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Politik

Rafael Schreiber

Lyrik zwischen Liebe und Politik

Der Rocksong bei Ton Steine Scherben – eine Analyse

ISBN: 978-3-8366-5665-8

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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 02.2008
AuflagenNr.: 1
Seiten: 120
Abb.: 7
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Populäre Musik ist ein Bestandteil unseres Lebens. Sie kommt beiläufig aus dem Radio und dem Fernseher oder wird von uns bewußt gewählt bei Konzerten oder gekauften Tonträgern. Populäre Musik ist in der Regel in Liedform ausgeprägt. Das Lied ist naturgemäß auch Träger von Texten, die uns, ähnlich wie das Lied selbst, manchmal erreichen und manchmal nicht. So viele Lieder, so viele Texte.Das zentrale Thema dieser Arbeit ist die Frage nach der Art und Weise der Darstellung bestimmter Inhalte in zum populäre Lied gehörenden Texten. Gleichzeitig werden allgemeine Besonderheiten dieser Liedtexte dargestellt. Der Fokus liegt hierbei auf der Gruppe Ton Steine Scherben, eine der ersten deutschsprachigen Rockbands in den siebziger Jahren, die aufgrund vieler politisch sehr radikaler und agitativer Liedtexte polarisierte. Die Liedtexte sollen in die Lyrik eingeordnet und nach der Art ihrer Gestaltung untersucht werden. Dazu wird zuerst die literaturhistorische Nähe von Lied und Lyrik sowie ihre parallele und manchmal gegensätzlich verlaufende Entwicklung dargestellt.

Leseprobe

Kapitel 1.3, Das populäre Lied: Das populäre Lied entwickelte sich Ende des 19. Jahrhunderts aus der Wiener Operette. Einzelne Lieder einer Operette kamen beim Publikum besonders gut an und wurden zu Gassenhauern , zu beliebten und populären Liedern. Daraus folgte, daß von vornherein Lieder auf ihre Funktion als Einzelstück hin komponiert wurden, die sogenannten Schlager (weil sie beim Publikum einschlugen ). Heute wird zwischen der ernsten (E-) Musik und der populären (U wie Unterhaltungs-) Musik unterschieden. Folgt man diesem Muster, dann ist an dem erwähnten Entwicklungspunkt des Schlagers aus der Operette der Übergang von E- Musik zu U- Musik zu beobachten. In den zwanziger Jahren wurde der Schlager durch den 1923 eingeführten Rundfunk einem breiteren Publikum zugänglich. Musikalisch drängten amerikanische Rhythmen und Liedformen auf den deutschen Markt (Cakewalk, Shimmy, Charleston) und wurden rasch populär. Kabaretts und Revuen wirkten dabei als Katalysatoren. Der deutsche Schlager griff die amerikanischen Einflüsse auf, brach sie aber auch ironisch. Viele in den zwanziger Jahren entstehende Schlager sind im Text von Spaß und Witz gekennzeichnet, häufig voller erotisch - frivoler Anspielungen. Text und Komposition lagen in der Regel in verschiedenen Händen, wobei üblicherweise die fertigen Melodien anschließend vertextet wurden. Wichtige Schlagertexter der zwanziger Jahre waren Fritz Löhner - Beda, Charles Amberg und Hermann Frey. Während des Dritten Reiches war die deutsche Schlagerproduktion von internationalen Einflüssen isoliert, jedoch nahm ihre Menge zu, sicher auch aufgrund der fehlenden ausländischen Konkurrenz. Die deutsche Schlagerproduktion war zu jener Zeit von etwa einem Dutzend Texter dominiert, so Bruno Balz ( Ich brech die Herzen der stolzesten Frau’n ) oder Hans - Fritz Beckmann ( Ich wollt’, ich wär ein Huhn ). Für die Verbreitung des Schlagers gewann der Tonfilm zunehmend an Bedeutung. Betrachtet man die populärsten Schlager der dreißiger und vierziger Jahre, so stellt man eine schematische Konzentration auf den Wechsel von Strophe und Refrain fest. Dies ist beispielsweise bei dem erwähnten Ich brech die Herzen der stolzesten Frau’n (1938), bei Veronika, der Lenz ist da (1930, Comedian Harmonists) oder dem umstrittenen Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen (1938, Text: Bruno Balz) der Fall. Hier stellt sich auch ein formeller Unterschied zum Song à la Tucholsky oder Brecht (vgl. Die Ballade von Mackie Messer ) dar. Nach dem Zweiten Weltkrieg wuchs der Einfluß US - amerikanischer Tanzstile und Rhythmen um ein Vielfaches. Insbesondere in der BRD lehnten sich Kompositionen und Arrangements oft stark an den Boogie - Woogie und den Swing an. Hierfür ist das Texter/Komponisten - Duo Evelyn Künnecke / Michael Jary beispielgebend. Wichtig für die Entwicklung des Schlagers ist seine Kopplung an den Interpreten in den fünfziger Jahren. Das Lied (zirkulierte) nur noch in Ausnahmefällen abgelöst von seiner Realisierung durch einen bestimmten Sänger oder eine bestimmte Sängerin. Dies hing auch mit dem Siegeszug der Schallplatte zusammen. Vorher war die kommerzielle Verwertung der Schlager an Notendrucke gekoppelt. Entweder der Privatmann oder Tanzkapellen spielten den Schlager auf ihre individuelle Weise. Jetzt wurden Sänger Stars, und allein deren Namen konnten für den Erfolg eines Liedes garantieren. Thematisch zentral war in den westdeutschen Schlagern der fünfziger und frühen sechziger Jahre der Themenkomplex Fernweh/Heimweh (wie Freddy Quinns Junge, komm bald wieder , 1962). Zeitreflexion und Zeitkritik fanden sich in den Schlagertexten selten. In Amerika entstand aus der Verknüpfung von Blues und Country - Music der Rock ’n’ Roll. Unter dessen Einfluß entwickelte sich in England der Beat. Amateurmusiker begannen, unabhängig von Plattenfirmen und kommerziellen Songschreibern, auf ihre individuelle Art den Rock ’n’ Roll nachzuspielen. Am erfolgreichsten waren die Beatles ab 1960. Aufgrund der unglaublichen Resonanz der Musik und der engen Verknüpfung von Jugendkultur und dieser Musik wurde der Schlager, wie er in Deutschland existierte, an den Rand der populären Musik gedrängt. Den Begriff Pop (-uläre Musik) besetzte jetzt eher der englische Beat und der amerikanische Rock (von Rock ’n’ Roll). In Westdeutschland spielten viele junge Bands die Beatles nach oder dichteten eigene englische Texte mit in der Regel mäßigem Erfolg. Deutsche Texte von deutschen Beat- oder Rockgruppen kamen fast gar nicht vor. Die sich in weitestem Sinne auf die Wurzeln des Rock ’n’ Roll beziehende Musik soll hier im folgenden einfach Rockmusik genannt werden. Der umfassendere Begriff Popmusik schließt zwar eigentlich Rockmusik mit ein. In der heute üblichen Begrifflichkeit von populären Musikstilen stehen sich Rock und Pop allerdings gegenüber, wobei Rock den Nimbus des Authentischeren , Ehrlicheren hat, während Pop als eher kommerziell ausgerichtet angesehen wird. Dies liegt unter anderem am Produktionsstil, der bei Rockmusik revolutionär war. Die Art und Weise der Rocksong - Produktion, beginnend beim englischen Beat, war bestimmt durch die kollektive Identität von Texter, Komponist, Arrangeur und Interpret in der Rockgruppe. , ganz im Gegensatz zur oben beschriebenen Schlagerherstellung. Zum anderen wurde die Rockmusik stark durch die amerikanische Folk- und Protestsongbewegung und deren Ikonen der 60er Jahre wie Bob Dylan politisiert. Eigentlich verschmolz die amerikanische Protestsongbewegung mit dem Rock. Dies führte zu einer erhöhten Relevanz der Texte eines Rocksongs, was also das generelle Bild von Anspruch und erwähnter Authentizität unterstützte. In der DDR wurde die Rock- und Beatmusik auf dem 11. Plenum des Zentralkomitees der SED 1965 verurteilt. Nichtsdestotrotz entwickelte sich eine Amateurszene, der sich um 1970 der Jugendverband FDJ als Schirmherr mit der Losung DDR konkret annahm. Gruppen wie die Puhdys , electra oder Panta Rhei entwickelten sich aus dieser nun offiziell legitimierten Richtung. Als wesentlich für die Texte der DDR - Rockmusik, die übrigens im Gegensatz zur BRD von Anbeginn durchgehend deutschsprachig waren, gelten die ausgesprochen metaphernreichen Texte. Die Ersten, die in der Bundesrepublik Rockmusik mit deutschen Texten machten, waren um 1970 auftretende Politrockgruppen, wie Ton Steine Scherben , Lokomotive Kreuzberg oder Floh de Cologne . Als Vorreiter der deutschsprachigen Rockmusik sind sie aufgrund der einseitigen und radikalen Haltung vieler Texte umstritten. Ein enormer kreativer Aufbruch erfolgte 1980/81 mit der Neuen Deutschen Welle (NDW), Tanzmusik mit unbekümmerten Texten und tendenzieller Nähe zum Schlager. Die Neue Deutsche Welle mit Gruppen wie Trio, DAF oder Geier Sturzflug war allerdings nach drei Jahren nahezu völlig verschlissen, aufgrund eines beispiellosen Vermarktungsfeldzugs , wie Peter Wicke schreibt. Hier kann man bereits den Unterschied zwischen Rock und Pop ausmachen. Rock versteht sich als traditionell (Rock ’n’ Roll- und Beattradition ist gemeint) und mit generell erhöhter Gewichtung auf den Texten. Demgegenüber wird Pop verstanden als eher mit modernen Produktionsmöglichkeiten (z.B. Synthesizer) gemacht und mit Texten, die sich eher an Singbarkeit und Einprägsamkeit orientierten ( Ich düse, düse, düse im Sauseschritt aus ‚Codo’ von D.Ö.F.). Dieser Unterschied ist allerdings ebensowenig trennscharf, wie der Unterschied von Rock und Pop überhaupt. Trotzdem ist die Neue Deutsche Welle der Start des deutschen Pop, und Pop bedeutet ab hier eben nicht mehr jede Form populärer Musik. Von der Neuen Deutschen Welle übriggebliebene Künstler wie Nena und Falco und einige neue Sänger wie Herbert Grönemeyer, Heinz - Rudolf Kunze oder Klaus Lage dominierten in den späten achtziger Jahren den westdeutschen Markt für deutschsprachigen Rock und Pop. Die ostdeutschen Bands verloren mit der Wiedervereinigung 1989 fast alle ihr Publikum, nur wenige wie Die Prinzen oder Keimzeit überlebten, andere zerbrachen und formierten sich aus den Splittern neu, wie z.B. Rammstein . Die populärmusikalisch größte Sensation der neunziger Jahre ist der Transport des ursprünglich amerikanischen Raps und Hip - Hops, also rhythmischen Sprechgesangs, auf die deutsche Sprache. Am Beginn des deutschsprachigen Hip - Hops stehen die Fantastischen Vier mit ihrem Lied Die da!? (1992), und sie zogen unzählige Gruppen nach sich. Der sprachliche Ausdruck, der elegante Umgang mit Reimen, die Suche nach unverbrauchten Formulierungen, also die sprachliche Originalität war und ist von zentraler Wichtigkeit für deutsche Rapper und Hip - Hopper. Hinter dieser Formfixierung scheinen Inhalte jedoch oft zurückzutreten. Politische Themen treten anteilig untergeordnet auf. Insgesamt könnte man sagen, daß Rap und Hip - Hop heute das musikalische Leitmotiv der Jugendkultur sind, so wie der Beat Anfang der sechziger Jahre.

Über den Autor

Rafael Schreiber, Lehramtsstudium an der Humboldt-Universität Berlin, Abschluss 2002. Zweites Staatsexamen 2004 in Berlin, seit 2005 als Lehrer für Deutsch und Informatik tätig, derzeit tätig an einem Hamburger Gymnasium

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