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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 09.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 108
Abb.: 8
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die indigenen Organisationen in Ecuador treten zwar als eine einheitliche Bewegung auf, gleichzeitig sind sie innerhalb der Organisationsstruktur jedoch autonome Gruppierungen, die unterschiedliche Interessen verfolgen. Diese Studie untersucht anhand der Kritischen Diskursanalyse nach Siegfried Jäger (2004), wie sie sich gegenüber der Fremd- und zugleich Majoritätsgruppe des ecuadorianischen Staates beziehungsweise der Mestizenbevölkerung abgrenzen und ob es zu einer Abwertung dieser Gruppen kommt. Zugleich wird analysiert, ob sich die indigenen Organisationen untereinander oder sogar von ihrer Basis, der indigenen Bevölkerung, abgrenzen. Der analytische Fokus dieser Arbeit liegt dabei auf den sogenannten ‘pequeños grupos absolutamente minoritarios’, den indigenen Organisationen, die diese Bewegung in Ecuador anführen und Träger des indigenen Diskurses sind. Die Untersuchungsgrundlage dieser Studie sind Vorstellungstexte der indigenen Organisationen, die auf den Internetpräsenzen der jeweiligen Organisationen weltweit öffentlich zugänglich sind. Die Internettexte bilden den Materialkorpus der Diskursanalyse und stellen die diskursive Ebene dar, von der aus gesprochen wird und durch die die Positionen der indigenen Organisationen ersichtlich werden. Die Ergebnisse der diskursanalytischen Untersuchung werden dann im Hinblick auf die Strategien zur Intergruppenabgrenzung und auf die Funktionen von sozialen Stereotypen für Gruppen nach Henri Tajfel interpretiert.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2, Die indigenen Organisationen in Ecuador: Das folgende Kapitel gibt nicht nur einen historischen Überblick über die Entstehung der indigenen Organisationen und über den Ausbau einer Organisationsstruktur mit den wichtigsten indigenen Akteuren, es thematisiert auch die Etablierung des indigenen Diskurses in der ecuadorianischen Öffentlichkeit. Überdies schildern die anschließenden Abschnitte die konfliktreiche Beziehung zwischen den indigenen Organisationen und dem ecuadorianischen Staat. Des Weiteren wird anhand der konstruktivistischen Ethnizitätstheorie erläutert, wie eine einheitliche, nationale und indigene Bewegung entstehen konnte, die in den 1980er und 1990er Jahren durch medienwirksame Aufstände und strikte Forderungen national und international auf sich aufmerksam machte. 2.1, Die Konquista und ihre Folgen: Als 1527 Francisco Pizarro mit seiner Expedition an der Westküste Ecuadors auf die heutige Stadt Manabí stieß, herrschte das Inka-Imperium, das sich über die heutigen Staaten Chile, Argentinien, Peru und Bolivien bis hin nach Ecuador erstreckte. Pizarro blieb nur eine kurze Zeit an der Westküste, bis er nach Spanien umkehrte, um die königliche Erlaubnis und die nötige Finanzierung für eine weitere Expedition zu erbitten. 1531 kehrte er zurück und landete mit seinen Soldaten im heutigen Tumbes (Peru). Von dort kommandierte er seine Expedition ins Landesinnere. Der Prozess der Konquista setzte ein (vgl. Feser 2005: 83f.). Tzvetan Todorov beschreibt die Konquista als den ‘größten Völkermord in der Geschichte der Menschheit’ (Todorov 1982: 13). Dabei steht für ihn die direkte Tötung, also im Verlauf des Krieges oder abseits von Kriegshandlungen, nicht an erster Stelle der Ursachen für die erhebliche Zahl der Opfer. Vielmehr sind für ihn die unmenschliche Behandlung der versklavten Einheimischen, die schlechten Arbeitsbedingungen und ein unerträglicher Arbeitsrhythmus die Ursachen, die zu einem schnellen Tod der Bevölkerung führten. Weitere Folgen der Versklavung waren, dass sich die Bevölkerung, aus Angst einen Sklaven zu zeugen, nicht fortpflanzte. Als dritte Ursache der Dezimierung der einheimischen Bevölkerung nennt Todorov den Tod durch Krankheiten. Die ausgelaugte Bevölkerung war körperlich anfällig für Erreger (vgl. Todorov 1982: 162ff.). Die Situation der verbliebenen indigenen Bevölkerung änderte sich in den darauffolgenden Jahrzehnten bis ins 20. Jahrhundert hinein nicht. Die einheimische Bevölkerung, Frauen wie auch Männer, arbeiteten als Huaspungeros, als unbezahlte Arbeiter, die von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang ihren Lehnsherren auf den Großgrund-Haziendas zu dienen hatten. Ihre Arbeitsbereiche waren die Landwirtschaft und der Ackerbau, der Minenbau sowie die Textilherstellung und das Handwerk. Das Prinzip der Leibeigenschaft bot der spanischen Krone die Möglichkeit, Produktion, Einkommen und Steuerabgaben zu sichern und zugleich die Kontrolle und Herrschaft über die indigene Bevölkerung zu erhalten. Meistens arbeiteten die Angehörigen einer indigenen comunidad auf einer Großgrund-Hazienda. Diesen comunidades wurden Missionare zugesprochen, die die Evangelisierung für die Einheimischen vorantreiben sollten (vgl. Garcés Dávila 1992: 50f.). Wenn hier von der indigenen Bevölkerung gesprochen wird, die unter der spanischen Kolonialherrschaft litt, ist der Großteil der Indigenen, die im südöstlichen Amazonasgebiet lebten, ausgenommen. Die Eroberer trafen vor allem auf die einheimischen Bewohner der Anden- und Küstenregion und des nördlichen Amazonasareals, auch Quijos genannt. Die Bevölkerung des Amazonasgebiets blieb von den Eroberungsversuchen verschont und wurde erst ab 1960 durch die Entdeckung der Naturressourcen im Amazonasgebiet in ihrer Existenz bedroht (vgl. ebd.: 58). 2.2, Die Entstehung indigener Organisationen - Costa, Sierra und Oriente: Während des 19. Jahrhunderts bis hin zur Mitte des 20. Jahrhunderts waren Aufstände der Sklaven und Landarbeiter auf den Haziendas an der Tagesordnung. Die schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen und der damit einhergehende körperliche Zerfall führten zum Widerstand der indigenen Arbeitskräfte. Dabei versuchten sich die Sklaven verschiedener Haziendas zu verbünden und gemeinsam Widerstände zu planen. Es entstanden lokale Gruppierungen, die sich bemühten, unter der Kolonialherrschaft zu existieren (vgl. Moreano 1993: 218ff.). Diese Gruppierungen und ihre Resistenz wuchsen besonders in den 1940er und 1950er Jahren, als das System der Großgrundbesitzer in eine Krise stürzte. Die Modernisierung Ecuadors und der Nachkriegsboom in den Vereinigten Staaten erhöhten die Nachfrage nach Arbeitskräften sowie Produkten, vor allem nach Bananen und Kakao. Diese wirtschaftliche Entwicklung brachte das starre Herrschaftssystem auf den Haziendas ins Wanken. Die Kommunen forderten die Modernisierung und Öffnung des Systems der Haziendas. Diese Umbruchphase wurde von den indigenen Arbeitskräften genutzt, um sich weiter zu vernetzen und Proteste zu realisieren. Anfang der 1960er Jahre ging die Nachfrage nach Exportgütern in Ecuador zurück und die Wirtschaft fiel in eine Rezession. Besonders im Anden- und Küstengebiet förderte die schlechte Lage den Zusammenhalt der Huaspungeros in Gewerkschaften. Angeregt durch die kubanische Revolution forderten sie in den ersten Aufständen im Jahr 1961 die Abschaffung des Großgrundbesitzertums und der Sklaverei. Diese Forderungen wurden in der Agrarreform von 1964 weitgehend erfüllt (vgl. Albó 2008: 120ff.). 1963 kam eine militärische Regierung an die Macht, die den Kommunismus und alle ihm angeschlossenen Organisationen als verfassungswidrig erklärte. Durch die von ihr verabschiedete Agrarreform von 1964 sollte zum einen dem bäuerlichen Protest entgegen gewirkt und das Großgrundbesitzerregime beendet werden. Zum anderen sollte der Agrarsektor dem Weltmarkt angepasst und einer Modernisierung unterzogen werden. Die leibeigenen Landarbeiter sollten mit dieser Reform zu Kleinbauern und Landeigentümern werden. Auch wenn die Verteilung des Landes pro Kleinbauer minimal ausfiel (rund 3,5 Hektar pro Bauer) und die Qualität des Bodens oftmals schlecht war, da das fruchtbare Land in den Händen der Großgrundbesitzer blieb, wurde die Leibeigenschaft abgeschafft (vgl. Black 1999: 12). Die Abschaffung des Sklavensystems stimulierte eine Expansion der ökonomischen Aktivitäten der indigenen Bevölkerung. So wurden die indigenen Bauern zu Hauptlieferanten von Agrarprodukten. Außerdem stieg die Zahl derjenigen, die Folklore-Produkte anfertigten und verkauften. Diese wirtschaftlichen Aktivitäten förderten die soziale Differenzierung innerhalb der indigenen Bevölkerung: Es entstand eine kleine Mittelschicht, die die Produkte der indigenen Bauern vertrieb und sich von den armen, indigenen Landarbeitern abhob (vgl. Moreano 1993: 222f.). Die zweite Agrarreform im Jahr 1973 hatte geringere Auswirkungen auf die indigene Bevölkerung in der Sierra und Costa als auf die Bevölkerung der Amazonasregion. Mit der Entdeckung des Ölvorkommens im Oriente kam ein großer Migrationsstrom von Bauern in diese Region. Die zweite Agrarreform regelte die Zuschreibung von Parzellen an diese Siedler. Denn die Regierung sah den Ölexport als Alternative zu der in der Krise steckenden Agrarwirtschaft und wollte der Migration ins Amazonasgebiet nachhelfen. Zudem unterstützte die Militärregierung die Abwanderung der Bauern durch den Bau eines Straßennetzes und einer technischen Infrastruktur im Amazonasgebiet. Das Ölgeschäft boomte. Der Export von Petroleum stieg ab 1970 von 204.600 Barrel auf 45 Millionen Barrel im Jahr 1981 an (vgl. Black 1999: 15f.). Schon vor dem Ölboom existierten indigene Gruppierungen im Oriente. Doch erst der zunehmende Ölabbau mit seinen Folgen war der Auslöser für die stärkere Gruppenvernetzung. Ein weiterer Effekt der beiden Agrarreformen war das entstandene Gesetz Ley de Organización y Régimen de Comunas, das die Zusammenschlüsse der indigenen Gemeinden zu provinzialen Verbänden legalisierte und somit eine Organisationsbildung vorantrieb (vgl. Sánchez-Parga 2007: 81). Die durch das koloniale Herrschaftssystem zerstörten Strukturen der comunidades wurden durch dieses Gesetz wiederbelebt. Die comunidades bildeten einen Raum, in dem sich die indigene Bevölkerung unter extremen Bedingungen in der nationalen Wirtschaft solidarisch füreinander einsetzte. Die indigene Mittelschicht erlebte durch den Handel mit Erzeugnissen und Folklore-Produkten indigener Bauern den Aufstieg in die nationalen und internationalen Märkte. Innerhalb dieser Mittelschicht entwickelte sich eine indigene intellektuelle Elite, die Universitäten im In- und Ausland besuchte und für das Erstarken der indigenen Bewegung eine wichtige Rolle spielte und immer noch spielt (vgl. Moreano 1993: 224f.). Diese intellektuelle Elite ist die Brücke zwischen den indigenen comunidades und dem Staat, die für die Entstehung der indigenen Bewegung notwendig war. Denn durch den Zusammenstoß mit der Mestizenkultur konnte sich der indigene Diskurs formen: Dadurch, dass die eigene ethnische Identität der Mestizenidentität gegenüberstellt wurde, konnten die Unterschiede der indigenen zur mestizischen Lebenswelt thematisiert und die Forderungen nach Anerkennung und Gleichberechtigung artikuliert werden. Durch diese Elite, die zwischen der comunidad und dem Staat stand, konnte der indigene Diskurs auf nationaler und internationaler politischer Ebene eingeführt werden und sich um 1970 in ganz Lateinamerika ausbreiteten. Um die 1980er Jahre bildete sich die indigene Bewegung, die von den indigenen Organisationen getragen wurde und den indigenen Diskurs nutzte, um sich zu legitimieren. Die indigenen Organisationen regten politische Diskurse an und erschufen Strategien, um die indigene Bevölkerung zu mobilisieren und so die Regierung zum Handeln zu zwingen (vgl. Caudillo Félix 2005: 46-51).

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