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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 11.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 104
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Der Autor intendiert in diesem Buch die Lebenswirklichkeit männlicher Homosexueller in unserer heutigen Gesellschaft im Stil eines Einführungswerkes vorzustellen. Der gesellschaftliche Umgang mit diesem Stigma hat in den vergangenen Jahrzehnten viele Veränderungen erfahren wie beispielsweise eine größere gesellschaftliche Akzeptanz und Normalität. Es wird versucht die Frage zu klären, ob es für Homosexuelle diese gesellschaftliche Normalität denn wirklich gibt, da immer noch Berichte und Untersuchungen von Diskriminierungserfahrungen, Stigmatisierungen und Ausgrenzungen vorliegen. Neben einem historischen Überblick zur Erklärung des Stigmas Homosexualität, wird die Konstitution des Homosexuellen mit Hilfe der sexuellen Identitätsentwicklung und des Coming Out ebenso untersucht wie auch die Typiken des Schwulseins, das Stigma-Management in Verbindung mit den sexuellen Handlungsstilen und die Folgen der Ausgrenzung. Hierbei werden Alleinstehende und Partnerschaften gegenüber gestellt. Ein Ausblick auf die gesellschaftlichen Modernisierungsprozesse in Hinblick auf die homosexuelle Identitätsentwicklung runden das Werk ab.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3, Homosexualität und Kirche: Das Verhältnis zwischen Homosexuellen und der Kirche darf man als gespannt bis schwierig bezeichnen, auch wenn es augenscheinlich mit der Wahl von Papst Franziskus I. eine Neuausrichtung in die Moderne geben könnte. Hierfür allerdings müsste der Papst über die entsprechenden Themen nicht nur inhaltlich in der Öffentlichkeit sprechen, sondern seine Kirche zu einem Umdenken bewegen, damit es sich in der Praxis niederschlagen kann. Inhaltlich soll es zunächst um die Aussagen und Interpretationen der Bibel zur Homosexualität gehen, bevor es thematisch zum wirklichen heutigen Verhältnis der Kirche, insbesondere der katholischen, zur Homosexualität übergeht. Anschließend erfolgt ein kleiner Exkurs zu Michel Foucaults ‘Sexualität und Wahrheit’, in dem versucht wird, die beiden ersten inhaltlichen Kapitel zusammenfassend darzulegen, woher das Verhältnis der westeuropäischen Gesellschaft zu den männlichen Homosexuellen begründet liegt. Die Umstände, in denen ein Homosexueller in der heutigen westlichen Gesellschaft lebt, sind dann ausreichend dargelegt, um die Lebenswirklichkeit in den folgenden Kapiteln zu durchleuchten. 3.1, Homosexualität im Alten und Neuen Testament: ‘Die Bibel enthält sechs Ermahnungen an Homosexuelle und 362 Ermahnungen an Heterosexuelle. Das heißt aber nicht, dass Gott die Heterosexuellen nicht liebt. Sie müssen nur strenger beaufsichtigt werden’ (Lynn Lavner). Dieses Zitat verdeutlicht, dass das Thema Homosexualität zwar in der Bibel vorkommt, aber nur einen recht geringen Raum einnimmt. In der Bibel wird dieses Thema nicht in dem Ausmaß behandelt, wie es bis heute für die Kirche an Bedeutung geworden ist. ‘Die biblische Lehre über Homosexualität stützt sich auf das Verständnis von Sexualität und Ehe in den ersten zwei Kapiteln der Genesis. Diese Kapitel schließen sowohl die Bereitschaft zur Fruchtbarkeit wie zum partnerschaftlichen Verhältnis ein, schließen aber Homosexualität als Schöpfungsvariante aus’ (Hogan 2001: 152). Die Erzählung der Genesis 19 über den Untergang der Städte Sodom und Gomorra wird als Interpretationsgrundlage herangezogen, in der sowohl das Gastrecht als auch sexuelle Perversionen aller Art als Grund des Untergangs gesehen werden können. Einen ähnlichen Fall beschreibt ein Buch im Richter 19, der interpretativ homosexuelle Handlungen als schändlicher darstellt als die Vergewaltigung einer Frau. Auch geht ein Nein zur Homosexualität in die Gesetze ein, wie man in Levitikus nachlesen kann. Aber hier finden sich genauso Speise- und Hygienevorschriften, die allesamt zu ihrer Zeit eine andere Bedeutung hatten als heute. Im Levitikus des Alten Testaments werden homosexuelle Handlungen klar formuliert – und zwar nur an diesen beiden Stellen in der gesamten Bibel (vgl. Hogan 2001: 154ff Köllner 2001: 399ff Schmuck 2007: 28ff): ‘Du darfst nicht mit einem Mann schlafen, wie man mit einer Frau schläft das wäre ein Gräuel’ (Levitikus 18,22) ‘Schläft einer mit einem Mann, wie man mit einer Frau schläft, dann haben sie eine Gräueltat begangen beide werden mit dem Tod bestraft ihr Blut soll auf sie kommen’ (Levitikus 20,13). Es ist davon auszugehen, dass diese Vorschriften im Kontext der damaligen kulturell-soziologischen Weltbilder zu sehen sind und diese Handlungen eher moralisch verwerfbar waren, bspw. in der Sphäre der Tempelprostitution (vgl. Köllner 2001: 401). Homosexuelles Verhalten wird als sündhaft betrachtet und spiegelt das Denken des ersten Jahrhunderts wider, in der sexuelles Treiben außerhalb der Ehe als sündhaft und strafbar betrachtet wurde, wenn auch mit unterschiedlicher Härte (vgl. Hogan 2001: 156f). Klar sollte auch sein, dass im Alten Testament oder auch sonst in der Bibel auf Dauer angelegte homosexuelle Partnerschaften nicht beschrieben werden. Homosexuelle Verhaltensweisen werden lediglich im Rahmen einer ganzen Auflistung von Sünden genannt, die Gott ablehnt (vgl Hinck 2007: 26ff). Auch Erwähnungen im Neuen Testament zum Thema Homosexualität lassen sich finden, wenn auch nicht so deutlich wie im Alten. Die wenigen genannten Stellen sprechen über sexuelle Praktiken unter Männern und dürfen als plastisches Beispiel für Sünde genutzt worden sein, als Beispiele nämlich, die damalige Zeitgenossen in einen Kontext stellen konnten. Gerade die Auslegungen durch Paulus werden hierfür herangezogen. ‘Paulus argumentiert dabei als Kind seiner Zeit, als ein durch und durch von seiner Zeit geprägter Mann, einer Mentalität, die durch soziale Kategorien, der Über- und Unterordnung, der Aktivität und Passivität, der Geschlechterpolarität und der ihr entsprechenden Rollen von Mann und Frau bestimmt wird’ (Sommer 1993: 76). Es wurde in diesem Zeit- und Kulturkreis jede Art der Sexualität missbilligt, die das Herrschaftsgefüge, auch das intimste, verletzte – es gab also keine Unterscheidung zwischen Hetero- und Homosexualität, sondern nur der, von ‘oben’ nach ‘unten’, d.h. allein dem freien Mann zustehenden aktiven Part, den passiven Part für Frauen, Sklaven, Knaben. Ein Bild, welches schon bereits das Altertum, wie weiter oben angeführt, prägte und eine klare Rollenverteilung vorsah. Sexualität war im Kulturkreis der Griechen und Römer von sozialer Wertordnung geprägt (vgl. Sommer 1993: 70). Die Bibel unterscheidet nicht zwischen ‘sündhafter’ und ‘erlaubter’ Homosexualität, unterscheidet demnach also auch nicht, ob zwei Männer sich wirklich lieben und es nur für die Triebbefriedigung tun (vgl. Hinck 2007: 32ff, Schmuck 2007 31ff). Man ermahnt die homosexuellen Mitglieder einer Gemeinde zur Keuschheit mit der Argumentation, dass das Schwulsein nicht das Problem oder die Sünde sei, sondern der schwule Sex (vgl. Hekma 2007: 347). Berücksichtigen muss man bei einer Interpretation allerdings auch, dass die Kirche sich auf eine Auslegungstradition bezieht, die zurückgeht auf die Kirchenväter des ersten Jahrhunderts - deren Denken finden sich in den Texten wider und wurde durch das 2. Vatikanische Konzil bestätigt (vgl. Hogan 2001: 151ff). ‘Homosexualität findet in der Bibel klare Erwähnung. Die praktizierende Homosexualität wird sowohl im AT wie auch im NT verurteilt und als Sünde hingestellt, die Gott ein Gräuel ist’ (Schmuck 2007: 34). Hogan (2001) sieht das gesamte biblische und kirchliche Verständnis von Sexualität auf dem Fundament Ehe aufgebaut und bezieht somit Homosexualität auf sexuelles Treiben außerhalb der Ehe, welches verurteilt und als Hurerei betrachtet wird (ebd. 159ff). Auf der anderen Seite schreibt Hinck (2007), dass die Bibel Gottes Wort ist, ihre Aussagen aber zeit- und kulturgebunden sind und die Bibel sich nur zu Fragen äußert, die sie aus der Zeit auch kennt. Demnach haben alttestamentarische Verbote heute keinen Sinn mehr, was sie am Beispiel des Themas Reichtum, welches in der Bibel ein umfangreicheres Thema ist und ebenfalls negativ ausgelegt wird, darstellt. Bei diesem Thema ist ein gesellschaftliches Umdenken vollzogen worden. So kann man festhalten: unsere Gesellschaftsordnung ist mit der Welt, in der die Schöpfungsgeschichte geschrieben wurde, nicht vergleichbar und somit die traditionelle Auslegung entsprechender Bibelstellen hinfällig (ebd. 40ff). ‘Die einseitige und selektive Handhabung der Bibel, wie sie von vielen Fundamentalisten und solchen, die ihnen nahe stehen, praktiziert wird, führt dazu, dass mögliche Bemerkungen in der Bibel über Homosexualität und homosexuelle Handlungen wie unumstößliche Aussagen der heiligen Schrift zur Homosexualität behandelt werden. Die ganze Komplexität homosexueller Orientierung und homosexuellen Verhaltens bleibt dabei unberücksichtigt’ (Köllner 2001: 409). Eine Neuinterpretation von Seiten der Kirchen oder eine offener gelebte Toleranz wäre sicherlich wünschenswert und würde das Verhältnis zwischen Homosexuellen und Glauben entzerren können. In der Bibel heißt es: ‘Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.’ Auch der Homosexuelle muss sich selbst anerkennen und lieben um einen anderen Menschen selbstlos anerkennen und lieben zu können, ohne selbstbestätigende Rückmeldungen zu suchen oder sich selbst zu meinen (vgl. Höfer, Neumann, Weirauch 2000: 23). ‘Die Liebesfähigkeit ist auch für den homosexuellen Menschen die Voraussetzung für eine vollgültige und vollglückliche Partnerschaft. Über die Liebe findet er dann zur erfüllten Sexualität’ (Mey 1990: 36). Wie das Verhältnis der (katholischen) Kirche heute und in unserer Gesellschaft aussieht, der Umgang mit Homosexualität vonstattengeht, soll Inhalt des nächsten Kapitels sein. Die Bibel und die ausgeführten Auslegungen der entsprechenden Stellen dienen als Fundament der weiteren Ergebnisse und soll den Zugang erleichtern. In diesem Kapitel ging es um den Ursprung des Verhältnisses zwischen bekennenden Christen und bekennenden Homosexuellen. ‘Folgendes bleibt festzuhalten: die Bibel ermutigt nirgendwo zu homosexuellem Verhalten. Unter Berücksichtigung des kulturellen Hintergrundes ist aber nicht eindeutig, ob sich die Kritik der Bibel nicht nur gegen die promiskuitiven homosexuellen Verhaltensweisen ihrer Zeit (in aller Regel ausgeübt von ansonsten heterosexuell lebenden Individuen) richtet eine in beiderseitige Liebe gelebte Partnerschaft homosexuell veranlagter Menschen hiebei aber unberücksichtigt bleibt’ (Hincke 2007: 117).

Über den Autor

Ingo Jacobs wurde 1979 in Aachen geboren. Nach dem Erlangen der Hochschulreife auf dem zweiten Bildungsweg schloss er sein Studium der Soziologie, der Politischen Wissenschaft sowie der Wirtschafts- und Sozialgeschichte im Jahr 2013 an der RWTH Aachen mit dem akademischen Grad Magister Artium ab. Der Autor selbst lebt in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung, weshalb er die Dynamiken, Unterschiede und Schwierigkeiten einer solchen herausarbeiten wollte und welche ihn motivierte, die Lebenswirklichkeit Homosexueller in unserer Gesellschaft zu thematisieren.

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