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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 07.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 108
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Obwohl sich die Absprache im Strafprozess längst etabliert hat, handelt es sich dabei um eine höchst umstrittene Praxis, dessen Diskussion sich vor allem um die Verfassungs- und Prozessgrundsätze rankt. Diese Problematik hat nicht zuletzt durch die mittlerweile erfolgte gesetzliche Regelung an Brisanz gewonnen. In diesem Buch wird zunächst kurz auf die Entstehung und deren Gründe eingegangen. Im Anschluss erfolgt eine kritische Beleuchtung der Vereinbarkeit mit den Verfassungs- und Prozessgrundsätzen, eine Darstellung der Rechtsprechungsentwicklung, insbesondere der zentralen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes aus den Jahren 1997 und 2005, und eine Erörterung der Möglichkeit der Legitimierung durch eine gesetzliche Regelung. Im Rahmen des letzten Punktes werden einige der dazu vorgestellten Entwürfe besprochen.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel VI, Gesetzgebung: 1, Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung: In den Achtziger und frühen Neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts forderte die Mehrheit eine Regelung, die nur klarstellen sollte, dass Absprachen im Strafprozess möglich sind. Bereits 1990 sprach sich ein Großteil der Mitglieder des 58. Deutschen Juristentags für eine über rein deklaratorische Wirkung hinausgehende gesetzliche Regelung aus. Im selben Jahr erachtete die Große Strafrechtskommission des Deutschen Richterbundes eine gesetzliche Normierung allerdings nicht für notwendig. In Anbetracht der ergangenen Rechtsprechung wurden die Forderungen nach einer gesetzlichen Regelung insgesamt aber leiser. Schnell zeigte sich jedoch, dass die Leitlinien der Rechtsprechung eine gesetzliche Regelung nicht ersetzen konnten, was besonders deutlich in dem Appell des Großen Senats an den Gesetzgeber zum Ausdruck kommt . So überwiegen auch heute wieder die Stimmen, die eine gesetzliche Regelung fordern. a, Argumente für eine gesetzliche Normierung: aa, Gesetzgebungspflicht: Längst bestimmen Absprachen in einem erheblichen Umfang die Praxis. Stellt nicht dies allein schon ein Argument für eine gesetzliche Regelung dar, so könnte sich ein solches aber dergestalt ergeben, dass den Gesetzgeber auf Grund des Vorbehaltes des Gesetzes eine Pflicht zur Regelung der Absprachen treffen könnte. Der Vorbehalt des Gesetzes bestimmt nicht nur, dass eine gesetzliche Grundlage für einen Grundrechtseingriff erforderlich ist, sondern beinhaltet auch die durch das Bundesverfassungsgericht entwickelte Wesentlichkeitstheorie. Danach ist der Gesetzgeber verpflichtet ‘in grundlegenden normativen Bereichen, zumal im Bereich der Grundrechtsausübung, soweit diese staatlicher Regelung zugänglich ist, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen’. Insbesondere darf der Gesetzgeber diese Aufgabe auch nicht der Rechtsprechung überlassen, es sei denn es geht um das Verhältnis gleichgeordneter Grundrechtsträger. Im Strafverfahren geht es jedoch gerade nicht um ein solches Verhältnis, vielmehr ist gerade im Strafprozess staatliches Handeln geeignet den einzelnen intensiv in seinen Grundrechten zu berühren, sodass der Gesetzgeber verpflichtet ist die Absprachen zu regeln. bb, Geschäftsbelastung und Ökonomie: Justizökonomische Aspekte wie die Überlastung der Strafjustiz und die hohen Kosten sind zwei der Hauptgründe für die Ausbreitung der Absprachepraxis. Der Praxis sollte die Möglichkeit gegeben werden, die Verfahrenskosten gegenüber der Bedeutung der Sache und des Verfahrensergebnisses in einem verhältnismäßigen Rahmen zu halten. Eine auf eine möglichst frühzeitige Verständigung hinwirkende gesetzliche Regelung könnte zum einen die Verfahrensdauer erheblich reduzieren und zum anderen auch den Kostenaufwand minimieren. cc, Gleichbehandlungsgrundsatz: In Hinblick auf die Absprachenpraxis ist eine Ungleichbehandlung in mehrfacher Hinsicht denkbar. Zum einen machen Gerichte unterschiedlich häufig von der Möglichkeit der Absprache Gebrauch zum anderen erhält gar nicht jeder die Möglichkeit einen ‘Deal’ abzuschließen. Zudem kann eine Benachteiligung auch für den Kooperationsunwilligen eintreten. Nur eine gesetzliche Regelung könnte derartige Ungleichbehandlungen verhindern. dd, Verfahrensbeschleunigung: Eine lange Verfahrensdauer bringt zahlreiche Nachteile mit sich, so bedeutet es insbesondere für den Angeklagten eine enorme psychische Belastung. Das Urteil nach überlanger Verfahrensdauer hat zudem weder eine normstabilisierende Wirkung, noch eine abschreckende Wirkung, da diese nur vorhanden ist, sofern die Strafe als Antwort auf die Tat gesehen wird. Nicht zuletzt wird die prozessuale Beweislage schlechter, sodass die Wahrheitsfindung erschwert wird. Die bestehenden Vorschriften zur Verfahrensbeschleunigung reichen jedoch nicht aus, sodass der Praxis ein Mittel an die Hand gegeben werden sollte, um lange Verfahren möglichst zu verhindern, beispielsweise durch die gesetzliche Regelung der Absprache. ee, Strafrecht im Wandel: Neben den traditionellen Prozessgrundsätzen gewinnen Aspekte wie Resozialisierung, Opferschutz und Rechtsfrieden immer mehr an Bedeutung. Die Absprache könnte dabei zu einem besser akzeptierten Urteil durch den Angeklagten, zu einem Täter-Opfer-Ausgleich und zu besseren Resozialisierungschancen führen und somit diesen Entwicklungen Rechnung tragen. Auch das materielle Strafrecht unterliegt einem Wandel. Die Justiz hat sich mit immer mehr Normen, immer komplizierteren und schwerer fassbaren Sachverhalten auseinanderzusetzen. Um dieser Vielzahl komplexer Verfahren auch in Zukunft Herr zu bleiben, scheint eine gesetzliche Regelung der Absprache sinnvoll. ff, Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege: Die funktionsfähige, wirksame Rechtspflege kann als Element des Rechtsstaates Eingriffe in Rechtspositionen rechtfertigen. Im Rahmen einer Absprache trägt der Beschuldigte zur Verfahrensbeschleunigung bei indem er zur Kooperation bereit ist und erhält als Gegenleistung eine Strafmilderung, denn letztlich unterstützt er somit die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege. Beachtet werden muss jedoch, dass die durch die Verfahrensgrundsätze geschützten Rechte des Beschuldigten durch eine Absprache in bedenklicher Weise eingeschränkt werden. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit muss eine Abwägung der Interessen des Beschuldigten und dem öffentlichen Interesse an der Funktionsfähigkeit des Strafprozesses stattfinden. Eine rechtsstaatliche Strafrechtspflege beinhaltet neben ihrer Funktionsfähigkeit auch die Rechte des Beschuldigten. Anderenfalls könnte mit dem Argument der funktionstüchtigen Strafrechtspflege das Rechtsstaatsprinzip ausgehöhlt werden. Kritisiert wird nun, dass die Absprachepraxis die Grundsätze der materiellen Wahrheit und Gerechtigkeit oftmals umginge. Allerdings muss man berücksichtigen, dass diese Kritik gerade auf der Tatsache beruht, dass eben keine gesetzliche Regelung besteht. Eine solche könnte somit sowohl die rechtsstaatlichen Rechte des Beschuldigten wahren als auch die Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege verbessern. gg, Glaubwürdigkeit und Ansehen der Justiz: Obwohl erhebliche Vorbehalte gegen die Absprachepraxis bestehen, hat sie sich fest etabliert. Die Glaubwürdigkeit der Justiz leidet jedoch unter den Absprachen in der ‘Grauzone’. Langfristig müsse die Ablehnung der staatlichen Strafverfolgung befürchtet werden. Eine gesetzliche Regelung würde die Absprache an die Öffentlichkeit holen und somit letztlich auch die Glaubwürdigkeit steigern. hh, Unmöglichkeit eines Verbots: Ein Verbot der Absprache scheint mittlerweile angesichts der Abhängigkeit der Praxis von der ‘Droge Absprache’ undenkbar und wäre zudem wohl kaum durchsetzbar. Darüber hinaus wäre ein Verbot kontraproduktiv, da ein ‘Abtauchen’ in die völlige Grauzone zu befürchten wäre, was eine komplette Unkontrollierbarkeit zur Folge hätte. ii, Rechtssicherheit und –klarheit: Nicht außer Acht gelassen werden sollte auch die derzeit unsichere Rechtslage. Trotz der umfangreichen Rechtsprechung sind einige Fragen noch immer ungeklärt. In der jetzigen Situation birgt die Absprachepraxis erhebliches Missbrauchspotential, dem durch eine gesetzliche Regelung entgegengewirkt werden könnte. Eine gesetzliche Regelung könnte zudem die Grenze zwischen legalen und illegalen Verhaltensweisen im Rahmen einer Absprache ziehen, weitere Zweifelsfragen klären und somit erheblich zur Rechtssicherheit und –klarheit beitragen. jj, Weitere Aspekte: Eine gesetzliche Regelung würde zudem die bereits geschilderten Vorteile, die die Absprache für alle Beteiligten mit sich bringt, und das daraus zu erkennende Bedürfnis der Praxis nach kooperativen Verfahrensalternativen absichern. Nicht zuletzt würde eine gesetzliche Regelung auch die ‘ungehorsamen’ Tatgerichte, die die derzeitigen Leitlinien der Rechtsprechung nicht berücksichtigen, zur Beachtung des dann verbindlichen Rechts zwingen.

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