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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 06.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 124
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Walter Euckens Grundsätze der Wirtschaftspolitik gehören heute zu den Klassikern der Wirtschaftswissenschaften in Deutschland. Der von ihm geprägte Begriff Ordnungspolitik ist zum geflügelten Wort deutscher Politiker aller Parteien geworden, und dient oftmals dazu, dem jeweils eigenen Standpunkt Autorität zu verleihen. Dieses Buch geht der Konzeption nach, die hinter diesem Begriff steht. Euckens Leitbild vom vollständigen Wettbewerb, welches er in den Grundlagen der Nationalökonomie selbst hergeleitet hat, findet in der Wettbewerbsordnung mit ihren konstituierenden und regulierenden Prinzipien ein Instrumentarium, um ökonomische Probleme zu erkennen und Lösungsansätze zu finden. Die Europäische Agrarwirtschaft ist ein Sektor mit problematischen Nebenwirkungen: Überproduktion, Umweltschäden, Höfesterben. Mehr Nachhaltigkeit wird gefordert, eine Agrarpolitik, die weniger am Wachstum orientiert ist, die mehr Rücksicht nimmt auf Mensch und Tier. Beispiele aus der EU-Agrarpolitik, der Umwelt- und der Wirtschaftspolitik sollen zeigen, ob Euckens ordoliberale Konzeption hier ihre Aktualität beweist.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.3, Ordoliberale Ideen in der agrarpolitischen Debatte: 2.3.1, Gegen den agrarpolitischen Protektionismus: Auf einer Tagung der Aktionsgemeinschaft für Soziale Marktwirtschaft 1956 in Bad Godesberg zum Thema Agrarpolitik kam es zu scharfen Divergenzen in Sachen Subventionen. Hierbei zeigten sich die Referenten als konsequente Befürworter einer marktwirtschaftlichen Lösung für die Landwirtschaft. Die Aufgabe der Politik sei es, letztere zu unterstützen, um ‘selber konkurrenzfähig, aus eigener Kraft standfest zu werden’. Alexander Rüstow, ein enger Freund Euckens und als Soziologe ein ebenso großer Befürworter der Wettbewerbsordnung, kritisiert das Fehlen eines umfassenden und langfristigen Reformkonzeptes des Bundesministeriums, eines sog. ‘Maximalprogramms’. Die Subventionierung der Landwirtschaft habe lediglich den Charakter eines Notpflasters, könne die Probleme jedoch nicht lösen. Heinrich Niehaus, Agrarwissenschaftler aus Bonn, wendet sich gegen den Glauben, die Landwirtschaft sei gegenüber anderen Sektoren der Wirtschaft, insbesondere der Industrie dauerhaft im Nachteil. Die staatliche Interventions- und Preisstützungspolitik festige dagegen überkommene Betriebsstrukturen, verhindere eine Anpassung an die Marktgegebenheiten und erzeuge durch Überschußproduktion Ungleichgewichte auf dem Weltmarkt. Einem Umstieg auf ein System jährlicher Verlustausgleichszahlungen, steht Niehaus skeptisch gegenüber: Dies benötige einen zu großen bürokratischen Apparat und begünstige die Korruption. Der Agrarwissenschaftler sieht deshalb einen stufenweisen Abbau der Subventionen innerhalb eines festgesetzten Zeitraumes (10 Jahre) als die beste Lösung an, mit dem Ziel einer europäischen Zollunion ohne Agrarprotektionismus. Betriebswirt Hermann Priebe hält die Politik einer fortschreitenden Spezialisierung nicht für sinnvoll. Vielmehr spricht er sich für eine andersgeartete Rationalisierung, ‘eine Art umgekehrtes Fließband’ aus, in der die Produktion diversifiziert, sowie die Betriebsweise dezentralisiert ist, d.h. der Landwirt selbstständig über die Produktion entscheidet. Scharfe Gegenargumente liefern in der folgenden Diskussion sowohl Vertreter der Verbände als auch der Gewerkschaften. So wird insbesondere die Position von Niehaus allgemein als Laissez-faire-Liberalismus missverstanden. Der Interventionismus sei bereits eine politische Realität, argumentiert ein Gewerkschaftsvertreter der Staat habe seit 1945 die Industrie gefördert, so der Bauernverband, jetzt müsse er ebenso den Mittelstand nachziehen lassen. Rolf Kloepper von der Landarbeitstechnischen Arbeitsgemeinschaft formuliert diese Ziele sehr drastisch: Eine Rationalisierung mit dem Ziel der Produktivitätssteigerung sei anzustreben, um ‘wirklich ernsthaft die Erzeugung zu verbilligen.’ Dem entgegen steht das Argument des Agrarwissenschaftlers: ‘Wenn aber die Nachfrage ein Produkt verlangt, müssen auch die besonderen Verhältnisse der Erzeugung im Marktpreis zum Ausdruck kommen.’ Man erkennt schon hierbei, dass die unterschiedlichen Meinungen auf Unterschiede in der Zielsetzung zurückgehen. 2.3.2, Die Agrarordnung als Teil der Wettbewerbsordnung: Ein Argument, welches den Befürwortern einer staatlichen Subventionspolitik ein Stück weit entgegen kommt, stammt von Eucken selbst: Aber die neue soziale Frage, die drückende Abhängigkeit von diesem Staat, die außerordentliche Gefährdung der menschlichen Freiheit, [ ] – diese Frage kann nicht dadurch gelöst werden, daß einfach der Staat zurücktritt und ohne weiteres eine Privatisierung der Wirtschaft vornimmt, also zum Zustand des 19. Jahrhunderts zurückkehrt. Inzwischen hat sich der industrielle Konzentrationsprozess unter entscheidender Mitwirkung des Staates beschleunigt fortgesetzt, und es besteht dieGefahr, daß die bloße Befreiung von staatlicher Übermacht zu einer Auslieferung vieler Menschen an die Herrschaft privater Machtkörper führen würde.’ Was Eucken daraus für die Wirtschaftspolitik folgert, wurde bereits dargelegt: Wenn der Staat von Subventionsmaßnahmen ablässt, was er sollte, so muss er gleichzeitig aktiv die Marktformen im Sinne einer Verhinderung von wirtschaftlicher Übermacht gestalten. So sieht Niehaus einen ernsthaften Grund für die Benachteiligung der Landwirtschaft in der Marktform, in der sie wirtschafte: nämlich der Marktform der vollständigen Konkurrenz im Gegensatz zur übrigen Wirtschaft. Hinter dieser Argumentation steht nach Eucken die Erkenntnis, dass das Vorhandensein wirtschaftlicher Macht die Wettbewerbsordnung in ihrer Existenz bedroht, da alle Wirtschaftssektoren in der Verkehrswirtschaft miteinander verflochten, d.h. interdependent sind. Die Benachteiligung der Landwirtschaft in Gewinn und Einkommen kann demnach das Resultat von Marktungleichgewichten in angrenzenden Sektoren sein, oder Folge einer gesamtwirtschaftlichen Fehlausrichtung, die letztlich den Interventionismus des Staates – will er die Bevölkerung vor der Armut bewahren – erforderlich machen. So fordert Niehaus seine Zuhörer auf, anstatt des Rufens nach mehr staatlicher Stützung den Gegenweg einer Entflechtung wirtschaftlicher Machtkonzentrationen einzuschlagen: ‘Wenn wir auf dem Gebiet der Landwirtschaft zu der Folgerung kommen, daß auf die Dauer die Wettbewerbsordnung das Beste ist, dann müssen wir daran auch die Forderung knüpfen, daß sie in anderen Bereichen der Wirtschaft ebenso durchgeführt wird dann kann sich die Landwirtschaft nicht mit einem hohen Grad von unvollständiger Konkurrenz und oligopolistischer Markt- und Preisbildung in den übrigen Bereichen der Wirtschaft abfinden. Hier muß die Landwirtschaft eine klare Stellungnahme beziehen. Das ist ein außerordentlich schwieriges Problem. Aber es kommt auf die entsprechende Wendung in der Politik an.’ Die agrarpolitische Entwicklung schlug jedoch einen anderen Weg ein. Schon der damalige Bundesagrarminister Lübke hatte eine Subventionierung der Landwirtschaft mit dem Ziel der Leistungssteigerung der Produktion und der Hebung des bäuerlichen Lebensstandards befürwortet. So konnte der Deutsche Bauernverband (DBV) sein Interesse an einer dauerhaften staatlichen Stützung im Landwirtschaftsgesetz von 1955 sichern. Da die Subventionierung der Landwirtschaft in nahezu allen westeuropäischen Staaten gängige Praxis war, und jeder Staat um das Bestehen seiner Bauern in einem freien Markt fürchtete, ging man bei den Verhandlungen zum gemeinsamen europäischen Markt mit Hinweisen auf die zu erhaltende Wettbewerbsfähigkeit von einer schrittweisen Angleichung der agrarpolitischen Stützungsmaßnahmen aus.

Über den Autor

Daniela Englert hat in Köln Regionalwissenschaften Lateinamerika mit einem Schwerpunkt auf Volkswirtschaftslehre studiert und im Jahr 2003 erfolgreich abgeschlossen. Die Auseinandersetzung mit der neoklassischen Theorie führte sie zu den Anfängen bundesdeutscher Wirtschaftspolitik und zu Walter Eucken. Heute ist sie Journalistin in Berlin.

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