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Gesellschaft / Kultur


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Produktart: Buch
Verlag: disserta Verlag
Erscheinungsdatum: 11.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 220
Abb.: 31
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Sie galt seinerzeit als mustergültig – gar als revolutionär: Mit der Gartensiedlung Gronauer Wald in Bergisch Gladbach schuf das Papierfabrikantenehepaar Anna und Richard Zanders, beeinflusst von der Bodenreformbewegung und noch vor Entstehung der Deutschen Gartenstadtgesellschaft, eine Wohnsiedlung, welche in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts deutschlandweit für Aufmerksamkeit sorgte. Diese Studie soll die Idee und die Entstehung der Gronauer Waldsiedlung skizzieren, sowie die einzelnen Bauphasen der Siedlungsgeschichte beschreiben. Die Entwicklung der Wohnsiedlung wird zudem in den zeithistorischen Kontext eingeordnet. Abschließend soll der aktuelle Zustand der Wohngebäude in der Gronauer Waldsiedlung beschrieben werden sowie auf den Komplex Schutz und Erhaltung des historischen Siedlungsbildes eingegangen werden.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.4.1, Das Modell der Gartenstadt: Die ‘Idee der Gartenstadt’ wurde im Jahre 1898 vom Briten Ebenezer Howard als Reaktion auf die unwürdigen Wohnverhältnisse in den stark angewachsenen Städten veröffentlicht. Ziel war es, die Entwicklung der in der Industrialisierung rasant angewachsenen Städte zu steuern, das unkontrollierte Wachstum neuer Stadtviertel am Rande der Stadt sowie die drohende Verdichtung im Stadtinneren zu verhindern. Stattdessen schlug Ebenezer Howard Siedlungsneugründungen im Umland der historischen Kernstadt vor. Diese neu errichteten Großsiedlungen waren als selbständige Einheiten am Rande der Städte mit einem effektiven Transportsystem zur Verbindung des Trabanten mit der Kernstadt geplant. Eine Gartenstadt sollte nach den Plänen Howards maximal 32000 Einwohner und einen ‘gewissen Abstand’ zur ‘Zentralstadt’ haben. Gartenstädte und Zentralstädte waren durch einen geschützten Grüngürtel getrennt geplant, welche unbebautes Land und Grünflächen enthielten. Das Modell der Gartenstadt sah zudem die so genannte ‘Gartenstadtdichte’ vor: Es wurde auf eine geringe Wohndichte geachtet, als Idealdichte wurden zwölf Häuser pro ‘acre’ angegeben. Des Weiteren sollte die Gartenstadt durch vom Zentrum abgehende Radialstraßen in Nachbarschaften gegliedert werden. Im Zentrum der Gartenstadt sahen die Pläne Ebenezer Howards zentrale Einrichtungen wie Theater, Bücherei, Krankenhaus und Kommunalverwaltung vor. Die Gartenstadt sollte mit allen erforderlichen Arbeitsplätzen ausgestattet sein. Die kreisförmige Gartenstadt wurde tangential durch eine Eisenbahn erschlossen, die die Verbindung zu anderen Städten sicherstellte. Nach der Errichtung der Gartenstadt plante man, die Siedlung nicht weiter auszubauen. Ebenezer Howard sah den Aufbau weiterer Gartenstädte vor, die ebenfalls eigenständige Einheiten bildeten. Im Umfeld einer Zentralstadt konnte so ein Ring von Gartenstädten entstehen, die sowohl von der Kernstadt als auch von den Tochtergartenstädten durch Grüngürtel getrennt waren. In Howards Plänen hatte auch die Finanzbasis der Stadt eine erhebliche Bedeutung: Der gesamte Grund und Boden war als öffentliches oder genossenschaftliches Eigentum vorgesehen. Es sollte eine gemeinnützige, kapitalkräftige Gesellschaft gegründet werden, die im Interesse der Wohnungsreform und der gewerblichen Tätigkeit ein großes Gelände ersteht und nach zweckmäßiger Aufschließung die Planung der Gartenstadt organisiert. Die Überschüsse aus den potentiellen Bodenrenten sollten dazu genutzt werden, die Infrastruktur der Gartenstadt zu erhalten. Die Planer der Gartenstadt sollten sich von den nachstehenden Grundgedanken leiten lassen: Von Beginn an auf die Gesundheit, auf die planmäßige Erschließung des Geländes, sowie die räumliche und zahlenmäßige Größenbeschränkung der Stadt Rücksicht zu nehmen. Nach Ebenezer Howards Plänen wurden die beiden Gartenstädte Letchworth und ‘Welwyn Garden City’ errichtet, die in ihren Grundrissstrukturen zwar von dem kreisförmigen Idealmodell abweichen, trotzdem jedoch wesentliche Merkmale der Gartenstadt aufweisen. Jene Städte waren zunächst die einzigen Siedlungen, welche als ‘reine’ Gartenstädte verwirklicht wurden. Die Ideen Ebenezer Howards führten zur Gründung von 100 neuen Städten in Großbritannien, die nach dem Gartenstadtideal gebaut wurden. Es entstanden jedoch keine reinen Gartenstädte – vielmehr wurden Wohnsiedlungen mit gartenstadtähnlicher Bebauung errichtet. Von den Gestaltungsprinzipien der Howardschen Gartenstadt wurden in den ‘Gartenvorstädten’ nur grundsätzliche Kriterien niedergelegt: Dazu gehörte die Gartenstadtdichte mit überwiegender Doppelhaus-Bauweise sowie die starke Auflockerung der Siedlung durch Grünflächen. 2.4.2, Die Gartenstadtbewegung in Deutschland: Das Modell der Gartenstadt des Briten Ebenezer Howards fand auch in Deutschland Zustimmung. Im Jahre 1902 wurde die ‘Deutsche Gartensiedlungsgesellschaft’ gegründet. In der Publikation ‘von der Kleinstadt zur Gartenstadt’ aus dem Jahre 1908 bezeichnet sich die Deutsche Gartenstadtgesellschaft als eine reichsweit agierende ‘Propagandagesellschaft’. Ihr Ziel sieht die Vereinigung darin, das Volk zur Gründung von Gartenstädten zu sensibilisieren. In der Gartenstadt sieht die Gesellschaft eine planmäßig gestaltete Siedlung, die sich im Eigentum der Gemeinschaft befindet und eine Spekulation mit dem Grund und Boden dauerhaft unterbindet. Die Gartenstadt wird als neuer Stadttypus gesehen, welcher eine umfassende Wohnreform zulässt. Für Industrie und Handwerk würden in der Gartenstadt vorteilhafte Produktionsbedingungen gewährleistet, große Teile des Gebietes würden dauerhaft für Garten- und Ackerbau gesichert. Eine fortschreitende Gartenstadtbewegung hatte nach der Broschüre der Deutschen Gartenstadtgesellschaft das Endziel einer ‘Innenkolonisation’: Durch die planmäßige Gründung von Gartenstädten sollte die Industrie dezentralisiert werden und damit eine ebenmäßige Verteilung des Gewerbelebens in der Region bewirkt werden. Die Gesellschaft vertrat den Standpunkt, dass diese Siedlungskörper das städtische Leben gesünder und vielseitiger gestalten würden. Die benachbarte Landwirtschaft würde vom Kulturwerte, dem technischen Rüstzeug der Stadt und dem direkten Absatzmarkt in der Stadt profitieren. Die Deutsche Gartenstadtgesellschaft sah es als ihr Ziel, derartige Siedlungen durch besondere Gründungsgesellschaften zu bilden. Öffentliche Körperschaften sollten zudem für die Idee der Gartenstadt gewonnen und gefördert werden. So begünstigte die Deutsche Gartenstadtgesellschaft vor allem die Begründung von Wohnsiedlungen, Gartenvorstädten und Industriekolonien im Großraum bestehender Städte. In Deutschland fand die Gartenstadtbewegung Niederschlag in einer Reihe von Wohnsiedlungen, die vom Gartenstadtgedanken beeinflusst wurden. Nach einer Auflistung aus dem Jahre 1915 gab es im Rheinland drei Anlagen im Sinne der Gartenstadtbewegung: Dies war die Siedlung Margarethenhöhe in Essen, die Gartenstadt Wedau in Duisburg und die Siedlung Gronauer Wald in Bergisch Gladbach. Auch wenn die theoretischen Grundgedanken bekannt waren, wurde die Idee der Gartenstadt in Deutschland lediglich rudimentär verwirklicht. Es entwickelten sich lediglich ‘gartenumgebene Kleinhaus- oder Villensiedlungen’ oder Gartenvorstädte, die am Rande bestehender Großstädte errichtet wurden. Diese gartenstadtähnlichen Wohnsiedlungen hatten keine zugeordneten Arbeitsstätten, keine funktionale Selbständigkeit und keine eigenen Versorgungszentren – wesentliche Merkmale der Howardschen Gartenstadt wurden in diesen Siedlungen nicht realisiert. Viele Siedlungen jedoch verdanken dem Gartenstadtgedanken ihre vergleichsweise abseitige Lage, ihre Größe und Ausstattung. Auch wenn vom ursprünglichen Gartenstadtgedanken Ebenezer Howards in der Praxis nur wenige Grundsätze realisiert worden sind, so sind wichtige Gestaltungsprinzipien aus dem Modell der Gartenstadt in den Siedlungsbau mit eingeflossen: Insbesondere die Planmäßigkeit der Wohnungssiedlungsanlagen, die Offenheit und Durchgrünung der Bebauung und die räumliche Entflechtung wichtiger Funktionen (Wohnen, Arbeiten, Erholung) sind als positiv zu bezeichnen. Sie stehen im Gegensatz zu der bis dahin in Deutschland üblichen Mietskasernenbebauung.

Über den Autor

Andreas Kaul, M.A. wurde 1980 in Köln geboren. Sein Studium der Geografie, Politologie sowie neueren Geschichte an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms Universität in Bonn schloss er 2006 mit dem akademischen Grad des Magister Artiums erfolgreich ab. Parallel zum Studium arbeitete er als freier Journalist für verschiedene Hörfunksender im Kölner Raum. Seit 2008 ist er als Referent in der Erwachsenenbildung beim Katholisch-Sozialen Institut der Erzdiözese Köln in Bad Honnef beschäftigt. Sein Interesse an der regionalen Entwicklung sowie der Industriegeschichte des Bergischen Landes brachte ihn dazu, sich mit der Fragestellung des vorliegenden Buches zu beschäftigen.

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