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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 12.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 96
Abb.: 10
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die über 40jährige Erfolgsgeschichte der europäischen Vereinigung war von Anfang an kein homogener Prozess. Es gab immer wieder Fortschritte, notwendige Kompromisse, aber auch Rückschläge. Um einen für alle Beteiligten akzeptablen Weg zu finden, sind kontroverse Diskussionen unvermeidlich. Aber kaum ein Thema wurde seither so kontrovers diskutiert wie ein möglicher EU-Beitritt der Türkei. Dabei waren und sind die am häufigsten diskutierten Streitpunkte bei dieser Debatte, die Frage nach der Zugehörigkeit der Türkei zu Europa in geographischer, geschichtlicher, politischer, religiöser und kultureller Hinsicht sowie Menschenrechtsverletzungen, Demokratiedefizite, Europas Grenzen, Migration und Sicherheit. Die Diskussionen darüber werden meistens sehr emotionsgeladen geführt und erschöpfen sich oft in der Aufzählung bestehender Probleme, ohne ernsthaft auf Lösungen abzuzielen und eine realistische Perspektive zu bieten. Ziel dieses Buch ist es einen möglichst objektiven, wissenschaftlichen Beitrag zum Thema EU-Beitritt der Türkei, insbesondere in Bezug auf Pro- und Contra- Argumente zu leisten.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3.2, Antrag auf Vollmitgliedschaft: In den 70er Jahren war die türkische Politik durch innenpolitische Probleme stark beeinträchtigt. Neben ökonomischen und sozialen Problemen verschlechterte der Zypern-Konflikt die gesamte Lage. Unter diesen Umständen stellte die Türkei 1979 einen Antrag auf Vollmitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft. Jedoch verlor dieser Antrag ein Jahr später durch einen Militärputsch seine Bedeutung. Das Ankara-Abkommen von 1963 wurde 1982 ausgesetzt, wodurch die Türkei die Möglichkeit einer Vollmitgliedschaft für lange Zeit verlor. Eine Wiederaufnahme der Verhandlungen, wie sie das Ankara-Abkommen vorsah, erfolgte bis 1988 nicht, auch nicht, nachdem im Jahre 1983 eine zivile Regierung die Macht übernommen hatte, obwohl sich die Beziehungen normalisierten. Die Türkei stellte noch einmal einen Antrag auf Vollmitgliedschaft im Jahre 1987, dabei lag die Betonung auf dem Artikel 237 des EWG-Vertrags, der allen europäischen Ländern die Möglichkeit gibt, Vollmitglied der EU zu werden. Der türkische Antrag wurde vom Rat an die Kommission weitergeleitet. ‘Dieser Umstand bestätigte die Berechtigung der Türkei angesichts der Tatsache, dass ein ähnlicher Antrag Marokkos abgelehnt wurde, da es nicht als europäisches Land eingestuft wurde.’ Nachdem die Kommission den türkischen Antrag untersucht hatte, wurde dieser abgelehnt. Es wurde aber grundsätzlich bestätigt, dass die Türkei beitrittsberechtigt sei. Diese Ablehnung des türkischen Antrages wurde dadurch begründet, dass die Türkei wirtschaftlich und politisch für einen EU-Beitritt noch nicht reif sei. Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass die Türkei keine stabile Demokratie habe und dass in der Türkei Menschenrechte verletzt werden, wozu auch die Verletzung der Minderheitenrechte gehört. 3.3, Zollunion: Nachdem der Antrag der Türkei auf Vollmitgliedschaft abgelehnt wurde, kühlten sich die Beziehungen, anders als von beiden Seiten erwünscht, ab. Nach der Erklärung der europäischen Seite auf den Gipfeln von Lissabon 1992 und von Kopenhagen 1993, dass Zusammenarbeit und eine Intensivierung der Beziehungen mit der Türkei erwünscht seien, verbesserten sich die Beziehungen wieder. Trotzdem wurde das Ziel, eine Zollunion zwischen der Türkei und der EU zu schaffen, wie das Ankara-Abkommen 1963 vorsah, nicht aus den Augen verloren. Die Zollunion zwischen beiden Seiten sollte schließlich eine wichtige Übergansphase darstellen. Sie sollte den freien Warenverkehr befördern, was konkret die Abschaffung der Zölle und quantitativen Begrenzungen des Handels zwischen beiden Seiten bedeutet. Bei der Zollunion geht es aber nicht nur um freien Warenverkehr, sondern um jegliche Form des Handels und der Wettbewerbspolitik. Die Zollunion sah im Allgemeinen folgendes vor: Sowohl die Türkei als auch Europäische Union verzichten auf Zölle und quantitative Begrenzungen für Industriegüter und verarbeitete Agrarprodukte, Ausführungsbestimmungen der EU zur Gemeinsamen Handelspolitik werden dementsprechend von der Türkei übernommen, Gleichartigkeit der Durchführung der Zolltarife von türkischer Seite bezüglich Drittländer und Anpassung aller Zollbestimmungen an die EU, Befreiung des türkischen Textil-Sektors von Beschränkungen von europäischer Seite. Durch die Errichtung der Zollunion und deren In-Kraft-Treten am 1. Januar 1996 wurde das Ziel, die Zölle zwischen der Türkei und der Europäischen Union grundsätzlich abzubauen, erreicht, ‘ es konnte ein gemeinsamer Außenzoll erreicht werden. Die Türkei wertete die Einführung der Zollunion als weiteren Meilenstein auf ihrem Weg zur Vollmitgliedschaft in der EU.’ Die Zollunion brachte die Türkei der EU näher und eröffnete neue Perspektiven für eine Vollmitgliedschaft. ‘Ein wichtiger Aspekt der Zollunion Türkei-EU ist, dass die Türkei mit Ausnahme von Malta, San Marino und Andorra das erste und einzige Land ist, das auf eine derart fortgeschrittene Weise wirtschaftlich integriert wird, ohne Vollmitglied zu sein.’ Obwohl bei der Zollunion der ökonomische Aspekt im Vordergrund steht, weil ein gemeinsamer Zolltarif für die Importe aus Drittstaaten eingeführt und die Zölle für Industrieerzeugnisse aus der EU abgeschafft wurden, bedeutet sie in der Tat mehr als nur eine ökonomische Zusammenarbeit oder einen Abbau der Zölle. Die Zollunion ist nicht nur ökonomisch zu sehen, ‘sondern [sie ist] auch die Einführung einer umfangreichen Gesetzgebung, die alle Aspekte des Handels, den Beitritt zu mehreren Konventionen über geistiges, gewerbliches und kommerzielles Eigentum und die Angleichung an die technischen Standards in der EU umfasst.’ Die Türkei änderte viele Gesetze, um die gesetzlichen und technischen Handelshemmnisse zu überwinden und sich der EU anzugleichen. Obwohl die Errichtung der Zollunion für die Türkei einen wichtigen Fortschritt bedeutet, hat sie sowohl politische als auch wirtschaftliche Mankos. ‘Die Befürchtungen der Opposition und einiger Industrieller, dass kurz- bis mittelfristig, wie in jeder Zollunionsbeziehung, die zwischen ungleich entwickelten Staaten eingegangen wird, die Handelsvorteile, d.h. der EU, überwiegen, haben sich zum Großteil bewahrheitet.’ Dabei sollte man nicht außer Acht lassen, dass eine Zollunion zur Anordnung des inneren Handels, in diesem Fall zur Anordnung des Handels in der EU, dient, aber die Türkei kein Entscheidungsrecht auf die Gestaltung der Zolltarife hat, weil sie kein Vollmitglied der EU ist. Die Entscheidungen der EU müssen aber von der Türkei akzeptiert werden, wenn auch der Handel mit den Drittländern darunter leidet. ‘Dies ist der bedeutendste Nachteil der Türkei, damit leistet sie einen freiwilligen Souveränitätsverzicht und muss die Entscheidungen, die in Brüssel ohne ihre Mitwirkung beschlossen werden, akzeptieren. Außerdem muss die Türkei ihre bestehenden Zolltarife der EU anpassen und ihre Zollgesetze dementsprechend ändern.’ In der Gesellschaft und den Medien der Türkei wurde die Zollunion kontrovers diskutiert. Allgemeine Meinung war, dass die Zollunion der türkischen Wirtschaft schaden würde. Die damalige Ministerpräsidentin Tansu Ciller war der Meinung, dass die Zollunion der Türkei, langfristig gesehen, ermöglichen würde, der EU näher zu kommen, obwohl die Beschlüsse der Zollunion keine Entscheidungen über eine EU-Mitgliedschaft der Türkei beinhalten. Dass die Türkei auf die Zollunion nicht vorbereitet war, zeigt die Antwort des damaligen Vorsitzenden der Handelskammer nach einem Monat des In-Kraft-Tretens der Zollunion auf die Frage, wie die Waren in die EU-Länder exportiert werden können: ‘Ehrlich gesagt, bin ich darüber auch nicht so recht informiert.’ Interessanterweise hat die Türkei die nötigen Gesetzesänderungen nicht vorgenommen, bevor sie mit der EU eine Zollunion eingegangen ist. ‘Die nötigen Gesetze, damit die Zollunion einwandfrei funktionieren kann, wurden erst Monate später, nachdem die Zollunion in Kraft getreten ist, von der türkischen Regierung erlassen, zu erwähnen ist u.a. das Konkurrenzgesetz, Regelungen der Zölle usw.’ Die Zollunion brachte natürlich auch Vorteile für die Türkei mit sich, z.B. muss die Türkei ihre Wirtschaft auf europäisches Niveau bringen, damit sie gegenüber den europäischen Ländern in ökonomischer Sicht konkurrenzfähig werden und bleiben kann. Dies wirkt sich langfristig positiv auf die türkische Wirtschaft aus. Durch die Zollunion nahm auch die Zahl der Direktinvestitionen aus der EU zu. Im Allgemeinen hat sie aber der Türkei aus ökonomischer Sicht nicht viele Vorteile gebracht. Trotz Zollunion wurde die im Ankara-Abkommen vorgesehene Freizügigkeit von der EU nicht gewährleistet. Die finanzielle Hilfe wurde entweder von Griechenland blockiert oder nicht geleistet, weil in der Türkei Menschenrechtsverletzungen stattfanden.

Über den Autor

Ahmet Kirgin, M.A. wurde 1978 in Urfa, in der Türkei geboren. Sein Studium der Politikwissenschaft an der Universität Augsburg schloss der Autor im Jahre 2008 mit dem akademischen Grad Magistra Artium erfolgreich ab. Er interessiert sich für folgende Themen: Internationale Beziehungen, Systemtransformation, EU und Sozialkapital. Der Autor schreibt gelegentlich für verschiedene türkische Zeitungen.

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