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Geisteswissenschaften


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Produktart: Buch
Verlag: Bachelor + Master Publishing
Erscheinungsdatum: 10.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 64
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

In den letzten Jahrzenten kam es verstärkt zu der Forderung sich von den leitenden Ideen der Moderne abzuwenden und diese zu revidieren. Eine einheitlich wahrnehmbare Wirklichkeit wird von den Vertretern der Postmoderne in Frage gestellt. Die Grundzüge der Postmoderne lassen sich mit einer Quelle vereinbaren, der sich Schriftsteller der letzten Jahrzehnte vermehrt zuwenden: dem Mythos. Im Gegensatz zu den ‚Vernunftschranken‘ der Aufklärung und dem Konzept eines totalitären, sich nicht ändernden Realitätsbildes, handelt es sich beim Mythos um einen sich wandelnden Stoff, der an eine anfängliche Weltorientierung anknüpft, deren Pluralität nicht zugunsten einer statischen, vereinfachten Wirklichkeitsvorstellung negiert wird. Der Mythos scheint geradezu durch seine Vielfalt und der ständigen Veränderung, die an ihm vorgenommen wird, als solcher zu existieren und besteht somit unabhängig vom Autor fort. Dementsprechend verwandeln sich in ihm Steine zu Menschen, Menschen zu Tieren und statt von einer, sich nicht veränderbaren, göttlichen Autorität, geht er von der Pluralität der Götter aus. Diese sind jedoch wiederum von einer, Menschen zugesprochenen, Ambivalenz geprägt. Statt eines statischen Realitätsbildes wird somit im Mythos von einer ständigen Veränderung der Gegebenheiten ausgegangen. Es ist also nicht verwunderlich, dass gerade Ovids Metamorphosen - das Werk, in dem keinem seine Gestalt blieb - Grundlage eines der, für die Postmoderne charakteristischsten Romane bildet: Christoph Ransmayrs Die letzte Welt. Mit seinem Roman Die letzte Welt aber etabliert sich Ransmayr als international renommierter Schriftsteller der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Die vorliegende Arbeit über Ransmayrs Werk beginnt mit einer Auseinandersetzung mit dem Begriff der Postmoderne. Einem begriffsgeschichtlichen Abriss und der Darstellung der Debatte um Moderne und Postmoderne folgt die Veranschaulichung der postmodernen Tendenzen in Ransmayrs Die letzte Welt. Die Postmoderne wird dabei immer im Zusammenhang zur Moderne zu untersucht, da sich die Postmoderne aus der Moderne speist. Dementsprechend ist auch die Gliederung dieser Arbeit bipolar aufgebaut und orientiert sich an sechs Gegensatzpaaren, die entscheidend für den Dialog zwischen Moderne und Postmoderne sind.

Leseprobe

Textprobe: Die Phantasie Nasos gegen die Realität Cottas: Der römische Dichter Ovid, auch Naso genannt, und sein verschollenes Werk Metamorphosen werden von Cotta in der Stadt Tomi, dem Verbannungsort Nasos gesucht. Doch Ovids Metamorphosen werden nicht nur zum Gegenstand der Suche Cottas, ‘sie wechseln sogar aus dem Raum des Imaginativen in den des Realen’. Cotta muss feststellen, dass er sich bereits mitten in den Metamorphosen Nasos befindet und, dass deren Plot für ihn zur Wirklichkeit geworden ist. Folglich wird er Zeuge der mythischen Verwandlungen aus Ovids Metamorphosen, dem Prätext zu Ransmayrs Roman. Hierdurch werden hinter der letzten Welt immer wieder Ovids Metamorphosen sichtbar. Cotta erlebt dabei, wie die Einwohner Tomis sich unter anderem allmählich zu Steinen, Vögeln (LW: 31) und Tieren (LW: 80) verwandelt und bleibt davon natürlich nicht unbeeinflusst. Sein von ihm für allgemeingültig gehaltener Wirklichkeitsbegriff gerät folglich ins Wanken. Anfangs geschieht jedoch in Die letzte Welt nur wenig Phantastisches, das dies auslösen könnte. Dennoch weist der Roman eine Vielzahl an Stellen auf, in denen für Cotta die Grenze zwischen Realität und Imagination nicht eindeutig ist. Hierbei werden Zustände angesprochen, die sich an der Grenze der Vernunft und des Bewusstseins befinden. Einige charakteristische Textstellen aus Ransmayrs Roman werden nun diesbezüglich analysiert. Cottas Wirklichkeit wird unter anderem durch die Beschreibung von Grenzzuständen dekonstruiert, die dem Leser wohl bekannt sind. In Zuständen der Müdigkeit (vgl. LW: 62), des Fiebers (vgl. LW: 80), der Trunkenheit (vgl. LW: 73) und der sexuellen Begierde (vgl. LW: 121f.) verändert sich die Wahrnehmung und auch das Verhalten Cottas. Cottas Wirklichkeit verliert allmählich, wie in einem Traum ihre Konturen. So zum Beispiel als Cotta bei seiner Suche nach Naso auf dessen Knecht Pythagoras in Trachila stößt. Als Cotta ihm durch ein ‘Labyrinth aus Stämmen und Zweigen’ folgt und dabei zu ‘müde [ist,] um sich noch gegen die Schläge der Sträucher zu schützen’ (LW: 62), verschwimmen Cottas Wirklichkeit und das Phantastische in Trachila, dem letzten Zufluchtsort Nasos: Aus Pythagoras wird plötzlich ‘ein uraltes, unmenschlich altes Wesen, das an den äußersten Rand des Lebens gekommen war’ (LW: 63). Hierbei wird deutlich, dass das vom Subjekt als Wirklichkeit Erfasste ein Konstrukt seiner Wahrnehmung ist. In seiner Auseinandersetzung mit dem Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben kritisierte bereits Nietzsche die Tatsache, dass die Geisteswissenschaften sich an einem unerreichbaren Objektivitätsideal orientieren. Von diesem Konzept Nietzsches ausgehend sprechen auch postmoderne Theoretiker von der Wirklichkeit als Konstrukt subjektiver Wahrnehmung. Da sich aber selbst das Subjekt verändert und mit ihm auch seine Wirklichkeitswahrnehmung, kann schon deshalb nicht die Rede von einer absoluten allgemeingültigen Wirklichkeit im Sinne der Moderne sein. Da sich das Subjekt nicht einmal darüber sicher sein kann, wie es selbst in Zukunft denken, handeln und Wirklichkeit wahrnehmen wird, werden ihm seine Möglichkeitsspielräume, laut Sartre, erst in Grenzzuständen bewusst. Da Wahrnehmung somit vom Möglichkeitsspielraum des Subjekts abhängt und dieser ihm erst in den Grenzerfahrungen bewusst wird, leitet Ransmayr seine Figuren bewusst in Grenzzustände, die ihre Wahrnehmung und somit ihre Wirklichkeit verfremden. Dementsprechend erscheinen Cotta bei seinem Aufenthalt in Trachila, im Grenzzustand der Müdigkeit, seltsame Geschöpfe: ‘Der Viehhirt trug auf seinen Schultern einen Klumpen, der aus Wimpern, Lidern, Tränensäcken und Augäpfeln bestand, auf denen sich das Silberlicht in Sternen spiegelte und brach, trug einen rundum blinzelnden, starrenden, schauenden, stierenden Klumpen, einen Schädel aus Augensternen.’ (LW: 64). Bemerkenswert ist, dass dieses als ‘furchtbar’ (LW: 64) empfundene Wesen zugleich von Cotta als ‘schön’ (LW: 64) charakterisiert wird. Cotta fasst das Entsetzen (LW: 64) und er findet sich in der von Sartre beschriebenen Extremsituation der Angst wieder, in der der Mensch erst seinen Möglichkeitsspielraum erkennt. Tatsächlich tritt auch bei Cotta ‘neben [der] Transgression der Wirklichkeitsgrenze […] die des Humanen”, da er aufgrund seiner Angst ‘einen hohlen, langen Schrei [spürt], der aus seinem Innersten kam, einen fremden, tierischen Laut, der seinen Rachen, die Nasen- und Stirnhöhlen erfüllte, seinen Kopf vibrieren ließ und endlich als Gebrüll gleichzeitig aus Mund und Nase hervorstieß: Es war das Brüllen einer Kuh.’ (LW: 64) Selbst das Humane kann demnach nicht länger als Orientierungsbasis dienen. Viele Aspekte des Romans lassen sich auf das hiermit verbundene Konzept Nietzsches zur ‘Auflösung des Subjekts’ zurückführen, das in der Unbeständigkeit der Persönlichkeit Cottas zum Ausdruck kommt. Deutlich wird dies auch in der Nacht, in der Echo, eine ‘berückenden Schönheit’ (LW: 247) zum Opfer seiner Lust wird.

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