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Gesellschaft / Kultur

Nina Friedlein

Wahrnehmungsförderung nach Félicié Affolter aus heilpädagogischer Sicht

ISBN: 978-3-95425-494-1

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Produktart: Buch
Verlag: disserta Verlag
Erscheinungsdatum: 05.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 132
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

In dieser Arbeit wird das Konzept der Wahrnehmungsförderung nach Félicie AFFOLTER vorgestellt und dessen Bedeutung in der heilpädagogischen Arbeit mit Menschen mit geistiger Behinderung erörtert. Nach einer Einführung zum komplexen Begriff der Wahrnehmung im Allgemeinen, sowie AFFOLTERs spezifischer Sichtweise von Wahrnehmung folgt die Darstellung neurophysiologischer Grundlagen, um die komplexen physiologischen Vorgänge bei der menschlichen Wahrnehmung aufzuzeigen. Anhand eines kurzen Überblicks über PIAGETs Entwicklungstheorie wird AFFOLTERs Theorie der Wahrnehmungsentwicklung erläutert. Nach einer Beschreibung von Wahrnehmungsstörungen, insbesondere bei Menschen mit geistiger Behinderung, wird ein geeigneter Behinderungsbegriff vorgestellt, sowie Formen und Ursachen von Wahrnehmungsstörung bei Menschen mit (geistiger) Behinderung dargestellt.Im Anschluss an die Erläuterung grundlegender Zusammenhänge im Bereich von Wahrnehmung und Wahrnehmungsstörungen erfolgt eine ausführliche Beschreibung von AFFOLTERs Konzept der Wahrnehmungsförderung und dessen Anwendung in der heilpädagogischen Förderung von Menschen mit geistiger Behinderung. Abschließend erfolgt eine Reflexion des Konzepts der Wahrnehmungsförderung nach AFFOLTER, welche im Einzelnen Überlegungen zu AFFOLTERs Entwicklungstheorie, die genauere Betrachtung ihrer Sichtweise von Wahrnehmungsstörungen, eine kritische Bilanz des Führens sowie letztendlich die Reflexion des Konzepts in Bezug auf die Förderung von Menschen mit geistiger Behinderung beinhaltet

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 1, Grundlegendes zur Wahrnehmung: 1.1, Was ist Wahrnehmung? 1.1.1, Allgemeine Überlegungen zur Wahrnehmung: Um sich mit Konzepten zur Wahrnehmungsförderung zu beschäftigen – in dieser Arbeit im Speziellen mit der Methode des Führens nach AFFOLTER – ist es zunächst notwendig, sich mit dem Begriff der Wahrnehmung im Allgemeinen zu auseinanderzusetzen. Eine einheitliche Definition für den Begriff ,Wahrnehmung’ zu finden, ist nicht einfach, da Wahrnehmung an sich ein äußerst komplexes Geschehen ist. Je nach den theoretischen Grundannahmen der jeweiligen Autoren bekommt dieser Begriff eine dementsprechend andere spezifische Bedeutung und inhaltliche Gewichtung, so ACKERMANN (vgl. 2001, 27). Die unterschiedlichen Definitionen des Wahrnehmungsbegriffs haben noch weitere Gründe. So stellt ROHDE-KÖTTELWESCH, in Anlehnung an HOLZ-KAMP, fest, dass Wahrnehmung für den, der sich damit beschäftigen will, immer in doppelter, widersprüchlicher Weise zeigt zum einen ist das Wahrnehmen ein selbstverständlicher Bestandteil des täglichen Lebens und zum anderen ist die Wahrnehmung durch die ständige Reflexion darüber für den Menschen höchst problematisch geworden (vgl. 1996, 11f.). Aufgrund der Vielfalt von Definitionen zur Wahrnehmung stelle ich im Folgenden einzelne von mir ausgewählte Sichtweisen vor, die im Zusammenhang mit der späteren Reflexion von AFFOLTERs Wahrnehmungsbegriff sinnvoll sind. Ein knappes und sehr vereinfachtes Verständnis von Wahrnehmung beschreiben TOBLER / FISCHER / MOHR: Aufnahme und Verarbeitung von Reizen, die über das Sinnessystem aufgenommen werden (vgl. 2000, 125). Diese Sichtweise ist jedoch nicht ausreichend, da der Prozess der Wahrnehmung viel umfangreicher ist. Im Allgemeinen denkt man beim Begriff ,Wahrnehmung’ zunächst an die ,fünf Sinne’ (Sehen, Hören, Tasten, Riechen, Schmecken), so MALL. Dies sei aber nur ein Teilaspekt des komplexen Wahrnehmungsvorgangs und dieser wäre so noch nicht vollständig, da es neben den fünf genannten Sinnessystemen noch weitere gäbe, wie z. B. den Gleichgewichts- oder den kinästhetischen Sinn. (vgl. 1997, 15f.) Des Weiteren beschreibt diese Vorstellung lediglich diejenigen Sinnesorgane, welche bestimmte Reize aufnehmen und an das Nervensystem weiterleiten. Wahrnehmung ist jedoch weitaus mehr, nämlich ein ,Prozeß, bei dem eine Vielzahl von Reizen von außen oder aus dem Körper entsprechend den eigenen Bedürfnissen verarbeitet, d.h. mit Sinn versehen werden.’ (Hervorhebung im Original MALL 1997, 16) Ähnlich sieht es FRÖHLICH: ,Wahrnehmung ist die sinngebende Verarbeitung innerer und äußerer Reize unter Zuhilfenahme von Erfahrung und Lernen.’ (Hervorhebung im Original 2005, 52) Der Mediziner Andreas WARNKE sieht Wahrnehmung aus (neuro-) physiolo-gischer Sicht als die ,Fähigkeit des menschlichen Gehirns, Sinnesreize (Empfindungen) in Informationen zu verwandeln und ins Bewusstsein zu führen, die über Zustände und Veränderungen des eigenen Organismus oder der Außenwelt Auskunft geben.’ (2000, 193) Weiter versteht er Wahrnehmung als eine ,Teilleistung’, als ein Ergebnis einer spezifischen Hirnfunktion, die der Informationsverarbeitung dient (vgl. WARNKE 2000, 194). Trotz seiner neurophysiologischen Sichtweise macht jedoch auch WARNKE klar, dass Wahrnehmen nicht nur das bloße Aufnehmen von Reizen und deren Verarbeitung im Gehirn ist. Das Vergleichen von Sinneseindrücken mit früheren Erfahrungen und das In-Beziehung-Setzen mit diesen Erfahrungen als psychische Leistung beim Wahrnehmungsvorgang muss ebenfalls berücksichtigt werden (vgl. 2000, 193). Durch die Verknüpfung von Sinneseindrücken mit individuellen Erinnerungsbildern wird ein Gegenstand oder Zustand in der Außenwelt oder im eigenen Organismus im Bewusstsein erkannt, wird also wahrgenommen. (Hervorhebung von mir vgl. WARNKE 2000, 194) Die Unterscheidung zwischen Empfindung und Wahrnehmung als Prozess der Informationsverarbeitung wird zwar im Alltag nicht bewusst bei Beeinträchtigung der kindlichen Entwicklung durch Wahrnehmungsstörungen rückt diese Unterscheidung jedoch sofort ins Blickfeld (vgl. WARNKE 2000, 193). Ferner betont WARNKE, dass Wahrnehmung an sich keine abgeschlossene Fertigkeit ist, sondern immer Reifungs- und Lernvorgängen unterliegt. Erfah-rungen und auch Lernprozesse beeinflussen die Wahrnehmung, da diese immer im Rückgriff auf bereits gemachte Erfahrungen stattfindet (vgl. 2000, 196). FISCHER sieht Wahrnehmung, über die neurophysiologische Sichtweise hinausgehend, nicht nur als die Unterscheidung äußerer, formaler Reizmerkmale und Aktivierung sensomotorischer Funktionen. Denn menschliche Wahrnehmung lasse sich nicht auf eine nur reizmäßige Grundlage reduzieren, sondern sei gegenständlich und sinnerfüllt (vgl. 2002, 230). Wahrnehmung ist demnach zum einen sinngebende Verarbeitung von Reizen und Beziehungstiftung zwischen gegenständlicher und sozialer Wirklichkeit im Rahmen subjektiver Handlungs- und Erlebnisprozesse (ebenda). Zum anderen beinhaltet Wahrnehmung aber auch Prozesse des Aneignens und des Verstehens der in der Umwelt gegenständlich verkörperten Bedeutungen, sowie die Veränderung bereits erworbener Bedeutungszusammenhänge (vgl. FISCHER 2002, 230). Letztendlich ist Wahrnehmung ein ,Prozeß, der ‚Neues’ und Unbekanntes in ‚Vertrautes’ umwandelt, um eine Orientierung in der Alltagswirklichkeit zu ermöglichen.’ (Hervorhebung von mir FISCHER 2002, 230) Nach FISCHER ist Wahrnehmung außerdem ein ,notwendiger und integraler Bestandteil menschlichen Handelns’ als ein sinnhaftes, mit Bedeutungen durchsetztes Tun. (vgl. 2002, 130) Da der Mensch, im Gegensatz zum Tier, ohne vorgegebene instinktive Verhaltensmuster geboren wird, muss er sich eigentätig mit der Welt auseinandersetzen und sich die soziale Wirklichkeit erschließen. In einem interpretativen Prozess werden den Informationen aus der Umwelt gewisse Bedeutungen zugewiesen, die immer in einer konkreten Situation subjektiv konstruiert werden. Diese Bedeutungszuweisung reicht von einfachen, einheitlichen Strukturen mit immer gleichen Handlungsabläufen (wie z. B. Verhaltensmuster beim Essen mit Besteck anzuwenden) bis hin zu sozialen Bezügen, die in Abhängigkeit von der jeweiligen Situation und aktuellen Stimmungen, Bedürfnissen etc. immer wieder neu gestaltet und angepasst werden. (vgl. FISCHER 2002, 130) Der Mensch erlernt im Laufe seiner Entwicklung immer mehr dieser Bedeu-tungsstrukturen und ist so in der Lage sich gegenüber Personen, sozialen Sachstrukturen etc. angemessen zu verhalten (vgl. FISCHER 2002, 134). Bei dieser Aneignung von Bedeutungsstrukturen im Rahmen des Wahrneh-mungsprozesses nimmt das Individuum jedoch nur das wahr, was es selbst handelnd erlebt und erfährt. Nur subjektiv sinnbringende Reize werden verar-beitet (ebenda). Demnach beruht die Wahrnehmung bestimmter Objekte aus der Alltagswirk-lichkeit immer auf vielschichtigen individuellen Erfahrungen und Erlebnissen, die das Individuum im Laufe seines Lebens erfährt. Wahrneh-mung ist in der Regel nicht das Ergebnis der Informationsvermittlung über die einzelnen Sinnesmodalitäten, sondern entsteht in einem konstruktiven Prozess auf Grundlage individueller abgespeicherter Vorerfahrungen (vgl. FISCHER 2002, 52). Die Wahrnehmung der Wirklichkeit ist bei jedem Menschen unterschiedlich jeder konstruiert seine subjektive Wirklichkeit durch den handelnden Umgang mit der Umwelt und die Qualität an Begegnungen in dieser Umwelt. Wahrnehmung in diesem Sinne ist ein aktiver Aneignungsprozess, der von Individuum zu Individuum variiert (vgl. FISCHER 2002, 64f.). Nach FISCHER ist die Fähigkeit, sich selbst und seine Umwelt wahrnehmen zu können, die ,Grundlage für die Fortbewegung, für Handlungs- und Denk-prozesse, für zwischenmenschliche Kontakte und Verständigung, für den Aufbau von Selbstbewußtsein und -vertrauen’. Gelungene Wahrnehmung ist somit eine notwendige Voraussetzung für die Lebensbewältigung in der sozialen und dinglichen Umwelt (vgl. 2002, 9). Ebenfalls aus heilpädagogischer Perspektive sieht KOBI den Begriff der Wahrnehmung folgendermaßen: Wahrnehmung als ein ,hochintegriertes Beziehungsgefüge’, welches die Basis für jede Art der Kooperation mit der Sachwelt und der Personwelt darstellt, darüber hinaus mit sich selbst und mit dem, was man jenseits der empfindungsgestützten Wahrnehmungswelt lediglich vermutet, aber dennoch als ,wahr’ nimmt (Hervorhebung im Original vgl. 2000, 23). Wahrnehmung umfasst zum einen die physiologische und periphere Sinnestätigkeit sowie die zentrale Verarbeitung von Sinneseindrücken, zum anderen wird jedoch neben diesen Akten des Aufnehmens auch die psychische Verarbeitung – die Selektion, die Einordnung und Speicherung, Deutung und situative Wertung – miteinbezogen, so KOBI (vgl. 2000, 22). Er bezeichnet das Wahrnehmungsgeschehen als ,bipolare Einheit’ aus dem ,Wahrnehmen der ‚Außen’welt’ und dem ,Wahrnehmbarmachen der ‚In-nen’welt’ es geht eben nicht nur um die Wahrnehmung der Umwelt, sondern in jedem Moment auch um die begleitende Selbstwahrnehmung – die ,Eigen-wahrnehmung des Wahrnehmenden im Akt der Wahrnehmung’ (vgl. KOBI 2000, 23). Nach KOBI vollzieht also weder das Sinnesorgan, das den Reiz aufnimmt, noch das Gehirn, welches diesen verarbeitet, den Wahrnehmungsakt, sondern die Person, welche diesen bewusst intendiert, sowie sich gleichzeitig in diesen von den jeweiligen inneren und äußeren Konstellationen mitbestimmten Akten realisiert (Hervorhebung im Original vgl. 2000, 23f.). ,Reize werden aufgenommen – Bedeutungen gestiftet!’, so KOBI (2000, 25). Aus Chaos, der Fülle an Sinneseindrücken aus der Umgebung, konstruiert der Mensch durch personale und soziale Aktivität seine Welt (ebenda). Dabei sind die modalitätsspezifischen Leistungen (Sehen, Hören, Tasten etc.) aus pädagogischer Sicht lediglich am Rande von Bedeutung im Sinne eines ,pouvoir’, also der Fähigkeit durch reguläre instrumentelle Ausstattung wahrnehmen zu können. Zentrales pädagogisches Interesse ruht nach KOBI (vgl. 2000, 25) auf dem Wahrnehmen im Sinne eines ,savoir’, der subjektiven Verfügbarkeit über das perzeptive Instrumentarium und auf dessen optimalem, situativen Einsatz. Wahrnehmen aus der Sicht KOBIs ist also kein bloßes Abbilden der Umwelt, sondern eine aktive Tätigkeit: ,Leben ist, bis in den Schlafzustand hinein, Aktivität.’ (2000, 24) Jedes äußerlich noch so ,passiv’ erscheinende Aufneh-men von Sinneseindrücken ist aktives Geschehen (Hervorhebung von mir ebenda

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