & Kultur

Marcel Nakoinz

Keine Vernunft ohne Emotionen: Die emotionelle Basis der menschlichen Kultur

ISBN: 978-3-8428-8073-3

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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 05.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 88
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Ein fünfjähriges Mädchen sitzt zerknirscht am Fuße einer Treppe, den Kopf in die Hände und die Ellenbogen auf die Knie gestützt. Ihre Haltung ist gebückt und ihre Mundwinkel fallen nach unten wie ihre zierlichen Zöpfe. Kein gesunder Mensch hat Schwierigkeiten dabei sich vorzustellen, in welcher Gefühlslage sich das kleine Mädchen gerade befindet. Doch worin liegt diese Sicherheit im Umgang mit unseren Mitmenschen begründet? In den Informationen, die wir aus ihrem Verhalten, der Mimik und ihrer Haltung ziehen? Demnach würden wir Menschen also jedes Mal, wenn wir uns in unsere Mitmenschen einfühlen , eine rationale Verstehensleistung erbringen, zu der wir erst fähig werden, wenn wir zu sprechen und abstrakt zu denken gelernt haben. In diesem Buch wird entgegen solcher, vor allem in den Naturwissenschaften weit verbreiteten Annahmen, eine Theorie des Geistes entwickelt, die den beim Menschen einzigartigen Entwicklungsprozess ins Zentrum des Interesses rückt. Demnach haben wir es in erster Linie nicht unserem Gehirn zu verdanken, dass wir keine Probleme damit haben, uns in die Gefühlswelt anderer hineinzuversetzen, sondern unserem Körper. Denn körperlich empfinden und verstehen wir die Welt zu einem gewissen Grad bereits bevor wir denken und sprechen können und diese tiefgreifende Gewissheit begleitet uns unser ganzes Leben hindurch. Es sind die Emotionen, die der Stoff unserer Gefühle, Erinnerungen und unserer gesamten Persönlichkeit sind. Ein Grund mehr davon abzulassen Antworten auf Vorstellungen wie das Selbst, den freien Willen und das Bewusstsein lediglich im Kopf zu suchen, denn dieser wäre nichts ohne einen empfindenden Körper und dieser wäre nichts ohne die Gemeinschaft mit anderen empfindenden Körpern. Mit dem Versuch der Überwindung dieses traditionellen dualistischen Schemas von subjektiver Innenwelt und intersubjektiver Außenwelt ist dieses Buch einem alten Problem der Philosophiegeschichte auf der Spur und navigiert den Leser dabei durch ein regelrechtes Minenfeld philosophischer und empirischer Komplexitäten.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 8.4.1, Gefühle als reflektierte Emotionen: Um zu verstehen, wie sich das auf diese Weise vorreflexiv entwickelte Verständnis anderer auf die reflexive Bewusstseinsebene auswirkt, ist es zunächst nötig, den Unterschied zwischen reflexiven und vorreflexiven Bewusstseinsebenen auf den Unterschied zwischen Gefühlen und Emotionen zu übertragen. So besteht ein wesentlicher Unterschied dazwischen, Emotionen einerseits körperintern zu fühlen und sich von ihnen leiten zu lassen und andererseits die gefühlten Emotionen bewerten zu können, aus ihnen resultierende Handlungen zu antizipieren und mit anderen den emotionalen Anlass in der Ist-Situation an Wichtigkeit überschattenden Handlungsmotiven abstimmen zu können, noch bevor sie handlungswirksam werden. Ein solches reflexives Bewusstsein der eigenen Emotionen setzt Holodynski zufolge ein Verständnis von zeitlichen Abläufen voraus und ist somit grundlegend für komplexere Regulationsformen des emotionalen Erlebens, in denen das Subjekt das in der Gesellschaft tolerierte Verhalten reflexiv berücksichtigt und seine Emotionen und das aus ihnen resultierende Verhalten dementsprechend kontrolliert und anpasst: ‚Ein Kind muss in der Lage sein, nicht nur aktuelle, sondern auch zukünftige Motive mit Hilfe von Emotionen widerspiegeln zu können. Es muss in der Lage sein, sich in Relation zu Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu sehen, wozu es einer symbolischen Repräsentation dieser Sachverhalte bedarf. [...] Ein solches Zeitbewusstsein entsteht erst im Laufe des Vorschulalters mit 4 bis 6 Jahren. Damit erklärt sich, dass Kleinkinder zwar durchaus schon zu einer gewissen volitionalen [die Realisierung der Motive betreffende, Anm.: M.N.] Regulation ihrer Handlungen in der Lage sind. Aber eine motivkoordinierte reflexive Regulation ihrer Emotionen tritt erst im Laufe des Vorschulalters auf’ (ebd., 78). Mit der Entwicklung eines Zeitverständnisses wird nicht nur eine differenzierte Tätigkeitsregulation im sozialen Kontext ermöglicht, sondern das Subjekt entwickelt zugleich eine reflexive Bewusstseinsebene (B2), innerhalb der Emotionen und ihre entsprechenden körperlichen Ausdrucksreaktionen mental repräsentiert und bewertet werden können. Nicht nur, dass man die empfundene Enttäuschung (B1) über ein schlechtes Geschenk zum Geburtstag nun mit einem Lächeln überspielen kann, um beispielsweise das längerfristige Ziel des intakten Miteinanders in der Familie realisieren zu können (B2), es ermöglicht auch die Fähigkeit zur mentalen Repräsentation, ohne Emotionen körperlich durchleben zu müssen. Diese Fähigkeit, das somatische Empfinden mithilfe mentaler Repräsentationen zu umgehen (das emotionale Erleben zu ‚entsomatisieren’), bezeichnet Damasio als ‚Als-ob-Gefühle’. Für Holodynski ist damit im Einklang stehend, dem Menschen ‚die einmalige Fähigkeit zur symbolischen Repräsentation der Welt (einschließlich seiner selbst und seiner Beziehung zur Welt) gegeben, so dass er nicht nur ‚fühlend’ und ‚handelnd’ durch das Leben geht, sondern vor allem auch ‚wissend’ (ebd., 19). Diese Unterscheidung von einem vorrationalen Empfinden oder Fühlen von Körperreaktionen und dem ‚Wissen-das-man-fühlt’ ermöglicht es Holodynski, sich von der üblichen Vorstellung zu lösen, Emotionen käme ausschließlich die instrumentelle Funktion zu Handlungsbereitschaften auszulösen (z. B. bei Gefahrensituationen eine Fluchtbereitschaft zu aktivieren). Vielmehr können Emotionen ihm zufolge auch eine ‚ausschließlich semiotische Funktion, eine Zeichenfunktion, haben [...]’ (ebd., 22). So kann eine individuell gefühlte Spannung im Bauch bei einem persönlichen Misserfolg zum subjektiven Motiv führen, an sich zu arbeiten, um nicht wieder in diese unangenehme Situation kommen zu müssen (vgl. ebd.) oder aber der emotionale Ausdruck eines Subjekts Indizien über die momentane Befindlichkeit desselben geben. Diese verschiedenen Funktionen von Emotionen lassen es sinnvoll erscheinen, Emotionen als vorrationales Empfinden von Körperreaktionen und Gefühle als reflexives Wissen um dieses Empfinden zu unterscheiden.

Über den Autor

Marcel Nakoinz wurde 1985 in Cottbus geboren und lebt derzeit in Berlin. Sein Studium der Philosophie und Germanistik an der Freien Universität Berlin und der Humboldt-Universität zu Berlin schloss er im Jahr 2012 mit dem akademischen Grad Master of Arts erfolgreich ab. Innerhalb seiner Studienzeit kristallisierte sich für den Autor eine zunehmende Spezialisierung auf Themen der Praktischen Philosophie, der Sprachphilosophie sowie der Philosophie des Geistes heraus. Das Thema des Zusammenhangs von Bewusstsein mit Emotionen war für den Autor bereits in seinem Bachelorstudium und später dann verstärkt während der Arbeit am Exzellenz-Cluster Languages of Emotion der Freien Universität Berlin unter Herrn Prof. Dr. Gunter Gebauer Gegenstand umfangreicher Studien.

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