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Politik

Stefan Schweizer

Gesellschaftspolitische Steuerung

Die Mikro-Makro-Verbindung

ISBN: 978-3-8366-6037-2

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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 04.2008
AuflagenNr.: 1
Seiten: 124
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Im vorliegenden Buch wird versucht, die Gesellschafts- und Staatstheorie des Bamberger Soziologen Richard Münch mit dem Theoriemodell Strukturelle Kopplung zu verknüpfen. Bei der Rekonstruktion der münchschen Gesellschaftstheorie wird besonderer Wert auf annähernde Vollständigkeit gelegt, da nur eine vollständige Rekonstruktion der münchschen Gesellschaftstheorie die theorieimmanenten engen Relationen der einzelnen Teilkonzepte erhalten und sichtbar machen kann. Die erste, konkrete Forschungsfrage lautet: - Sind die gesellschafts- und steuerungstheoretischen Partialkonzepte Richard Münchs mit dem Theoriemodell Strukturelle Kopplung kompatibel bzw. kommensurabel? Würde diese Frage eindeutig oder auch partiell mit ja beantwortet werden können, so wäre das daraus resultierende (abstrakt formulierte) Ziel, aus den übernommenen Konzepten bzw. den darin implizierten Kenntnissen Münchs, möglichst viel über problembezogene Steuerungsthematiken sozialer Systeme (durch das politische System) zu gewinnen. Eine zweite, weniger konkret formulierte Forschungsfrage würde sich der ersten anschließen: - Wie wäre bzw. ist (dann) soziopolitische Steuerung unter der Bedingung struktureller Kopplung möglich? Diese zweite Forschungsfrage kann im Rahmen dieser Monographie nicht ausführlich, sondern nur periphär thematisiert werden.

Leseprobe

Kapitel 5.2, Differenzierung als signifikantes Kennzeichen moderner Gesellschaften: Der amerikanische Soziologe Talcott Parsons übertrug den originär biologischen Evolutionsgedanken auf die Gesellschaft und postulierte zwei Merkmale, die seiner Theorie zufolge (analytisch) für gesellschaftliche Evolution verantwortlich sind: Differenzierung und Interaktionsmedien wie z.B. Geld und Macht. So wurden bereits in Kapitel 5.1 einige wichtige (historische) Entwicklungsschritte der (historisch) zunehmenden Differenzierung dargelegt. Ob diese zunehmende Differenzierung tatsächlich im evolutionären Sinne mit Fortschritt gleichzusetzen ist, sei dahingestellt. Dies hängt sicherlich von der Definition von Evolution ab ist diese in einem teleologischen Sinn vorgenommen, so erscheint mir die Begriffsverwendung nicht unproblematisch. Benutzt man den Evolutionsbegriff wissenschaftstheoretisch ohne teleologische Konnotation, so kann man sicherlich noch weitergehen und sogar von sozio-kultureller Evolution als einem nie endendem Entwicklungsprozeß reden, bei dem es kein eigentliches (normatives) Telos gibt. Die zunehmende Komplexität moderner Gesellschaften zeichnete sich hauptsächlich für deren zunehmende funktionale Differenzierung verantwortlich. Diese zunehmende gesellschaftliche Komplexität wird als besonders gravierendes Charakteristikum moderner Gesellschaften angesehen. Ferner ist zu konstatieren, daß die funktionale Differenzierung alle modernen Gesellschaften betrifft, sie also einen unvermeidlichen Gradmesser für gesellschaftliche Modernität darzustellen scheint. Steigende bzw. starke Komplexität ist hier in einem recht weit gefassten Sinne zu verstehen, welcher von der Zunahme von Handlungsmöglichkeiten bis zur möglichen Institutionalisierung reicht. Anders ausgedrückt: Steigende Komplexität erfordert steigenden Problemregelungs- bzw. Problemlösungsbedarf. Diesem Lösungsbedarf wird durch funktionale Differenzierung versucht gerecht zu werden. Die Pointe bzw. der Antagonismus funktionaler Differenzierung in diesem Verständnis liegt darin, daß funktionale Differenzierung zunächst der Komplexitätsreduktion dient, selber aber dann wieder Komplexiät steigert. Zunehmende Weltkomplexiät bedeutet für die gesellschaftliche Realität zunächst, daß die Menge tatsächlicher und überproportional die Menge möglicher Institutionen, die Menge tatsächlicher und überproportional die Menge möglicher sozialer Gruppierungen, die Menge realisierter und überproportional die Menge möglicher Werte, Normen, Rollen und Interessen, die Menge von Widersprüchen zwischen Handlungen, Interaktionen, Institutionen, sozialen Gruppierungen, Werten, Normen, Rollen und Interessen ansteigt. Dieser potentiell und real mögliche Anstieg von Handlungen, Institutionen etc. resultiert aus dem bereits erwähnten Versuch, gestiegene Komplexität zu bewältigen. Gleiches läßt sich über die Differenzierung der verschiedenen sozialen Systeme wie Politik, Wirtschaft, Kultur und Gemeinschaft sagen. Dieser zunächst analytischen Trennung sozialer Systeme kann man hinzufügen, daß parallel dazu auch institutionell lokalisierbare, sogenannte ausdifferenzierte Systeme existent sind. Diese nämlich in ihrer empirischen Ausprägung existenten Institutionen sind für Münch allerdings keine Garantie für die Einhaltung einer sauberen praktischen (bzw. empirischen) Trennung zwischen diesen Bereichen und Systemen. Es ist für ihn auf der empirischen Ebene eher das Gegenteil zu antizipieren. Die steigende Komplexität führt zu wachsendem Entscheidungs- und wohl auch Steuerungsbedarf, der nur durch die Modellierung der Gesellschaft als Gebilde aus unterschiedlichen sozialen Teilen bewältigt werden kann. Diese durch funktionale Differenzierung hervorgebrachten unterschiedlichen sozialen Teile sind dann auf die Erfüllung spezifischer Funktionen spezialisiert. Die Erfüllung dieser spezifischen Funktionen betrifft die Komplexitätsreduktion der Realität. Die gestiegene Komplexität und den darin implizierten - auch angestiegenen - Regelungs- und Steuerungsbedarf sollen die ausdifferenzierten sozialen Teilsysteme bewältigen. Jeder ausdifferenzierte gesellschaftliche Bereich ist nun auf die Lösung ganz bestimmter Problemstellungen spezialisiert. Spezialisierung bzw. Rationalisierung trägt zunächst einmal (vermeintlich) zu einer gestiegenen Problemlösungskompetenz bei. Insgesamt wird also durch die Herausbildung ausdifferenzierter und spezialisierter Subsysteme einer adäquaten Lösung des wachsenden Entscheidungsbedarfs Rechnung getragen, denn Entscheidungen werden auch gesamtgesellschaftlich am besten durch auf bestimmte Thematiken spezialisierte Teilbereiche geleistet. Durch die bereits mehrfach erwähnten Differenzierungsleistungen werden relativ unabhängige Subsysteme und Sphären des Handelns herauskristallisiert. Weiterhin konstituierend begünstigendes Merkmal von Differenzierung und moderner Kultur ist die Dynamik der Entwicklung, welche beinahe allgegenwärtig ist. Dieses Kriterium unterscheidet moderne von archaischen Kulturen, wo ein Verharren und Erstarren in tradierten Bahnen üblich ist. Geht man nun wie bisher alleinig davon aus, daß diese differenzierten, unabhängigen Subsysteme und Handlungssphären ihre speziellen Funktionen der Komplexitätsbewältigung und Saturierung des Entscheidungsbedarfs erfüllen, so müßte man als Folgewirkung gesellschaftliche Fragmentierung und Zersplitterung bis zur Unkenntlichkeit annehmen. Diese Annahme wiederum würde aber der unter dem Stichwort funktionale Differenzierung impliziten Rationalität zuwiderlaufen, ja sie sogar zum größten Teil konterkarieren: Nach dieser Logik (gemeint sind die gerade eben beschriebenen Konsequenzen der Differenzierung in Subsysteme inklusive deren Auswirkungen für gesellschaftlichen Zusammenhalt, S.S.) müßte die Entwicklung der Handlungssphären (und Subsysteme, S.S.) zwangsläufig zu einer immer reineren Herausbildung ihrer Eigengesetzlichkeiten führen, bis hin zu einem Endzustand der vollständigen Rationalisierung, in dem Gesellschaft in Sphären zerfällt, die nichts mehr gemein haben außer dem abstrakten Konzept der Rationalität selbst. Es gibt in einer solchen Gesellschaft keine Brücke zwischen den nach jeweils eigenen Gesetzen rationalisierten Sphären. Das dermaßen angedeutete Endergebnis einer so verstandenen und vollendeten funktionalen Differenzierung wäre also der unter dem Begriff der Rationalität vor sich gehende Zerfall der Gesellschaft in Teilsphären, zwischen denen keinerlei Interaktionen mehr vonstatten ginge. Im eben beschriebenen Sinne würde Differenzierung zu einer fragmentierten gesellschaftlichen Desintegration führen. Der Systemtheoretiker Willke propagiert bzw. postuliert beispielsweise genau dieses, denn er konstatiert nicht nur: Überblicken wir die immensen Schwierigkeiten, die sich einer Reintegration hochkomplexer Sozialsysteme - bei Erhaltung ihrer Komplexität und Differenzierung! - entgegenstellen, so wird die Vermutung plausibel, daß die herkömmlichen Integrationsmechanismen inzwischen überfordert sind, sondern auch die Unmöglichkeit der Integration einer vielfältig differenzierten Gesamtgesellschaft zu einem einheitlichen, handlungsfähigen und entwicklungsfähigen Ganzen, wobei seinerseits besonders hervorgehoben wird, daß es hinsichtlich des Problems einer in isolierte Aspekte und Komponenten zerfallenen Gesellschaft, deren Teilsysteme einander kaum zur Kenntnis nehmen, keine überzeugenden Lösungsvorschläge gibt. Eine zu antizipierende langfristige gesellschaftliche Folgeerscheinung einer solchen Einschätzung wäre wohl die vollständige Desintegration und Auflösung einer Gesellschaft. Man kann festhalten, daß Münchs Verständnis der funktionalen Differenzierung zu dieser Auffassung Willkes beinahe diametral ist. Und dies sowohl empirisch als auch normativ. So konstatiert Münch: Die Tatsache, daß es sich bei den sozialen Systemen um institutionell abgegrenzte und ausdifferenzierte Subsysteme der Gesellschaft handelt, bedeutet nicht, daß sie sich nicht gegenseitig beeinflussen, und auch nicht, daß sie in einem horizontalen Verhältnis zueinander stehen. Soweit die modernen Gesellschaften ein integriertes und dennoch wandlungsfähiges System bilden sollen, müßten diese Systeme in einem Verhältnis zueinander stehen, in welchem jedes Subsystem die aus der Art seiner Struktureigenschaften erfüllte Funktion (Generalisierung, Spezifikation, Öffnung, Schließung) in bezug auf die drei anderen Subsysteme ausübt. Als ein weiteres Beispiel gegen die zu stark interpretierte Autonomie von Subsystemen wird der moderne rationale Kapitalismus angeführt, in welchem das Subsystem der reinen Nutzenorientierung im ökonomischen Austausch durch Interpenetration mit den nicht-ökonomischen Systemen des sozial-kulturellen Diskurses, der Vergemeinschaftung und der kollektiven Zielsetzung verkettet ist. Es wird behauptet, daß die Rationalisierung des ausdifferenzierten ökonomischen Systems keineswegs zur Herausbildung einer vollständig eigenständigen Sphäre führt, welche gegenüber anderen Sphären absolute Autonomie beansprucht. Das Gegenteil ist der Fall, denn die verschiedenen Subsysteme und deren Interpenetrationen zwischen den Sphären (bzw. Subsystemen) sind nötig, um überhaupt erst die ökonomische Rationalität des ökonomischen Systems zur Entfaltung kommen zu lassen. Die diesen Ausführungen zugrundeliegende Thematik der Interpenetration wird noch ausführlichst zu diskutieren sein (vgl. Kapitel 5.4). Die einzelnen Subsysteme können also nicht völlig alleine vor sich hin existieren, da sie auf Interaktion mit anderen Subsystemen angewiesen sind. Pointiert ausgedrückt kann man sagen, daß nach Münch die funktionale Differenzierung nicht zu einer Verselbständigung der sich herausbildenden einzelnen sozialen Subsysteme (Institutionen etc.) führt, sondern zu einer mit dem (an späterer Stelle genauer erläuterten) Begriff der Interpenetration gekennzeichneten Interaktion der einzelnen Subsysteme. Schimank umschreibt diesen Sachverhalt in Bezug auf Luhmann und Münch treffend: Münchs These einer zunehmenden Interpenetration der gesellschaftlichen Teilsysteme bedeutet nicht, wie er (Luhmann, S.S.) meint: entsprechend abnehmende Differenzierung. Sondern die These reflektiert zunehmende wechselseitige Abhängigkeiten zwischen den Teilsystemen, ohne daß diese dadurch Autonomieeinbußen erlitten. Herauszuheben bleibt, daß funktionale Differenzierung in diesem (zu Luhmann diametralen) Verständnis keine Abschottung der durch sie herausgebildeten Subsysteme untereinander bedeutet. Damit hebt sich Münch zwar nicht sonderlich entscheidend in seinem Verständnis der funktionalen Differenzierung von der allgemein-herrschenden Lehre ab, aber er schlußfolgert aus der funktionalen Differenzierung ein - noch ausführlich zu beschreibendes - interdependentes Interaktionsverhältnis zwischen den sozialen Systemen und den verschiedenen Handlungssphären. Nach Münch wird Differenzierung sogar durch Interpenetrationen von Subsystemen mitbedingt.

Über den Autor

Dr. Stefan Schweizer: Studium der Politikwissenschaft und Germanistik von 1994 bis 2001 an den Universitäten Tübingen und Stuttgart. 2003 Promotion mit Politische Steuerung selbstorganisierter Netzwerke, erschienen im Nomos Verlag. 2008 opus magnus Anthropologie de Romantik im Schöningh Verlag. Tätigkeit als Studienrat und Lehrbeauftragter u.a. am Staatlichen Seminar für Didaktik und Lehrerbildung Stuttgart (BS) im Fach Geschichte/Gemeinschaftskunde.

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