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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 11.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 120
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Mit den Hauptpersonen dieses Buches - Otto Schily und Christian Ströbele - beschäftigen sich zahlreiche wissenschaftliche Werke. Die vorliegende Studie ist jedoch das erste Buch, das sowohl die Biografie von Otto Schily als auch von Christian Ströbele detailgenau analysiert und miteinander vergleicht. Dadurch ergeben sich neue Sichtweisen auf einen bedeutenden Teil der deutschen Nachkriegsgeschichte. Wie ist es möglich, dass zwei Rechtsanwälte, die in den 1970er Jahren in der breiten Öffentlichkeit als Unterstützer der RAF-Terroristen gesehen wurden, ab den 1980er Jahren eine Karriere in der Politik machen konnten, die sie bis in den Bundestag und im Falle Schilys sogar bis in die Bundesregierung führte? Die Antwort auf diese Frage ist vielschichtig und bei der Suche danach wird klar, dass die Protagonisten trotz des ähnlichen Lebenslaufs mehr trennt als sie verbindet. Auch der Wechsel Schilys von den Grünen zur SPD 1989 erscheint nach der Lektüre dieses Buches in einem anderen Licht. Die Betrachtung seiner gesamten Biografie seit seiner Jugend, die in dieser Studie miteinbezogen wird, zeigt nämlich, dass dieser Schritt durchaus nicht zufällig geschah. In diesem Buch kommt keiner der zentralen Eckpunkte, welche die Persönlichkeiten Otto Schily und Christian Ströbele geprägt haben, zu kurz: Der Tod Benno Ohnesorgs durch eine Polizeikugel während der Demonstration gegen den Besuch des Schah von Persien in West-Berlin am 2. Juni 1967, ihre Zeit als Anwälte der RAF in den 1970er Jahren, ihre Beteiligung an der Gründung der Partei Die Grünen und der Einzug in den Bundestag in den 1980er Jahren sowie Schilys Wechsel zur SPD und der damit verbundene Aufstieg zum Innenminister im Kabinett Schröder, während Ströbele zum ersten und bisher einzigen direkt gewählten Bundestagsabgeordneten der Partei Bündnis 90/Die Grünen wurde in den 1990er und 2000er Jahren. Sowohl Schily als auch Ströbele haben die Geschichte der Bundesrepublik mitgeschrieben. Ihre Biografien sind keineswegs geradlinig, sondern geprägt von Veränderungen. Dieses Buch macht verständlich, wie es zu diesen Veränderungen kam und was sie auslöste.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.3, Unterschiede und Gemeinsamkeiten: Vergleicht man die Kindheit und Jugend Otto Schilys und Christian Ströbeles, fällt auf, dass beide aus gebildeten Kreisen stammen. Beiden war es möglich, auch aufgrund ihrer Erziehung, das Abitur abzulegen. Sie entschieden sich anschließend für ein Jurastudium, das sie nach Berlin führte und das sie dort auch beendeten. Für beide war dieser Umzug der Grundstein für ihre spätere Karriere. So kamen sowohl Schily als auch Ströbele in Kontakt mit der linken Berliner Szene der 1960er Jahre. Ihre weitere Politisierung verlief ähnlich mit dem Schlüsseldatum 2. Juni 1967 und dem Tod des Studenten Benno Ohnesorg. Damit gehörten sie zu einer Vielzahl von jungen Berlinern, denen es ähnlich ging. Sie verband ihre Abneigung gegen den Vietnam-Krieg der USA. Sie setzten diese 1968 sogar praktisch um als Schily und Ströbele gemeinsam ‘gesammeltes Geld für den Vietcong nach Ostberlin in die nordvietnamesische Botschaft’ brachten. Bei den Entwicklungen des Jahres 1968 waren sie aber nicht immer in vorderster Front zu finden. Im Gegensatz zum Beispiel zu ihrem Anwaltskollegen Horst Mahler, hielten sich Schily und Ströbele bei den Osterdemonstrationen 1968 eher zurück und konzentrierten sich auf die rechtliche Vertretung von verletzten und verhafteten Demonstranten. Gleichzeitig sind aber auch Unterschiede in den persönlichen Entwicklungen Schilys und Ströbeles vorhanden. Schily stammt aus der Familie eines Vorstandsvorsitzenden eines wichtigen Unternehmens. Manchmal wird dies sichtbar, wenn er sich als Mitglied einer Elite fühlt und auch dadurch Distanz zu seinen Bekannten aufbaut. Ströbele fehlt dieser Charakterzug, was sich zum Beispiel auch in seinem Umgang zu seinen Mandanten zeigt. Er solidarisierte sich mit ihnen deutlich stärker, als es Schily tat, was auch anhand seiner Mitgliedschaft im Sozialistischen Anwaltskollektiv, zu dessen Hauptzielen der solidarische Rechtsbeistand zählte, erkennbar ist. Dieser Unterschied tritt, wie noch zu schildern sein wird, in den 1970er Jahren, als beide RAF-Anwälte sind, noch viel deutlicher zu Tage. Diese Entwicklung hat ihren Ursprung aber eindeutig in den 1960er Jahren. Beispielhaft steht hierfür auch eine Begebenheit aus dem Jahr 1969, als Horst Mahler Schily für eine Mitgliedschaft im Sozialistischen Anwaltskollektiv gewinnen wollte. Schily lehnte dies mit folgender Begründung ab: ‘Das ist Quatsch. Was heißt denn Kollektiv? Ich - und kein Kollektiv - verteidige meinen Mandanten.’ Hier wird deutlich, dass Schilys Ansichten bei weitem nicht so sozialistisch waren, wie die von Ströbele. Unterschiede treten auch zu Tage in der rückwärtigen Bewertung der damaligen Demonstrationen. Beispielhaft steht hierfür die verschiedene Beurteilung der Notstandsgesetzgebung. 1968 glaubte Schily, dass diese den Untergang der Demokratie bedeuten würde, was er heute nicht mehr verstehen kann, da sie bei weitem nicht die Auswirkungen auf das politische System der Bundesrepublik hatte, wie er zunächst befürchtete. Ströbele sieht dies völlig anders. Er ist noch heute entsetzt über die, aus seiner Sicht, erhebliche Überreaktion des Staates. Seiner Meinung nach trug diese Politik des Staates deutlich zur Eskalation der Gewalt bei. Diese Meinungsverschiedenheiten treten jedoch erst in der Rückschau zu Tage. In den späten 1960er Jahren waren diese noch nicht zu erkennen. Zum einen, weil beide noch den gemeinsamen Gegner im Staat sahen, wobei auch hier zu differenzieren ist, da Schily nicht den Staat als solchen als Gegner sah, sondern nur die staatlichen Stellen, die den Rechtsstaat aus seiner Sicht falsch interpretierten. Laut seinem Biografen Michels sah Schily den Staat ab Ende der 1960er Jahre bis Anfang der 1980er Jahre auf Abwegen, aber blieb selbst da ein Verfechter des staatlichen Gewaltmonopols da er einen intakten Staat möchte, ‘der sich an die von ihm aufgestellten Regeln strikt hält, der nicht exzessiv, aber wehrhaft agiert gegen jeden, der ihm die Wurzeln zu beschneiden trachtet.’ Zum anderen stellte sich die linke Szene in den späten 1960er Jahren im Vergleich zu den 1970er Jahren nach außen hin noch deutlich homogener dar. In den 1970er Jahren sorgten beispielsweise die RAF und die Frage nach der Haltung ihr gegenüber für große Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Linken. In diesem Kontext ist es nicht weiter verwunderlich, dass die unterschiedlichen Ansichten, die Schily und Ströbele später trennen werden, in der Öffentlichkeit noch nicht deutlich zu erkennen sind.

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