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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 03.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 100
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Nordkorea ist ein einzigartig ambivalenter Staat. Die Machtelite der selbst ernannten Demokratischen Volksrepublik Korea (DVRK) schafft es einerseits kaum, die Bevölkerung adäquat mit Nahrungsmitteln zu versorgen, leistet sich andererseits aber einen der weltweit stärksten Militärapparate, der seit Oktober 2006 offiziell über Atomwaffen verfügt. Das totalitäre Kim-Regime ist ständig bestrebt, das Land von äußeren Einflüssen abzuschotten. In der Einschätzung der sicherheitspolitischen Implikationen Nordkoreas existieren bislang ambivalente Aussagen. Einige Beobachter ordnen dem Land vor allem auf Grund seiner Aufrüstungspolitik, der Unberechenbarkeit seiner Machteliten und der historisch mitunter stark belasteten Beziehungen zu dessen Anrainerstaaten den Status eines regionalen Krisenherdes zu. Andere Experten stufen die DVRK schon wegen der nuklearen Ambitionen der politischen Führung und der damit verbundenen Gefahren als internationales Sicherheitsrisiko ein. Die Isolationspolitik des Kim-Regimes ist auch das Resultat einer konsequenten Umsetzung der Juche-Ideologie, deren historische Wurzel der koreanische ‚Nationalismus’ ist und deren zentrale Zielvorgabe ‚Souveränität’ die Grundlage für alle innen- und außenpolitische Entscheidungen zu bilden scheint. In der vorliegenden Studie soll der Frage nachgegangen werden, welchen Einfluss die Juche-Ideologie auf die Außen- und Sicherheitspolitik Nordkoreas ausübt.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel III., Endogene Faktoren nordkoreanischer Außen- und Sicherheitspolitik: 1., Die Juche-Ideologie: Die Geschichte der koreanischen Halbinsel ist seit jeher von starken nationalistischen Einflüssen geprägt. Vor allem der Wunsch nach Autonomie und einer eigenen nationalstaatlichen Identität ist tief im koreanischen Selbstverständnis verwurzelt. Darüber hinaus existiert eine latente, ebenfalls historisch bedingte Angst vor Fremdbestimmung und Okkupation. Vor dem Hintergrund der japanischen Kolonialisierung Koreas (1910-1945) und der späteren Teilung der Halbinsel in Nord- und Südkorea (seit 1953) ist dies kaum überraschend. Bis heute empfinden Nordkoreaner die Unterwerfung durch das japanische Kaiserreich als nationale Demütigung und Herabsetzung. Dass dem so ist, liegt nicht zuletzt auch daran, dass die nordkoreanischen Eliten bereits unmittelbar nach dem Abzug der japanischen Besatzer damit begannen, diesen als Beleg für die überlegende Ideologie und die Entschlossenheit ihres Führers Kim Il-sung zu instrumentalisieren. Kims Betonung der traumatischen Erfahrungen der einst besetzten Nation förderte die Bereitschaft der nordkoreanischen Bevölkerung zur Abschottung gegenüber dem Rest der Welt, indem bewusst mit der Furcht vor einer erneuten Okkupation gespielt wurde. Eine perfide Taktik, die, wie im Verlauf der Studie deutlich werden wird, bis heute vom Regime in Pjöngjang systematisch angewendet wird. 1.1, Entstehung des Juche: Für das Verständnis der nordkoreanischen Gesellschaft und des gesamten Staatsapparates ist es unumgänglich, sich mit der von Staatsgründer Kim Il-sung formulierten Staatsdoktrin, der Juche-Ideologie (auch Chuch´e-Ideologie oder Dschutsche-Ideologie), auseinanderzusetzen. Unmittelbar nach der Kapitulation der japanischen Invasoren am 15. August 1945 und dem Abzug der sowjetischen Truppen, der drei Jahr später erfolgte, begann Kim Il-sung vorerst im Geheimen damit, eine eigenständige Ideologie zu entwickeln, die sich zwar am Zentralismus des Marxismus-Leninismus orientierte, aber gleichsam den historischen Besonderheiten der koreanischen Gesellschaft Rechnung tragen sollte. Zentrale Zielvorgaben waren die Festschreibung eines alleinigen Bestimmungsrechts der Koreaner, bei gleichzeitiger Negierung äußerer Einflüsse. Daraus resultierte eine stark nationalistisch eingefärbte Ideologie, welche die eigenen Interessen grundsätzlich über die der anderen stellt. Die besondere Bedeutung des Nationalen hat Kim Il-sung in seinen Reden immer wieder hervorgehoben, während er gleichzeitig die Verehrung nichtkoreanischer Führer, Regierungen und Ideologien kritisierte. Die historischen Begleitumstände der Entstehungsgeschichte des Juche erklären deren Eindimensionalität. Der Korea-Krieg und die drohende Niederlage gegen den Süden hatten tiefe Spuren bei Kim Il-sung und seinen Gefolgsleuten hinterlassen. Die 1956 von Chruschtschow eingeleitete Entstalinisierung der KPdSU und die damit verbundene Öffnung der Sowjetunion für eine Politik der friedlichen Koexistenz von Sozialismus und Kapitalismus befremdeten das nordkoreanische Regime. Die einsetzende Entspannung der Beziehungen zwischen West- und Ostblock ließen in Nordkorea gewichtige Zweifel daran aufkeimen, dass Moskau Pjöngjang bei einer erneuten militärischen Operation gegen Südkorea und die USA beistehen würde, wodurch ein zentrales Anliegen nordkoreanischer Politik, nämlich die Wiedervereinigung mit dem Süden, infrage gestellt wurde. Von der Volksrepublik China war zu dieser Zeit keine Hilfe zu erwarten, da sich das ‘Reich der Mitte’ selbst in einem existenziellen Konsolidierungsprozess befand und seinerseits auf Unterstützung von außen angewiesen war. Unter dem Eindruck der Schwäche der Verbündeten stellte Kim Il-sung am 28. Dezember 1955 in einer Rede vor Mitarbeitern für Parteipropaganda und Agitation erstmals die Juche-Ideologie mit folgender Erklärung vor: ‘Wir vollziehen nicht die Revolution irgendeines fremden Landes, sondern eben die koreanische Revolution. Und die koreanische Revolution ist das Juche in der ideologischen Arbeit unserer Partei. Aus diesem Grund ist die gesamte ideologische Arbeit den Interessen der koreanischen Revolution unterzuordnen’. Die Fortentwicklung der Juche-Ideologie durchlief in der Folgezeit mehrere Phasen. Nachdem in den frühen 1970er Jahren das ‘philosophische Prinzip’ des Juche, der Herr ist Mensch über alles und entscheidet alles, proklamiert wurde, fand die Kodifizierungsphase mit Kim Il-sungs Werk ‘Über die Juche-Idee’, das 1982 anlässlich seines 70. Geburtstages publiziert wurde, ihr Ende. In der daran anschließenden Expansionsphase wurden die Idee und die zentralen Leitprinzipien des Juche adaptiv weiterentwickelt. 1.2, Leitprinzipien des Juche: Die Juche-Ideologie galt zunächst als koreanische Adaption des sowjetischen Marxismus-Leninismus-Ansatzes, ersetzte diesen aber spätestens 1977, als sie offiziell als Leitbild der Demokratischen Volksrepublik Korea in der Verfassung verankert wurde. In den 1940er Jahren von Kim Il-sung entwickelt und erstmals 1955 auf einem Parteitag der PdAK erwähnt, spiegeln sich die Prinzipien des Juche seither in jeder politischen Äußerung des Regimes wider. Grundidee des Juche ist die Überlegenheit des Kollektivs über das Individuum und die Betonung der Fähigkeit zu selbstbestimmten Handeln, ohne auf die Interessen äußerer Akteure achten zu müssen. Auch wenn die Schriften Kim Il-sungs und Kim Jong-ils zum Juche und deren Interpretationen inzwischen mehrere Hundert Bände umfassen, lassen sich grundlegende Gedanken und zentrale Leitlinien identifizieren, die stets wiederkehren. Über allem thront das Leitprinzip der Unabhängigkeit, welches durch vier Begriffe konkretisiert wird: Juche als Staatsideologie, Unabhängigkeit in der Politik, Selbstvertrauen in der Wirtschaft, Selbstverteidigung in militärischen Angelegenheiten. Die unter Punkt 2 genannte ‘Unabhängigkeit in der Politik’ ist dabei nicht mit individueller Freiheit des Einzelnen gleichzusetzen. Im Gegenteil: Nach nordkoreanischer Lesart und den marxistisch-leninistischen Paradigmen folgend, hat sich der Einzelne dem Willen des Kollektivs unterzuordnen, da sich die Interessen der Volksmassen auf die des Individuums übertragen und nicht umgekehrt. Das Volk benötigt wiederum eine Führung beziehungsweise einen Führer, der den vermeintlichen Willen der Massen kanalisiert und politisch umsetzt. Somit ist die Existenz des Führers der Garant für die souveräne Entfaltung des Einzelnen. Die nordkoreanische Staatsideologie erhebt das koreanische Wesen und die Entfaltung des freien Willens zwar vordergründig zum höchsten Gut, insistiert aber gleichzeitig, dass diese erst durch das Handeln des Führers ermöglicht wird. Diesem ist deshalb jeder Nordkoreaner zu absoluter Loyalität verpflichtet, eine Staatsbürgerpflicht, mit der die Nordkoreaner bereits im frühesten Kindesalter systematisch vertraut gemacht werden. Der Versuch einer politischen Einflussnahme des Einzelnen oder einer kleinen Interessengemeinschaft wird in Nordkorea daher als asozialer Egoismus abqualifiziert und geächtet, gemäß der verqueren Logik des Regimes: Wer für die eigene Freiheit kämpft, ist Gegner der Freiheit aller. Der in den Leitprinzipien des Juche auftauchende Aspekt der Kreativität, der vordergründig eine gewisse Interpretationsbreite des politischen Handelns impliziert, ist deshalb auch ausschließlich auf den politischen Führer bezogen und wird nicht etwa der Bevölkerung zugestanden. Das Grundprinzip der Autokratie findet seine Beschränkung in der Pflicht des Individuums zur Integration in das Kollektivinteresse des Volkes. Weil der Mensch ein soziales Wesen ist, so die Wende des Juche ins Totalitäre, ist nicht das Individuum, sondern einzig und allein der Gemeinschaftswille entscheidend. Die Deutungshoheit darüber, was der Gemeinschaftswille ist und dessen Umsetzung, obliegt jedoch einzig und allein dem Staatschef. Das Freiheitsideal westlicher Prägung, das auf eine größtmögliche Freiheit des Einzelnen abhebt, wird deshalb in Pjöngjang als Verrat an den Idealen der Gemeinschaft abgetan. Nach dem Wegfall der Bipolarität unternahm das nordkoreanische Regime erhebliche Anstrengungen, um die Juche-Ideologie aus dem Abwärtsstrudel der marxistisch-leninistischen Ideen herauszulösen. Der Devise ‘Unsere Nation zuerst’ folgend, versuchte man ihr einen noch stärkeren nationalistischen Anstrich zu geben. Nach seiner Machtübernahme im Jahr 1994 verknüpfte Kim Jong-il das ideologische Leitprinzip der Unabhängigkeit zudem immer stärker mit sicherheitspolitischen Fragen. Die Folge war eine Zuspitzung der Militarisierung der nordkoreanischen Gesellschaft und eine fortgesetzte Zementierung der Abschottung nach außen, wie im Folgenden ausgeführt wird.

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