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Matthias Siekiera

Rechtfertigungsgründe im Strafrecht: Nothilfe, Notwehr und ihre Grenzen

ISBN: 978-3-95485-358-8

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Produktart: Buch
Verlag: Igel Verlag
Erscheinungsdatum: 09.2017
AuflagenNr.: 1
Seiten: 72
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die Nothilfe, d.h. die notwendige Verteidigung, die ein Dritter zu Gunsten des Angegriffenen ausübt, ist eine Sonderform der Notwehr und wirft die Frage auf, wann bzw. ab wann es strafrechtlich legal ist, einem angegriffenen Menschen Hilfe zu leisten. Wie stellt sich die Lage dar, wenn der Angegriffene gar nicht verteidigt werden möchte? Und wie verhält sich die private Gefahrenabwehr in Konkurrenz zur Gefahrenabwehr durch den Staat? Die vorliegende Studie bemüht sich, einen Überblick über die aktuelle Rechtslage zur Nothilfe zu liefern und damit verbundene Problematiken aufzuzeigen.

Leseprobe

Textprobe: 2, Kapitel: Die Notwehr: 2.1, Gesetzliche Grundlage: Notwehr ist in § 3 StGB geregelt. § 3 Abs 1 StGB regelt die Voraussetzungen. Demnach handelt jemand in Notwehr und nicht rechtswidrig, wer bei einem gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden, rechtswidrigen Angriff auf Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit, Freiheit oder Vermögen sich gegenüber dem Angreifer der Verteidigung bedient, die notwendig ist, um diesen Angriff von sich oder einem anderen (Nothilfe, Kapitel 3) abzuwehren. Die Handlung ist nicht gerechtfertigt, wenn es offensichtlich ist, dass dem Angegriffenen bloß ein geringer Nachteil droht und die Verteidigung unangemessen ist. § 3 Abs 2 StGB regelt die Rechtsfolgen der Notwehrüberschreitung (näheres siehe 2.3.4.2.). 2.2, Struktur und Merkmale: Die drei Strukturelemente der Notwehr sind Notwehrsituation, Notwehrhandlung und subjektives Rechtfertigungselement: 2.2.1, Notwehrsituation: Die Notwehrsituation erfordert das Vorliegen eines gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden, rechtswidrigen Angriffs auf ein notwehrfähiges Rechtsgut. 2.2.1.1, Angriff: Angriff ist jenes menschliche Verhalten, welches die Beeinträchtigung von Rechtsgütern befürchten lässt. Eine ex post Beurteilung des Verhaltens ob ein Angriff gegeben ist, ist nicht heranzuziehen, da sie bei der Notwehr schlicht unmöglich ist. Ob ein Angriff iSd Notwehr vorliegt, ist demnach bei der Notwehr ex ante zu beurteilen, dh man hat sich auf den Zeitpunkt der Handlungsvornahme zu beziehen. Diese ex ante-Beurteilung ist objektiv und nicht aus der Perspektive des Angegriffenen vorzunehmen. Es sind daher alle Umstände zu berücksichtigen, die im Zeitpunkt des Geschehens vorlagen, auch wenn sie erst nachträglich bekannt wurden. Wenn jemand irrtümlich eine Notwehrsituation annimmt, ist diese Verteidigungshandlung nach § 8 StGB (Irrtum über einen rechtfertigenden Sachverhalt) zu beurteilen. 2.2.1.1.1, Angriff als menschliches Verhalten: § 3 Abs 1 StGB erlaubt die Verteidigung eines rechtswidrigen Angriffs. Da Tiere nicht rechtswidrig handeln können, darf nur menschliches Verhalten nach § 3 StGB abgewehrt werden. Kadecka betrachtet die Rechtswidrigkeit rein objektiv und schreibt daher: Rechtswidrigkeit ist … jedes Verhalten, das die von der Rechtsordnung gewollte Güter und Machtverteilung stört… Das kann auch durch eine von Tieren ausgehende Schädigung von Rechtsgütern geschehen. Anders ist es aber, wenn ein Mensch sich eines Tieres zu einem Angriff bedient, indem er zB einen abgerichteten Hund auf einen Menschen hetzt. Hier ist der Hund Waffe des Menschen und es liegt zweifelsfrei ein rechtswidriger Angriff des Aufhetzenden vor. Juristische Personen kommen als Angreifer nicht in Betracht, weil sie nicht handlungsfähig sind. Juristische Personen handeln durch ihre Organe. Daher kann man nicht gegen einen Verein, GmbH, AG oder Staat Notwehr ausüben. Wenn eine personale Zurechnung des menschlichen Verhaltens nicht möglich ist, liegt auch kein Angriff vor. Bloße Körperreflexe, Bewegungen im Zustand der Bewusstlosigkeit, epileptische Krampfanfälle, etc begründen von vornherein keine Notwehrsituation. In diesen Fällen wird eine Rücksichtnahmepflicht geboten sein. Weiß der Angegriffene hingegen nichts vom körperlichen Zustand des Angreifers, ist Putativnotwehr gegeben. Bewegungen im Einfluss von vis absoluta gehören hier ebenfalls dazu, weil der betreffende Mensch nicht einmal im Reflex, sondern vielmehr von einer anderen Person zu einem Verhalten gezwungen wird. 2.2.1.1.2, Unterlassen als Angriff: Die Frage, ob eine unechte Unterlassung eine Notwehrsituation begründen kann, ist umstritten. Ein Teil der Lehre verlangt für einen Angriff ein aktives Tun. Andere Lehrmeinungen bejahen auch in einem bloßen Unterlassen einen Angriff iSd § 3 StGB, weil man ja auch durch Unterlassen jemanden töten oder verletzen kann. Lässt daher zB eine Mutter ihr Kind verhungern, ist derjenige durch Nothilfe gerechtfertigt, der sie mit Gewalt oder Drohung zur Versorgung des Kindes zwingt. Ebenso auch der, der die Mutter außer Gefecht setzt und sich selbst um das Kind kümmert. Es liegt hingegen kein Angriff vor, wenn die Unterlassung keinen Eingriff in ein notwehrfähiges Rechtsgut darstellt. Der Schuldner, der nicht leistet, handelt zwar rechtswidrig, der Gläubiger darf aber nicht Notwehr üben, sondern muss gegen den Schuldner mit zivilrechtlicher Klage oder anderen Rechtsbehelfen vorgehen. Strittig ist es auch, ob die echte Unterlassung einen notwehrfähigen Angriff begründen kann. Darf man zB einen Autofahrer, der sich weigert, ein verletztes Unfallopfer ins Krankenhaus zu bringen, in Ausübung des Nothilferechts durch Gewalt oder Drohung dazu zwingen, den Verletzten ins Krankenhaus zu fahren. Die abl Lehre zieht in diesem Fall die Abwägungsprinzipien des rechtfertigenden Notstands heran. 2.2.1.1.3, Rechtswidrigkeit des Angriffs: Ob ein Angriff rechtswidrig ist, bestimmt sich nach den allgemeinen Regeln über die Rechtswidrigkeit. Dabei wird die gesamte Rechtsordnung herangezogen. Dh es ist nicht notwendig, dass der Angriff auch strafgesetzwidrig ist. Steht dem Angreifer ein Rechtfertigungsgrund zur Seite, fehlt es an der Rechtswidrigkeit des Angriffs. Gegen gerechtfertigte Handlungen ist daher Notwehr niemals möglich. Strittig ist, ob ein vorsätzlicher Angriff ein vorsätzliches oder fahrlässiges Handlungsunrecht erfordert, oder ob ein Erfolgsunrecht genügt. Roxin und Fuchs verlangen für die Rechtswidrigkeit des Angriffs nicht nur einen Erfolgsunwert, der Angriff muss auch einen Handlungsunwert aufweisen. Lewisch hingegen lässt einen Erfolgsunwert genügen. Die Rsp hat zu dieser Frage noch nicht Stellung genommen, hat bis dato aber noch keine Prüfung eines Handlungsunwerts vorgenommen. 2.2.1.1.4, Schuldfähigkeit des Angreifers: Laut Gesetz ist es für den Angriff nicht erforderlich, dass der Angreifer auch zur Verantwortung gezogen werden kann. Notwehr ist daher auch grundsätzlich gegen strafunmündige oder sonst zurechnungsunfähige Personen zulässig. Allerdings ist bei Vorliegen von Notwehr eine Einweisung gem § 21 StGB ausgeschlossen, weil die Straflosigkeit des Täters nicht allein auf seine Zurechnungsunfähigkeit zur Tatzeit zurückzuführen ist. Nach Schmidhäuser muss der Angriff vorsätzlich und bewusst unerlaubt sein. In verschiedenen Lehrmeinungen finden sich aber Einschränkungsbemühungen für gewisse Personengruppen und verlangen sog sozialethische Schranken der Notwehr. Triffterer erkennt nicht allgemein, sondern in bestimmten Ausnahmefällen, wie zB bei Kindern eine Ausweichpflicht an. Eine allgemeine Ausweichpflicht kann nicht verlangt werden, weil die Bewegungsfreiheit selbst ein notwehrfähiges Rechtsgut ist. Bertel will Notwehr bei Angriffen von Kindern und Zurechnungsunfähigen versagen, die keine ernst zu nehmende Rechtsgutsverletzung befürchten lassen. Der deutschen Literatur folgend hat Steininger aus § 21 ABGB eine Pflicht zur besonderen Schonung zu Gunsten von Kindern und Schuldunfähigen abgeleitet. Demnach soll offensive Gegenwehr nur zulässig sein, wenn der Angriff nicht anders abgewehrt werden kann. Diese Rücksichtnahmepflicht soll aber nicht für Personen gelten, die betrunken sind oder unter Drogeneinfluss stehen. 2.2.1.2, Zeitliche Schranken der Notwehrsituation: Der Beginn der Notwehrsituation wird durch das Merkmal der Gegenwärtigkeit festgelegt. Dadurch wird zum Ausdruck gebracht, dass die Notwehr nicht der Bestrafung des Angreifers dient, sondern der Erhaltung von Rechtsgütern. Der Angriff muss unmittelbar drohen oder gegenwärtig sein. Der Angriff ist gegenwärtig, wenn er unmittelbar bevorsteht, gerade stattfindet oder noch fortdauert. Zusätzlich bedarf es zur Gegenwärtigkeit einer konkreten Gefährdung des betreffenden Rechtsguts. Solange ein rechtswidriger Angriff andauert, ist offensive Gegenwehr zulässig. Unmittelbar drohend ist ein Angriff, sobald die Gefahr des Angriffs und die Notwendigkeit einer abwehrenden Reaktion eindeutig sind. Ist die Notwehrsituation beendet, ist die Verteidigung nicht mehr gerechtfertigt, weil keine Rechtsgutsbeeinträchtigung mehr zu erwarten ist. Dies ist insb dann gegeben, wenn der Angreifer den Angriff aufgegeben hat, wenn der Angreifer bezwungen wurde oder der Angriff misslungen ist oder wenn der Angreifer sein Ziel erreicht hat. Ebenfalls ausgeschlossen ist das Notwehrrecht gegenüber zukünftigen Angriffen, auch wenn diese zu befürchten sind. Da wirksame Gegenmaßnahmen bereits vor Eintritt des Rechtsgutverlustes getroffen werden und diese Verteidigungshandlungen erlaubt sein müssen, hängt die Rechtfertigung von Wahrscheinlichkeitsprognosen ab. Dies gilt für die Beurteilung der Gefahr, sowie für die Erforderlichkeit der Verteidigungshandlung. Der Beschränkung des Notwehrrechts auf die Abwehr von gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden Angriffen liegt daher eine mehrfache Interessenabwägung zugrunde. Erstens ist erforderlich, dass die Rechtsgutverletzung unausweichlich und unvermeidbar ist. Zweitens ist es erst in diesem Zeitpunkt möglich, eine verhältnismäßig verlässliche Beurteilung der Situation zu treffen. Drittens gilt es für den in Notwehr Handelnden, dass die Verletzung eines notwehrfähigen Rechtsguts bevorsteht, dem der Bedrohte nicht mehr ohne Interessenbeeinträchtigung entgehen kann. Jenes menschliche Verhalten ist als gegenwärtiger Angriff anzusehen, dass ohne weitere Handlung in die Rechtsgutsbeeinträchtigung übergehen soll. Es liegt aber nicht erst dann ein Angriff vor, wenn der Angreifer die Pistole zieht und abdrückt, sondern schon der Griff zur Pistole ist Teil einer Angriffshandlung, wenn es die Absicht des Angreifers ist, dass er ohne weitere Zwischenhandlung in ein notwehrfähiges Rechtsgut eingreifen will. Zieht hingegen der Angreifer die Pistole und legt sie auf den Tisch, ist ein gegenwärtiger Angriff auf das Leben noch nicht gegeben. Hier könnte aber das notwehrfähige Rechtsgut Freiheit gegenwärtig angegriffen sein. Der Angriff ist so lange gegenwärtig, als eine Intensivierung der Rechtsgutsbeeinträchtigung droht. Ein Angriff ist daher noch gegenwärtig, wenn der Angreifer den schädigenden Kausalverlauf bereits gesetzt hat, die Rechtsgutverletzung aber noch nicht eingetreten ist. Ebenfalls ist ein Angriff noch als gegenwärtig zu qualifizieren, wenn die Rechtsgutbeeinträchtigung bereits eingetreten ist und diese noch durch weitere Handlungen des Angreifers intensiviert wird. Daher ist es zB zulässig, gegen einen flüchtenden Dieb Notwehr zu üben, um den endgültigen Verlust des Rechtsgutes zu verhindern. 2.2.1.3, Notwehrfähige Rechtsgüter: Der Angriff muss sich auf ein notwehrfähiges Rechtsgut beziehen. Diese sind taxativ aufgezählt in § 3 StGB. Notwehrfähig sind demnach nur Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit, Freiheit und Vermögen. Wenn sich ein Angriff auf ein sonstiges Rechtsgut wie zB Ehre, Privatsphäre, Briefgeheimnis, familiäre Pflichten, ehelicher Frieden bezieht, ist Notwehr nicht zulässig. Es könnten allerdings andere Rechtfertigungsgründe in Betracht kommen. Das Gesetz nimmt nur Rechtsgüter des einzelnen (Individualrechtsgüter) auf, daher sind die Interessen der Allgemeinheit, des Staates oder politische Zielsetzungen keine notwehrfähigen Rechtsgüter.

Über den Autor

Matthias Siekiera wurde 1984 in Darmstadt geboren. Sein Studium der Rechtswissenschaften an der Karl-Franzens-Universität Graz schloss der Autor im Jahre 2010 mit dem akademischen Grad Magister erfolgreich ab.

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