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  • Entscheidungen über Leben und Tod: Vergleich der Entscheidungsfaktoren für die Positionierung gesellschaftlicher Akteure zu den Themen Sterbehilfe, Schwangerschaftsabbruch und Stammzellforschung

Gesellschaft / Kultur


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Produktart: Buch
Verlag: disserta Verlag
Erscheinungsdatum: 12.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 388
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

In dieser Untersuchung werden ausgewählte Teile des ethischen Entscheidungsprozesses zu den Themen Sterbehilfe, Schwangerschaftsabbruch und Stammzellforschung dargestellt. Zu diesem Zweck werden philosophische, historische und medizinisch-biologische Hintergründe zu diesen drei Themen erläutert. Daraufhin wird die Beteiligung wichtiger gesellschaftliche Akteure an den Entscheidungsprozessen bis zum Jahr 2007 dargestellt und die Faktoren, welche die Positionierungen derselben beeinflusst haben, werden herausgearbeitet und verglichen. Schließlich wird beschrieben, inwiefern sich diese Faktoren grundsätzlich vereinfachend oder erschwerend auf die Durchsetzung von Reformbestrebungen in den drei genannten Bereichen auswirkten.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 1.3.3, Medizin- und Bioethik: Um konkretere ethische Aussagen zu speziellen Konfliktsituationen machen zu können, entwickelten sich zahlreiche Bereichsethiken. Für diese Studie ist an erster Stelle die Medizin- und Bioethik zu nennen. Die Bioethik beschäftigt sich zwar generell auch mit Pflanzen und Tieren, soll hier aber nur in Bezug auf den Menschen betrachtet werden. Die Bioethik ist noch keine vollständig entwickelte Bereichsethik und bezieht ihre Aussagen vor allem aus der Verwertung und Übertragung bereits vorhandener anderer Bereichsethiken. In Bezug auf den Menschen stellt vor allem die sehr viel ältere Medizinethik eine Quelle für die Bioethik dar, weshalb diese ausgewählt wurde, um sie genauer darzustellen. Die Medizinethik befasst sich mit Fragen nach dem ‘moralisch Gesollten, Erlaubten und Zulässigen im Umgang mit menschlicher Krankheit und Gesundheit.’ Wie viele andere Ethikbereiche ist auch die Medizinethik kulturell beeinflusst, einige Regeln sind aber weit verbreitet. Betrachtungen älterer Dokumente zeugen davon, wie sich die Medizinethik mit der kulturellen Situation änderte. Erkennbar wird dies zum Beispiel an der Veränderung des Krankheitsbegriffes allgemein. Viele Krankheiten wurden früher als Stigmata betrachtet, als Gottesstrafe oder als Resultat mangelnder Hygiene oder bestimmter sozialer Verhältnisse. Das Wissen um genetische Veranlagungen verschob dieses Bild für kurze Zeit in die gegenteilige Richtung. Doch Infektionskrankheiten, wie zum Beispiel Aids, ließen die Stigmata wieder aufkeimen. Einige alte Dokumente, wie der Eid des Hippokrates, zeigen, wie sehr sich auch die ethischen Gesetze über die Zeit veränderten. Solche Dokumente zeigen aber ebenfalls die lange Tradition der Medizinethik auf und sie enthalten Regeln, die heute noch Gültigkeit besitzen. Der Hippokratische Eid, der vermutlich von dem griechischen Arzt Hippokrates von Kos etwa 400 v. Chr. Niedergeschrieben wurde, verbietet zum Beispiel das Operieren von Blasensteinen und den Schwangerschaftsabbruch. Solche Verbote sind in der heutigen, abgewandelten Form des Hippokratischen Eides nicht mehr zu finden. Geblieben ist aber zum Beispiel das Gebot, den Kranken nicht zu schaden oder die ärztliche Schweigepflicht. Heutzutage ist die Ethik der Medizin auch nicht auf Handlungsgebote für Ärzte beschränkt. Die Regelungen müssen unter anderem auch das Handeln von Pflegekräften, Forschern oder Angehörigen regeln. Weit anerkannte Grundsätze medizinischer Ethik sind das Wohlergehen des Patienten (Primum non nocere), das Recht auf Selbstbestimmung und das Prinzip der Menschenwürde. Entscheidend für die Entwicklung der Medizinethik war auch der Perspektivenwechsel vom Arzt zum Patienten. So genannte Patientenrechte sollen heute gewährleisten, dass ein ethisch richtiger Umgang mit den Patienten eingehalten wird. Diese Rechte des Patienten beziehen sich auf eine Vielzahl von Sachgebieten wie zum Beispiel die Aufklärungspflicht, die medikamentöse Versorgung oder die Arzthaftung. Der Medizinethik kommt besonders in Deutschland deshalb eine besondere Stellung zu, weil die Überschreitung medizinethischer Grenzen während des zweiten Weltkrieges starke Spuren hinterlassen hat. Nach den Nürnberger Ärzteprozessen von 1946 bis 1947 versuchte man grausame medizinische Machenschaften, wie Menschenversuche oder Euthanasie, durch ein neues medizinisches Ethos zu unterbinden. Der ‘Nürnberger Kodex’ besagt so zum Beispiel, dass zu jedem Versuch am Menschen dessen Einwilligung erforderlich ist. Auch muss der Versuch zum Wohl der Gesellschaft dienen und er muss zu diesem Zweck unumgänglich sein. Jedes unnötige körperliche oder seelische Leiden muss vermieden werden. Besonders der erste Aspekt des ‘informed consent’ wurde auf viele andere Medizinbereiche übertragen und in die Patientenrechte mit aufgenommen und wird trotz seiner teils unmöglichen Erfüllbarkeit weiterhin von vielen als wichtigstes Regulativ erachtet. Weitere Texte, in denen medizinethische Regeln festgehalten werden, sind das Genfer Ärztegelöbnis und die Deklaration des Weltärzteverbundes von Helsinki zum Thema medizinische Forschung. Wie auch bei anderen ethischen Bestimmungen tauchen Probleme in der Medizinethik besonders dann auf, wenn ganz konkreten Konfliktsituationen keine exakte Handlungsanweisung zugeordnet werden kann. Dieses Problem ist in der Medizinethik deshalb so sensibel zu betrachten, weil Ärzte oder Forscher Einzelentscheidungen mit manchmal gravierenden Folgen für den Patienten zu treffen haben. In dem wohl einflussreichsten Werk der neueren Medizinethik, ‘Principles of Biomedical Ethics’ werden grundlegende Prinzipien und ihre Anwendbarkeit auf Entscheidungssituationen dargestellt. Um eine bestimmte medizinische Entscheidung zu rechtfertigen, nennen die beiden Autoren vier Prinzipien: Autonomie, Schadensvermeidung, Fürsorge und Gerechtigkeit. Aus diesen Grundprinzipien entwickeln sich dann Regeln für die verschiedensten Entscheidungsbereiche der Medizin. Schließlich kommt es aber immer wieder zu Entscheidungskonflikten, wenn zwischen den Prinzipien gewählt werden muss. Auch die Autoren selbst sind sich dieser Problematik bewusst und bezeichnen ihr Werk nicht wie geplant als endgültige ethische Theorie, sondern als Darstellung von Prinzipien (Ausgabe 2001, S.405). Generell gilt, dass viele Mediziner der Meinung sind, dass eine Minimalmoral, die situationsbedingt auf jeden Fall angewendet und angepasst werden kann, im Bereich der Medizin sinnvoller erscheint als konkrete ethische Regeln zu Einzelfällen (Kymlicka 1993). Diese Ansicht wird auch deshalb vertreten, weil viele der ethischen Regeln, die auf den ersten Blick unangreifbar erscheinen, in der Realität strittig sein können. So wird zum Beispiel das Recht auf Autonomie in Frage gestellt, wenn es darum geht, dass ein Mensch aus verschiedenen Gründen nicht in der Lage ist, schriftlich seine Einwilligung zu einer Behandlung zu geben. Neuerdings wird mit Hilfe der Medizinethik auch versucht, Antworten auf Fragen der Biomedizin zu finden. Diese Bereichsethik wird auch oft unter dem Begriff ‘Bioethik’, als Spezialfall der Medizinethik, betrachtet. Besonders hier erweisen sich die medizinischen Grundregeln als unvollkommen und können den neuen Anforderungen und den neuen Abwägungsprozessen, die unternommen werden müssen, nicht standhalten.

Über den Autor

Nadja Wolf wurde 1979 in Hamburg geboren und studierte in München und Bradford Politik und Biologie. Nach der Promotion beschäftigte sie sich auch im Rahmen ihrer journalistischen Tätigkeit mit aktuellen ethischen Fragestellungen. Die breite und umfassende Ausrichtung dieses Buches bietet die Basis für speziellere Fragestellungen im Bereich Medizinethik.

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