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Produktart: Buch
Verlag: disserta Verlag
Erscheinungsdatum: 07.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 164
Abb.: 38
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Adipositas und Übergewicht haben sich in den letzten Jahrzehnten zu einem weitverbreiteten Problem entwickelt - besonders bei Kindern sind die aktuellen Zahlen erschreckend hoch. Trotz erheblicher Auswirkungen, von Diskriminierung und Benachteiligung durch die Gesellschaft bis hin zu ernsthaften Folgeerkrankungen mit teilweise tödlichem Ausgang, ist keine Kehrtwende in Sicht. Das vorliegende Buch gibt einen Überblick über Ursachen, Folgen und Therapiemöglichkeiten von Übergewicht und Adipositas. Nach der Unterscheidung und Definition der beiden Krankheitsbilder werden zunächst die biologischen und genetischen Grundlagen der Entstehung von übermäßigem Körperfett erläutert. Anschließend werden diejenigen Faktoren untersucht, die unser Ess- und Bewegungsverhalten negativ beeinflussen und somit für die starke Ausbreitung der Problematik in den letzten Jahrzehnten verantwortlich sind. Ein weiterer Abschnitt des Buches widmet sich den Gegenmaßnahmen. Hier werden verschiedene Therapieansätze vorgestellt, die jeweiligen Vor- und Nachteile beschrieben und schließlich Empfehlungen für eine erfolgreiche Therapie abgeleitet. Allerdings wird auch kritisch hinterfragt, ob therapeutische Maßnahmen ausreichen, um der Problematik entgegenzuwirken. So wird vermutet, dass auch externe Faktoren, wie Bewegungsmöglichkeiten und Nahrungsangebote, unser Verhalten enorm beeinflussen. Eine Gruppe, die in besonderem Maße von externen Faktoren beeinflusst wird, sind Kinder und Jugendliche, deren Verhalten in der Schule durch die dortigen Rahmenbedingungen und Angebote mitbestimmt wird. Aus diesem Zusammenhang ergibt sich die Frage, ob die schulischen Bewegungsmöglichkeiten und Nahrungsangebote den besonderen Bedürfnissen von Heranwachsenden gerecht werden und welche Rolle somit die Schule im Bezug auf Übergewicht und Adipositas einnimmt. Um dieser Frage nachzugehen, wurden im Rahmen einer Fallstudie die Bewegungsmöglichkeiten und Nahrungsangebote an zehn Schulen aus der Region Hannover analysiert und Verbesserungsmöglichkeiten erarbeitet.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3.4.1, Einfluss psychologischer und psychischer Aspekte: Betrachtet man zunächst die Bedeutung psychischer Aspekte und psychologischer Lernprozesse auf unser Essverhalten, so wird deutlich, dass die Lust an der Nahrungsaufnahme eine große Rolle spielt. Die Lust am Essen oder auch der Genuss einer Mahlzeit wird vor allem durch den Geschmack bestimmt. Wirth (2008, S. 93) verweist diesbezüglich auf Studien von Rodin (1992), die erhebliche Auswirkungen des Geschmacks auf unsere Lebensmittelauswahl, die Nahrungsmenge sowie unsere Essgeschwindigkeit einschließlich Kauverhalten belegen konnten. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass Adipöse mehr Genuss beim Essen empfinden, wodurch sie häufiger besonders schmackhafte, d. h. kalorienreiche Lebensmittel konsumieren und auch mehr verzehren als Normalgewichtige. Ein Weiteressen trotz bereits vorhandener Sättigung findet jedoch nicht nur aus Genuss statt, sondern teilweise auch durch Druck von außen. So gehört es sich nach Meinung vieler, vor allem älterer Menschen, seine Mahlzeit vollständig aufzuessen (vgl. Reinehr et al., 2007, S. 97). Die Nahrungsaufnahme wird allerdings bereits im Säuglingsalter durch natürliche Mechanismen reguliert. Durch den Zwang, Trinkflasche bzw. Teller zu leeren, wird nicht nur die akute Energieaufnahme erhöht, sondern langfristig gesehen auch die Bedeutung äußerer Reize verstärkt. Dies kann eine Störung der natürlichen Hunger-Sättigungs-Regulation zur Folge haben (vgl. Grünwald-Funk, 2006, S. 23). Reizvoll ist jedoch nicht nur der Wunsch, gesellschaftliche Erwartungen zu erfüllen, sondern auch, sich genau diesen Erwartungen zu widersetzen - der sog. Reiz des Verbotenen. Wenn Süßigkeiten und fettreiche Lebensmittel aus dem Umfeld verbannt werden, so entwickelt sich besonders bei Kindern eine Zunahme an Attraktivität, die das Einhalten eines Ernährungsplanes nahezu unmöglich macht (vgl. Klotter, 2007, S. 97). Wird eine solche Grenze dann nur geringfügig überschritten, wird oft die kognitive Kontrolle außer Kraft gesetzt, worauf eine unkontrollierte Nahrungsaufnahme folgen kann. Der Wechsel zwischen strenger Mäßigung und unkontrolliertem Essen führt auf Dauer zu einem höheren Körperfettanteil (vgl. Lehrke & Laessle, 2009, S. 22). Da die Kraft externer Reize enorm ist, werden die Mechanismen natürlich von der Wirtschaft genutzt, z. B. in der Lebensmittelwerbung (vgl. Kap. I 3.4.3). Nach dem Prinzip des klassischen Konditionierens werden dort gezielt Produkte mit positiven Reizen verknüpft (vgl. Klotter, 2007, S. 45). Aber auch die Grundsätze des operanten Konditionierens beeinflussen die Balance zwischen natürlicher Sättigung und der Wirkung äußerer Reize. So wirkt Essen bei übergewichtigen Personen in besonderer Weise als positiver Verstärker. Vor allem zur Belohnung von Kindern setzen Eltern oft Süßigkeiten und Lieblingsmahlzeiten ein. Bei diesem Verhalten besteht die Gefahr, dass die Verstärkungsprinzipien so stark verinnerlicht werden, dass sie später an der eigenen Person angewandt werden, z. B. wenn man sich mit besonderem Essen oder Alkohol für eine Anstrengung belohnt (vgl. ebd., S. 47). Doch Nahrung dient nicht nur als Belohnung bei positiven Ereignissen. Auch bei negativen Emotionen wird das Essverhalten vom physiologischen Bedürfnis entkoppelt. Deshalb ist die Nahrungsaufnahme, wie Untersuchungen zeigen konnten, durch Stressoren wie Ärger, Konflikte, Prüfungen, Arbeit, Einsamkeit, Trauer aber auch Langeweile erhöht. Vermutet wird, dass diese Faktoren den Einfluss der kognitiven Kontrolle verringern und der durch Emotionen veränderte Hormonhaushalt zusätzlich unsere Hunger-Sättigungs-Regulation beeinflusst. Der emotionale Einfluss ist jedoch von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Während eine stark erhöhte Nahrungsaufnahme, teilweise sogar mit Fressattacken, das eine Extrem bildet, kann es auf der anderen Seite auch zu einer Reduzierung bis hin zur totalen Verweigerung von Nahrung kommen (vgl. Wirth, 2008, S. 101). Auch Reinehr et al. (2007, S.13) schreiben der Entkopplung der Nahrungsaufnahme von Hunger und Sättigung einen erheblichen Einfluss zu. Bei Kindern kann z. B. Vernachlässigung oder die Scheidung der Eltern die Änderung des Essverhaltens auslösen bzw. begünstigen. In doppelter Hinsicht negativ zu bewerten ist, wenn die Eltern in solchen Fällen versuchen, fehlende Zeit und mangelnde Aufmerksamkeit durch die Versorgung mit Süßigkeiten und Lieblingsspeisen zu kompensieren. Dadurch wird Nahrung zum Ersatz für Liebe und Geborgenheit. Die Kinder lernen, sich mit Essen zu trösten (vgl. Momm-Zach, 2007, S. 108). Die Anfänge dieser Fehlentwicklung werden bereits in der Ernährungsversorgung von Säuglingen vermutet. ‘Wird im ersten Lebensjahr der Wunsch nach Aufmerksamkeit und Liebe überwiegend durch Nahrung anstatt durch intensive Beschäftigung wie Spielen, Singen oder Sprechen befriedigt, findet keine adäquate Befriedigung des Kinderwunsches statt. Die natürlichen Bedürfnisse des Kindes werden durch Nahrung gestillt und so nimmt das Essen einen emotionalen Stellenwert ein’ (vgl. Momm-Zach, 2007, S. 20). Auch unabhängig vom Zwang aufzuessen hat die Portionsgröße einer Mahlzeit Einfluss auf die Nahrungsaufnahme. So konnte eine Studie aus Pennsylvania von Rolls et al. (2002) nachweisen, dass die Vergrößerung von Portionen zu einer Steigerung der Nahrungsaufnahme von bis zu 30 % führt (vgl. Wirth, 2008, S. 96). Eine Reaktion auf den externen Stimulus ‚Portionsgröße‘ findet bereits ab einem Alter von fünf Jahren statt (vgl. Reinehr et al., 2007, S. 35). Nun sollte man eigentlich davon ausgehen, dass unsere Handlungen durch unser Wissen bestimmt werden. Doch wie eine Studie, in der die Probanden Lebensmittel hinsichtlich ihrer Wirkung auf Körperfett einteilen sollten, zeigt, wird unser Wissen durch psychologische Aspekte manipuliert. In der Untersuchung stuften die Probanden kleine Schokoriegel (47 kcal) als bedeutsamer für die Entstehung von Übergewicht ein als eine Mahlzeit, bestehend aus Käse und Gemüse, die jedoch mit 569 kcal ca. zwölf Mal so energiereich war. Daraus kann geschlossen werden, dass ‚kognitive Stereotype‘ dazu verleiten, falsche Ernährungsentscheidungen zu treffen und es daher nicht sinnvoll ist, Lebensmittel in gesund und ungesund zu unterteilen (vgl. Klotter, 2007, S. 120). Ein anderes Problem entsteht durch die ‚Kurzsichtigkeit‘ des Menschen. Die Notwendigkeit einer Veränderung wird oft nicht erkannt, weil die Folgen von Ernährung und Bewegung weit in der Zukunft liegen, wodurch sie kaum wahrgenommen werden und zudem unsicher scheinen (vgl. Lücke, 2007, S. 16). Abschließend kann gesagt werden, dass die Vielzahl der psychologischen und psychischen Einflüsse die natürlichen Regulationsmechanismen massiv stören. Dadurch fällt es Adipösen oft schwer, zwischen Hunger, Durst, Appetit und Sättigung zu unterscheiden. Außerdem entstehen häufig Fehleinschätzungen bzgl. Energiegehalt und Nahrungsmenge. Hierbei kann das häufige Unterschätzen der Nahrungsmenge durch Adipöse teilweise auch auf eine gewisse Scham zurückgeführt werden (vgl. Reinehr et al., 2007, S. 97). Grundsätzlich gilt zwar, dass die meisten psychologischen und psychischen Aspekte jeden Menschen beeinflussen, eine Gefahr besteht jedoch erst, wenn sich solche Verhaltensweisen tief im Individuum festsetzen und zu Gewohnheiten werden. Durch die Wiederholung bestimmter Prozesse können aus Gewohnheiten sogar Bedürfnisse werden (vgl. Rößler-Hartmann, 2007, S. 53f.).

Über den Autor

M. Ed. Janosch Bülow, 1985 in Göttingen geboren, ehem. Student der Sportwissenschaft und Mathematik an der Leibniz Universität Hannover, Abschluss 2012 als Master of Education. Neben dem Studium sammelte der Autor umfassende praktische Erfahrungen im Bereich Jugendbetreuung und -animation. Die während des Studiums zu absolvierenden Praktika an Schulen motivierten den Autor, sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.

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