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Gesellschaft / Kultur


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Produktart: Buch
Verlag: disserta Verlag
Erscheinungsdatum: 10.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 244
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Es ist kein Geheimnis, dass trotz jahrzehntelanger Bemühungen zentrale Fragen der Parizivalforschung bisher nicht gelöst werden konnten. Einen entscheidenden Beitrag zur Enträtselung des Prologs dieses Versromans hat in letzter Zeit jedoch die zufällige Wiederentdeckung der archaischen Bickelwürfel geleistet, die in früheren Jahrhunderten beim Glücksspiel benutzt wurden. In Form der sogenannten bickelwort -Metapher erlangten diese Würfel – im historischen Literaturstreit um literarische Konzepte zwischen Gottfried von Strassburg und Wolfram von Eschenbach – eine schicksalhafte Bedeutung. Durch eine exakte wissenschaftliche Analyse von Formen und Funktionen dieser historischen Würfel konnte ein Einblick in die Verrätselungstechnik Wolframs bei der Konzeption des Parzivalprologs gewonnen werden. Die Entschlüsselung von bickelwort-Metaphern , mit denen Wolfram gezielt die sich wandelnde Bedeutung von Wörtern als literarische Mittel und Motive einsetzt, ermöglicht einen rational nachvollziehbaren Zugang zum bisher fast vollständig verschlossenen Verständnis von Grundlagen und -anliegen des Dichters. Wie die vorliegende Studie zeigt, kann durch diesen Schlüssel unter anderem die Mehrschichtigkeit des Menschenbildes im Roman erhellt und das Verhältnis der größten mittelalterlichen Dichter zueinander im Literaturstreit erklärt werden.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3, Das Menschenbild des Parzivalromans: 3.1, Das dichterische Bild einer schweren Schuld: Ohne Zweifel hatte die Kreuzzugsidee um die Wende des 12./13. Jahrhunderts erheblich an Glanz verloren nicht zuletzt durch die militärischen Misserfolge im Kampf gegen den Islam. Für Wolfram war es ohnehin nicht genug, den Kampf gegen den Unglauben nur mit Schwert und Lanze zu führen. Er vertraute der Schärfe des Wortes und den Waffen seines Geistes. Verwerflich schien ihm der Abfall vom Glauben, den er im literarischen Konzept seiner Dichtung reflektiert und in seinen literarischen Bildern scharf verurteilt. Es ist die schwerste Verfehlung, wie sich am Schicksal des Gralskönig Amfortas erkennen lässt. - Wolfram gestaltet es nach dem alttestamentarischen Vorbild Salomons und seiner Untreue gegen Gott, wie im ersten Buch der Könige, Kap. 10/11, ausführlich berichtet und im 2. Buch der Chronik theologisch meditiert (z. B. cap. 12,2) wird. Der biblischen Vorlage entsprechend erwartet auch den Gralskönig eine entsprechende Strafe. Selbst wenn im Romantext die ‘Fakten’ nicht unmittelbar zu vergleichen sind, weil die Motive im literarischen Prozess einem Gestaltwandel unterliegen, ist die analoge Situation dennoch an bestimmten Zeichen zu erkennen. Der Heide Flegetanis, eine Romanfigur, ist z. B. ein Verwandter bzw. Abkömmling König Salomons. Er kommt aus dem Reich Sekundilles, einer orientalischen Königin. Er betete ein Kalb an, heißt es weiter. Hatte nicht schon die heidnische Königin von Saba - wie Sekundille - Salomon mit Schätzen überhäuft und sein Herz ihren Göttern geöffnet? Im ersten Buch der Könige Kapitel 11,1-10 heißt es: ‘Der König Salomo liebte viele ausländische Weiber neben der Tochter des Pharao. Es waren moabitische, amonitische, edomitische, sidonitische und hethitische Weiber, d. h. aus den Völkern, von denen der Herr den Israeliten geboten hatte: Ihr sollt nicht zu ihnen gehen, und sie sollen nicht zu euch kommen. Sonst wenden sich bestimmt eure Herzen ihren Göttern zu. An diesen hing Salomo in Liebe.’ Der Herr sprach daher zu ihm: ‘Da es so mit dir steht und du meinen Bund und meine dir gegebenen Satzungen nicht befolgt hast, will ich dir das Königtum entreißen’. Musste sich nicht Amfortas einem ähnlichen Urteil beugen? Er hatte sich als der Hüter des Grals, ‘ein künec der des wunsches herre was’ (616,13) auf dem Umweg über ein Liebesverhältnis mit der Königin Sekundille auf den Islam eingelassen wie heißt es im Text ‘aus Liebe’. Es bleibt zunächst offen, ob diese Liebe sich nur auf ihre Person oder auch auf ihren Glauben bezog. Jedenfalls übereignet Sekundille ihrem Liebhaber ein nicht näher beschriebenes, jedoch höchstes Gut, den ‘cram’ in der Form eines ungeheuer wertvollen und unbezahlbaren ‘Zeltes’. Liegt darin nicht auch schon eine Anspielung auf ein besonderes ‘Zelt’ mit einer ‘Bundeslade’ und darin aufbewahrten Gesetzestafeln? In einem Zelt hatte Gott bei den Israeliten Wohnung genommen und war mit ihnen 40 Jahre durch die Wüste gezogen. Ein Zelt ist auch das Heiligtum des Islam. Das Zelt vor Schastel marveille war ein Würfel aus schwarzem Samt (‘vierecke hoch unde wit’) und kann daher als Kaaba eindeutig dem Islam zugeordnet werden. Mit dem Verkauf dieses ‘cram’, (womit auch der Inhalt des Zeltes, nämlich eine Lehre gemeint sein kann) vor Schastel marveille war ein besonderer ‘cramaere’ beauftragt. Die Zuordnung von Zelt (Kaaba) und cramere lässt darauf schließen, dass damit wahrscheinlich Mohammed gemeint ist, von dem man weiß, dass er vor seiner Berufung zum Propheten Kaufmann war. Der ‘cram’ stammte aus dem Besitz Orgeluses. Amfortas hatte diesen ‘cram’ als Liebesgeschenk von Sekundille erhalten und seinerseits ‘aus Liebe’ an Orgeluse weitergegeben. Die Weiterverbreitung des Unglaubens und Anbetung fremder Götter war im alttestamentarischen Sinn ‘Ehebruch’, das schwerste Vergehen, dessen sich ein gläubiger Jude, noch dazu als König des auserwählten Volkes, schuldig machen konnte: Es ist ein Treuebruch, der im biblischen Text des AT drastisch und expressis verbis ‘Hurerei’ genannt wird! Amfortas erhält seine Strafe ‘an Ort und Stelle’, wie ein archaisches Ritual: Das positive Zeichen des Alten Bundes, den Gott mit Israel geschlossen hatte, war die Beschneidung. Die spiegelbildliche Negativform dieses heiligen Zeichens, nunmehr als Zeichen für den Bruch des Bundes mit Gott, ist die Wunde des Amfortas! Wolfram gibt der Beschneidung als Zeichen des Bundes mit Gott bei den Juden - in der Rede Gyburcs – den gleichen Rang, wie der Taufe bei den Christen: ‘der juden touf hat sunder site: den begent si mit einem snite’ (Willehalm 307,23-24). Symbolisch wird Amfortas also für sein ‘Fremdgehen’ bei heidnischen Göttern ‘adäquat’ vergolten: Abraham - auch Salomon - waren Nachkommen wie Sand am Meer verheißen worden. Einer von ihnen würde sogar der Messias sein, der sein Volk Israel erlösen sollte! Das Symbol dieser besonderen Fruchtbarkeit im geschichtlichen und heilsgeschichtlichen Sinne war die Beschneidung als Zeichen der Auserwählung. Das analoge Signum der Fülle irdischen und himmlischen Lebens - nämlich die Taufe - galt auch für das ‘königliche, auserwählte Volk’ auf dichterischer Ebene und seinen König Amfortas. Der Abkehr und dem Verrat folgen Tod, Trauer und totaler Unfruchtbarkeit als Strafe. Ein ursprüngliches Merkmal einer Heilsordnung im religiösen Sinn - die Beschneidung - wird zum Zeichen der herrschenden Verwirrung auf der Gralsebene! Und so fragt Parzival schließlich: ‘Oheim, was wirret dir?’, d. h. ‘Wer oder was hat Dir den Sinn (Glauben) verdreht’? Der große ‘Verwirrer’ ist der ‘Diabolus’, der Teufel. Er ist hier im Spiel! Analogie und Polarität als Mittel dichterischer Gestaltung, wie sie schon im ersten Vers nachgewiesen wurden, sind hier als ‘Sinn und Unsinn’, als Heil und Unheil nicht zu übersehen! Amfortas’ Wunde ist ikonographisch eine Analogie zur Gottferne Salomos, der sein Königtum verliert. Gleiches geschieht Amfortas und dem auserwählten Gralsgeschlecht im dichterischen Konzept des Romans. Die Wunde des Gralskönigs ist in diesem Sinne ein ins Gegenteil verdrehtes Symbol für ein übernatürliches Leben, das dem Volk durch seinen Unglauben verloren ging. Nicht die Liebe zur Königin Sekundille scheint allein die Schuld des Königs Amfortas zu sein, sondern der Verrat, sein Einlassen auf ihren Unglauben (den Islam?), den sie ihm als ‘unbezahlbares’ Geschenk übergab ein Geschenk, das Amfortas danach seiner Geliebten Orgeluse, der späteren Ehefrau Gawans, zum Geschenk machte. Amfortas hatte also auch noch andere zum Unglauben verführt. Sowohl Beschneidung als auch ihr Gegenteil, die Bestrafung des Gralskönigs, haben mit Fruchtbarkeitssymbolik etwas zu tun, nicht zuletzt in jener tieferen messianischen Bedeutung, wie sie Abraham für sich und sein Volk beanspruchen durfte. Es besteht gar kein Grund die Nase zu rümpfen, wie Gottfried von Strassburg es tut (‘eine rede, die nicht des hoves si’!) oder Wolfram deswegen als einen ‘vindere wilder maere’ zu bezeichnen. So ‘wild – fremd’ ist sie in der Tat nicht vorausgesetzt, dass man sie versteht oder auch nicht verstehen will! Dieser mit einer solchen Formulierung angedeutete Verdacht könnte etwas mit der Auseinandersetzung um zwei gegenteilige Romankonzepte zu tun haben, wie folgende Überlegung zeigt: Wenn schon der ‘Ehebruch’ im engeren und weiteren Sinne als Treuebruch einem ‘König’ gegenüber, sowohl bei Gottfried von Strassburg in ‘Tristan und Isolde’ als auch bei Wolfram Verrat war, so lassen sich Vergleiche anstellen, die nicht unbedingt zu Gunsten Gottfrieds ausfallen. In beiden Romanen ist je ein König das Opfer ehebrecherischen Verhaltens: Im Tristan König Marke, der als jämmerliche Figur zugrunde geht im Gralsgeschehen ist es wohl Gott selbst, der als König der Könige beleidigt wird. Königswürde und die Königssalbung haben keinen Wert mehr, wenn Gottfried mit unübersehbaren Zynismus formuliert: Die Liebenden, - gemeint ist das ehebrecherische Verhältnis von Tristan und Isolde – seien stattdessen mit ‘Liebe gesalbt’! Allein dadurch seien sie schon gerechtfertigt. An die Stelle menschlichen, geschichtlichen Handelns tritt das ‘Schicksal’ in Gestalt eines Zaubertrankes. Die daraus folgende konzeptionelle Verantwortungslosigkeit bei Gottfried v. Str. führt schließlich unaufhaltsam in das Chaos. Eine solche künstlerische Aussage mag insofern berechtigt sein, als sie beispielhaft die geschichtliche Realität im 12. Jahrhundert reflektiert, was das französische Königshaus betrifft. Mit dem Königtum auf geschichtlicher Ebene (dem Ende des angevinischen Königreiches 1204) geht auch das Königtum auf Romanebene zugrunde: Konnte Gottfried u. U. wegen bestimmter historischer Prämissen (seine Verehrung für Eleonore, der er wohl ein Denkmal setzen wollte!) auch den Roman und den damit verbundenen literarischen Konflikt nicht zu einem befriedigenden Abschluss führen? Nicht zuletzt auch wegen der grundsätzlichen Kritik Wolframs an seinem literarischen Konzept? Bei der Motivgleichheit wird das moralisch höher zu bewertende Werk ohne Zweifel das Konzept des Parzivalromans sein. Es sei denn, man ist bereit, einen durchgehenden Zynismus Gottfrieds in seinem Werk zu akzeptieren, gerade auch deshalb, weil er exakt die reale geschichtliche Situation des 12. Jahrhunderts widerspiegelte. Wie das in der o. a. Interpretation angedeutet wird, lassen sich die Dichtungen Gottfrieds und Wolframs in diesem Sinne durchaus miteinander vergleichen. Ob ein solcher interner Vergleich, letztendlich zwischen den Dichtern zum Streit führte, bleibt eine offene Frage. Bei Gottfried sehen wir also Niedergang des Königtums an den Folgen einer ‘Ehe’, die – nicht zuletzt unter dem Einfluss von Magie - aus fortwährendem Ehebruch besteht. Gottfried gibt König Marke - und zeitgenössische Königsfiguren, die es vielleicht nicht anders verdient hatten – der Lächerlichkeit preis. Der Untergang des angevinischen Königreiches ist nicht zuletzt auch die Folge des Zerfalls der Sitten im angevinischen Königshaus, sowohl im Roman als auch in der geschichtlichen Realität. Bei Wolfram sehen wir demgegenüber Aufstieg des Einzelnen und des Volkes zu einem neuen Königtum der Kinder Gottes durch Versöhnung mit Gott, obwohl oder gerade weil alle Menschen Sünder sind, die seinen Bund gebrochen hatten. Die Restauration eines morbiden Königtums, ein vielfach an die Adresse Wolframs gerichteter Vorwurf, ist aus dem ‘Parzival’ nicht abzuleiten. Durch ‘moralische Wiederaufrüstung’ hätte sein Werk allerdings indirekt, d. h. im erzieherischen Sinne zur Reform des Königtums beitragen können. 3.2, Parzival und seine Brüder: Wolfram beschreibt im Eingangsvers des Romans in der Form eines Rätselwortes (des zweideutigen Bickel - oder Rätselwortes ‘zwîvel’) die Situation des Menschseins in dieser Welt als Zwiespältigkeit. Von Anfang an wird es als ein ‘Dreierverhältnis’ zu seinen Doppelgängern Gawan und Feirefiz reflektiert. Parzival ist dabei der im ‘Zwielicht’ agierende primus inter pares eines Triumvirates von handelnden Romanfiguren, die - sozusagen nach biblisch/trinitarischem Muster - als Personen mit dem Romanhelden Parzival identisch sind: Gawan als das ‘andere Ich’, der heller strahlende Teil, eine Analogie zu Parzivals historischer Existenz. Feirefiz im Bild des gefleckten Gefieders der Elster ‘als heidnische, fast unschuldige Verkörperung des zwîvels’ und als ‘Parzivals früheres Ich’ aus der Vorgeschichte. Parzival selbst als der Vertreter des Gralsgeschlechtes, dessen hervorstechende Bedeutung in seiner Erlösungsbedürftigkeit und Auserwähltheit als Getaufter zu sehen ist, der auf einer übergeordneten heilsgeschichtlichen Ebene existiert, die zugleich geschichtlich und metaphysisch ist und durch die Taufe ins Dasein gerufen wurde. Ob Feirefiz nur jene ‘Licht- bzw. Erlösergestalt’ ist, als die sie bisher beurteilt wurde, ist eine ‘Gretchenfrage’ an den Roman. In der Forschung wurde sie bisher nicht beantwortet. Sie stellt sich jedoch im Zusammenhang mit der Gralsfrage. In gewisser Weise ist sie sogar mit ihr identisch. Sie lautet in veränderter Version: ‘Oheim, was wirret dir?’ Amfortas war zweifellos ‘verwirrt’, als in der zweiten Gralsszene neben Parzival auch Feirefiz vor ihm erscheint. Zu Parzival gewandt sagt er: ‘sîns stêns ich im vor mir niht gan ’ d. h.: ‘Sein Erscheinen vor mir dulde ich nicht’! Warum? Hatte nicht die Heidin Sekundille Amfortas (ihren Liebhaber) durch einen ‘unbezahlbaren cram’ verführt? Hatte dieser nicht das zweifelhafte ‘Geschenk’ an die dadurch ‘verwirrte’ Orgeluse weitergegeben? War nicht ‘Sekundille’ die Ehefrau des Feirefiz’, des ‘zweifelhaften’ Bruders von Parzival? Im Namen dieser Frau, der mit ‘secundus’ und ‘ille’ (lat. altes Gerundiv von sequor mit partizipialer Bedeutung) etwas zu tun hat, schwingt die dubiose Vorstellung von ‘folgen, verfolgen, begünstigen’ (im Sinne von Bestechung) mit. Das Wortteil ‘ille’, a, ud ist ein Maskulinum und heißt in erster Bedeutung ‘jener’, in zweiter Bedeutung jedoch ‘der berühmt - berüchtigte’. Als Endsilbe ihres Namens klingt ‘ille’ zwar sehr feminin. Das ändert aber nichts daran, dass wie bei allen anderen Namen im Roman, die zweite, apokryphe Bedeutung u. U. eine größere Rolle spielt und programmatische Bedeutung hat. Vermutlich auch hier. Das Verschlüsselungsprinzip ist dasselbe, wie bei den im Text verwendeten anderen Äquivokationen oder sog. ‘Bickelwörtern’. Außer im Elsterngleichnis ist ein weiterer Hinweis auf den Bruder im Wort ‘zwi-vel’ enthalten: Ein ‘vel’ ist sowohl Fell, Haut, Gefieder oder auch Pergament. Feirefiz wird als elsterfarbig, ausdrücklich aber auch als ein ‘beschrieben Pergamint’ vorgestellt. Im ‘Leitwort’ des Prologs und dem Elsterngleichnis sind damit Zeichen einer mehr als nur möglichen ‘trinitarisch-literarischen’ Grundkonzeption des Parzivalromans erkennbar, die durch den Text bestätigt werden: ‘nu lât mîn eines wesen drî, der ieslîcher sunder pflege daz mîner künste widerwege: dar zuo gehôrte wilder vunt’ (Pz. 4,2-5). ‘Nun lasst mich einen einmal drei sein, von denen jeder ohne Anstrengung das könnte, was meiner Kunst (als Einzelnem) entspräche: dazu gehörte eine außerordentliche Erfindungsgabe’. Wenn Wolfram sinngemäß sagt, ‘angenommen, statt einmal gäbe es mich dreimal’ (Spiewok), so identifiziert er sich von Anfang an mit seinem Helden Parzival, der im Verlauf des Romans tatsächlich in drei Gestalten als Parzival - Gawan - Feirefiz auftritt. Darüber hinaus - und das ist m. E. ein ganz wichtiger konzeptioneller Hinweis – handelt es sich doch um eine gezielte Anspielung auf das biblisch/trinitarische Menschenbild schlechthin. - Im unmittelbar vorhergehenden Text hieß es: ‘Solt ich nu wîp unde man ze rehte prüeven als ich kann, dâ vüere ein langes maere mite’ (Pz. 3,25-3,27). Der letzte Vers soll wohl die Unmöglichkeit andeuten, dieses christliche Menschenbild auf seine ‘Richtigkeit zu prüfen’ oder angemessen zu beschreiben. Selbst wenn alle drei über das gleiche dichterische Können verfügten, wäre das Ergebnis nur eine völlig wirklichkeitsferne Erfindung m. a. W. ein ‘wilder vunt’. Deshalb will Wolfram die Heilsgeschichte, als Geschichte einer Menschwerdung, auf eine neue Art erzählen: ‘ein maere will ich iu niuwen’ (4,9), als eine fiktive literarische Heilsgeschichte. Interessanterweise verwendet Wolfram an dieser Textstelle wiederum ein Wort mit zweierlei Bedeutungen: Als schwaches Verb heißt niuwen erneuen bzw. erneuern als starkes Verb hat niuwen die Bedeutung ‘zerstoßen, zerdrücken, stampfen, bes. auf der stampfmühle enthülsen’ (s. Lexer).

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