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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 08.2011
AuflagenNr.: 1
Seiten: 92
Abb.: 30
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Im Rahmen einer multimodalen Schmerztherapie werden Patienten mit chronischen Schmerzerkrankungen behandelt. Da die medizinischen Interventionen (Operationen, Spritzentherapie, Medikamente usw.) bei diesen Patienten häufig ausgeschöpft sind und trotzdem noch deutliche körperliche Einschränkungen sowie psychische und soziale Defizite bestehen, bekommt die Physiotherapie in Verbindung mit der Psychologie eine besondere Bedeutung. In diesem multimodalen Therapieansatz sollen die Patienten lernen, mit ihren Schmerzen besser umzugehen. Sie sollen wieder Kontrolle über ihr Probleme erhalten, denn viele fühlen sich ihren Schmerzen ausgeliefert. Da für etliche chronische Schmerzerkrankungen (Fibromyalgie, chronischer Rückenschmerz, CRPS, Kopfschmerzen, Migräne usw.) meist keine befriedigenden Erklärungen bekannt sind, ist es nötig mit den Patienten ein für sie praktikables Schmerzmodell zu erarbeiten. So können entstandene Hilflosigkeiten gegenüber der Erkrankung abgebaut werden. Negative Äußerungen der Patient sei austherapiert und da könne man sowieso nichts mehr machen haben zusätzlich Ängste, Mistrauen und Hoffnungslosigkeiten entstehen lassen, die eine weitere Chronifizierung begünstigen. Beginnende Depressionen steigern das Schmerzempfinden zusätzlich. Da den Patienten durch ihre langjährige Erkrankung das Vertrauen in ihre körperliche Leistungsfähigkeit häufig verloren gegangen ist, sollte die Therapie nach dem Erfassen eines Schmerzmodells durch angenehme Bewegungserfahrung und Körperwahrnehmungsübungen begonnen werden. So können die Patienten einen besseren Umgang mit ihren körperlichen Grenzen erlernen. Nach dem Programm sollten die persönlichen Bewegungs-, Schmerz-, Kraft-, und Belastungsgrenzen bekannt sein, damit jeder Patient auf diese Grenzen auch nach der Therapie achten kann. Als nächster Schritt muss die meist herabgesetzte allgemeine Leistungsfähigkeit über ein Ausdauertraining gesteigert werden, da mit einer steigenden generellen Fitness auch die Schmerzreizschwelle angehoben wird und Schmerzimpulse nicht mehr ganz so quälend wahrgenommen werden. Über ein intensives Kräftigungsprogramm sollten muskuläre Dysbalancen oder Schwächen beseitigt werden um, in Kombination mit einer psychischen Verhaltenstherapie, eine stabile aber flexible Wirbelsäule aus physischer und psychischer Sicht aufzubauen. Da physiotherapeutische Übungen häufig theoretisch und nicht immer sehr praxisnah sind, ist es wichtig ein Alltagtraining durchzuführen, um die erlernten Übungen in die täglichen Abläufe zu integrieren und damit dauerhaft zu festigen. Ziel der Physiotherapie bei chronischen Schmerzpatienten ist also nicht vorrangig die Beseitigung der Schmerzen, sondern die Verbesserung des Gesundheitszustandes, die Vergrößerung der Leistungsfähigkeit, die Reduktion von Ängsten und damit die Anhebung der Lebensqualität.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.3.1, Wirbelsäulenschmerzen: Patienten mit Wirbelsäulenschmerzen stellen mit insgesamt 46,5% die größte Teilnehmergruppe am multimodalen Therapieprogramm dar. In Deutschland treten bei 80% - 90% der Menschen einmal oder mehrmals Rückenschmerzen auf (Waddell, 1998). 7% der Patienten werden längerfristig krank und verursachen 80% der gesamten Rückenschmerzbehandlungskosten. 60-70% der Patienten, die länger als 6 Monate krank waren, kehren nicht mehr an ihren Arbeitsplatz zurück. Damit ist diese Patientengruppe besonders chronifizierungsgefährdet. Bei Rückenschmerzen handelt es sich um Halswirbelsäulen-, Brustwirbelsäulen- und Lendenwirbelsäulenschmerzen sowie Probleme im lumbosacralen Übergang. Die Ursachen für diese Rückenbeschwerden sind sehr vielfältig. Sie reichen von Bandscheibenvorfällen, Arthrosen, Wirbelkanalverengungen, Wirbelkörperbrüchen und Gleitwirbeln über Muskelschwäche, Muskeldysbalancen und Verkürzungen bis hin zu neurologischen Defiziten und Einschränkungen der Neuromobilität. Bei einer großen Zahl von Patienten ist allerdings keine ausreichende, den Schmerz erklärende Ursache mehr erkennbar. Der Schmerz wird von psychosozialen Komponenten aufrecht erhalten, die den Patienten meist nicht bewusst sind. Vor allem die Unzufriedenheit mit dem Arbeitsplatz, geringes Einkommen, niedriger sozialer Status, Verlust des Arbeitsplatzes und die Unzufriedenheit in der Familie scheinen das Auftreten von Rücken- und Nackenschmerzen zu begünstigen. Aufgrund dieser Erkenntnis hat Waddel einige Zeichen für den chronisch-unspezifischen Rückenschmerz in der Lendenwirbelsäule entwickelt, die nicht den typischen medizinischen diagnostischen Kriterien entsprechen: Schmerzen an der Spitze des Steißbeins. Kontrollverlust im ganzen Bein, keine nervenwurzelbezogene motorische Schwäche. Taubheitsgefühle im ganzen Bein, keine dermatombezogenen Parästhesien. Schmerzen im ganzen Bein, keine typischen Radikulopathien. keine Schmerzfreiheit in den letzen Monaten oder Jahren, auch nachts nicht. starke/abnorme Reaktionen auf kleine Reize (Spritzen, Krankengymnastik, Bäder, Massage usw.). Einweisung in die Notfallambulanzen der Krankenhäuser aufgrund sehr starker Rückenschmerzen. 2.3.2, Multilokuläre Schmerzen: Die zweithäufigste Patientengruppe ist die mit multilokulären Symptomen (30,7%). Hierzu zählen Patienten mit Schmerzen an drei oder mehreren Körperregionen. Das Gros sind Patienten mit Fibromyalgie, mit somatoformen Schmerzstörungen und mit myofascialen Schmerzen. Die häufigste Diagnose ist die Fibromyalgie. Mit einer Epidemiologie von ca. 2% betrifft sie in der Mehrzahl Frauen (bei einem Verhältnis Frauen: Männer von ca. 8:1) In den rheumatologischen Praxen sind 20% der neuen Patienten von Fibromyalgie betroffen. Bei den Hausärzten sind es 4%. Der Erkrankungsbeginn liegt zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr. Vom Beginn der Symptomatik bis zur Diagnosestellung vergehen im Durchschnitt 8 Jahre. Auffällig sind die familiäre Häufung und die psychischen Komorbiditäten. 68% haben einen Verwandten mit der gleichen Erkrankung und ebenfalls 68% eine Depression. An diesem Beispiel wird der psycho-soziale Hintergrund der Erkrankung sehr deutlich. Zu den Leitsymptomen der Fibromyalgie gehören schmerzhafte Tender-Points am ganzen Bewegungsapparat, vor allem im Bereich der Muskulatur und an den Sehnenübergängen. Die Schmerzen führen zu Bewegungseinschränkungen und zu einem gestörten Muskelstoffwechsel. Aufgrund der Einschränkungen kommt es zu einer Verringerung der Ausdauerleistung und der Herz-Kreislauf-Leistung. Weiterhin wird das Schmerzgeschehen durch Stress, Kälte, Wetterwechsel, psychische Belastung und Überforderung negativ beeinflusst. Auch die vegetativen Erscheinungen des Reizdarms/der Reizblase, der Schlafstörungen, ein Globusgefühl im Hals sowie ein Schwellungsgefühl in den Füßen und Händen gehören zum Erscheinungsbild der Erkrankung und zeigen, dass auch das autonome Nervensystem deutlich reagiert. 2.3.3, Kopfschmerzen und Migräne: Die dritte Gruppe der Therapieteilnehmer sind Kopfschmerz- und Gesichtsschmerzpatienten, die meist unter Migräne, Spannungskopfschmerz und medikamenteninduzierten Kopfschmerzen leiden (16,7%). Die Prävalenz für Migräne liegt in den Industrieländern bei etwa 5 - 8% bei den Männern und 12- 18% bei den Frauen (Göbel, 1997). Es gibt mehrere Migräneformen: Migräne ohne Aura (80%), Migräne mit Aura (15%) sowie seltene Migräneformen (5%). Die Diagnose wird häufig auf eine Beschwerdenschilderung des Patienten gestützt. Die IHS (International Headache Society) hat folgende Kriterien für eine Migräne ohne Aura festgelegt: mindestens 5 Attacken. Attackendauer 4 bis 72 Stunden. mindestens 2 Charakteristika: - einseitige Lokalisation. - pulsierender/stechender Charakter. - mittlere bis starke Intensität. - Zunahme bei körperlicher Aktivität. mindestens ein Symptom: - Übelkeit und/oder Erbrechen. - Phono- und Photophobie. Ausschluss einer symptomatischen Ursache. Der Spannungskopfschmerz ist der häufigste Kopfschmerz. Er tritt bei 80 - 95% der Bevölkerung ein- oder mehrmalig auf. Bei etwa 3% kommt es zu einer Chronifizierung. Es besteht eine familiäre Häufung, der Frauenanteil überwiegt leicht. Die Pathophysiologie ist unklar und mögliche Ursachen sind nicht genau bekannt. Es werden eine vermehrte Anspannung der Schulter-Hals-Nackenmuskulatur und eine Schwellwertverschiebung des nozizeptiven Systems in Betracht gezogen. IHS Kriterien für episodischen Kopfschmerz sind: mindestens 10 beobachtbare Attacken und weniger als 180 Kopfschmerztage pro Jahr. Fehlen von Übelkeit und Photo- bzw. Phonophobie. Kopfschmerzdauer: 30 min bis 7 Tage. mindestens zwei folgende Charakteristika: bilateral, drückend, ziehend. keine Zunahme bei Aktivität. IHS Kriterien für den chronischen Spannungskopfschmerz sind: Kopfschmerzen an mindestens 15 Tagen pro Jahr, sonst wie episodischer Kopfschmerz.

Über den Autor

Ulf Walther wurde 1970 in Jena geboren. Nach seiner Berufsausbildung als Physiotherapeut war er in einer Klinik für Onkologie angestellt und beschäftigte sich dort mit den körperlichen Defiziten und den Problemen von Tumorpatienten. Ab dem Jahr 2002 arbeitete er in mehreren schmerztherapeutischen Kliniken. Er lernte so unterschiedliche Behandlungsansätze für chronische Schmerzerkrankungen kennen. Um seine fachlichen Qualifikationen auf dem Gebiet der Schmerztherapie weiter zu vertiefen, entschied sich der Autor ein Studium für Physiotherapie zu absolvieren und schloss dieses als Diplom- Physiotherapeut (FH) im Jahre 2011 mit Erfolg ab. Durch seine Vorerfahrungen und durch die im Studium erworbenen Kenntnisse, stellte er ein weiterführendes Konzept für die physiotherapeutische Behandlung mit chronischen Schmerzpatienten auf und testet dieses erfolgreich in einer empirischen Untersuchung. Das Konzept und die in der Untersuchung gewonnen Erkenntnisse sind Gegenstand des Buches.

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