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  • Das Spannungsverhältnis zwischen dem Grundrechtsschutz für den Beschuldigten und der materiellen Wahrheitsfindung im Rahmen des fair trial Grundsatzes

Recht


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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 01.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 84
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Franz von Liszt sah im Jahr 1905 das Strafgesetzbuch als die Magna Charta des Verbrechers an. Die vorliegende Studie untersucht, ob die Europäische Menschenrechtskonvention für unsere moderne, europäische Gesellschaft dieser Rolle gerecht wird. Der Fokus dieser Untersuchung liegt auf Artikel 6 EMRK, wobei ein Teil auf Artikel 3 EMRK in Verbindung mit Artikel 6 eingeht. Das Spannungsverhältnis zwischen dem Grundrechtsschutz des Beschuldigten, der durch die EMRK geboten wird, und der materiellen Wahrheitsfindung wird beleuchtet. Die Hypothese der Untersuchung ist, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in neuerer Rechtsprechung mehr Wert auf den Grundrechtsschutz des Beschuldigten legt als vorher, und dass dabei dem öffentlichen Interesse an der materiellen Wahrheitsfindung eine zweitrangige Position zugeteilt wird. Es wird ein Überblick der Rechtsprechung des EGMR dargestellt. Zentral stehen die Fragen im Vordergrund, ob der Anwendungsbereich der Artikel 3 und 6 EMRK im Laufe der Zeit ausgedehnt wurde, und ob es im Rahmen des Artikels 6 in modernerer Rechtsprechung seitens des Staats schwieriger ist, einen Grundrechtseingriff zu rechtfertigen.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel B., Erforschung der Rechtsprechung des EGMR im Rahmen des Artikel 6 EMRK: In diesem Teil wird die Rechtsprechung des EGMR in Bezug auf Artikel 6 EMRK untersucht. Versucht wird hierin eine Entwicklung zugunsten des Grundrechtsschutzes des Beschuldigten zu finden, um die oben genannte Hypothese zu stützen. Zuerst wird die Möglichkeit des Verlustes der Opfereigenschaft untersucht, daraufhin wird der Bedeutung von Artikel 3 in Verbindung mit Artikel 6 Absatz 1 EMRK Aufmerksamkeit gewidmet und schließlich werden Artikel 6 Absatz 1, 2, 3b und d EMRK besprochen. I., Verlust der Opfereigenschaft: Wenn eine Verletzung derart geheilt ist, dass die Opfereigenschaft des Beschuldigten entfällt, besteht für eine Entscheidung des EGMR kein Raum mehr. Damit steht in diesen Fällen das Spannungsverhältnis zwischen dem Menschenrechtsschutz und der materiellen Wahrheitsfindung nicht im Vordergrund. Der Gerichtshof kann seinen Einfluss lediglich ausüben, wenn er entscheidet, dass die Opfereigenschaft nicht entfallen ist. Folglich ist es im Rahmen dieser Arbeit wichtig, die Rechtsprechung bezüglich dieser Problematik zu erforschen. Artikel 34 der EMRK stellt klar, dass der Beschwerdeführer behaupten muss Opfer einer Verletzung zu sein (‘to be the victim of a violation’/’ se prétend victime d‘ une violation’). Es ist nicht notwendig, dass dem Beschwerdeführer ein Schaden vorliegt, er muss lediglich betroffen und beschwert sein. Aus dem Prinzip der Subsidiarität des Konventionssystems fließt die Möglichkeit des Verlusts der Opfereigenschaft: Auch wenn eine Konventionsverletzung vorliegt, soll dem verletzenden Mitgliedstaat die Gelegenheit zur Wiedergutmachung geboten werden. Um eine Wiedergutmachung zu bewerkstelligen, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt werden: ‘Die nationalen Behörden (sollen) die nicht mehr andauernde Konventionsverletzung ausdrücklich oder zumindest dem Grunde nach anerkannt (haben), und – soweit erforderlich – angemessene Entschädigung geleistet haben.’. Diese zwei Voraussetzungen sind in weiterer Rechtsprechung des EGMR präzisiert worden. So wurde im Fall Sakhnovskiy geurteilt, dass die bloße Wiederaufnahme des Verfahrens nicht per se zu Verlust der Opfereigenschaft führe. Die Behörden müssen auf klare Art und Weise festgestellt haben, dass ein Verstoß vorliegt und das Opfer soll auf nachdrückliche, explizite Weise durch eine messbare Strafmilderung entschädigt werden. Im Fall A, B, C, D vs. Deutschland wurden Aufnahmen eines Telefongesprächs zwischen den Beschuldigten und ihren Verteidigern vernichtet, aber da diese Vernichtung nicht als Reaktion auf einer Klage des Beschuldigten vorgenommen und weil keine Entschädigung geleistet wurde, war von Verlust der Opfereigenschaft keine Rede. ‘Die Behörden müssen eine umfassende und wirksame Untersuchung durchgeführt haben, die geeignet ist und das Ziel hat, die Verantwortlichen zu ermitteln und zu bestrafen.’ Im Doubtfire-Fall wurde die Verurteilung des Beschuldigten aufgrund Ungerechtigkeit des Verfahrens aufgehoben, da die Staatsanwaltschaft bestimmte Informationen zurückgehalten hatte. Diese Aufhebung brachte einen Verlust der Opfereigenschaft zustande. Im Fall Ommer wurde festgestellt, dass der Entschädigungsbetrag nicht dem nach Artikel 41 EMRK erforderlichen Betrag entsprechen müsse. Er darf jedoch nicht unangemessen sein. Eine solche Unangemessenheit liegt vor, wenn dem Beschwerdeführer nur ein Zehntel des normalerweise in ähnlichen Fällen anfallenden Betrags als Entschädigung bezahlt wird. In Fällen, in denen es um die Verletzung von Artikel 6 EMRK wegen Verstreichen Lassens einer angemessenen Verfahrensdauer geht, wird regelmäßig seitens der innerstaatlichen Gerichte eine Strafmilderung beschlossen, um einen Verlust der Opfereigenschaft zu bewirken. Hierbei muss explizit und in klarem Wortlaut von den staatlichen Behörden festgestellt werden, dass das die angemessene Verfahrensdauer überschritten worden ist und die Strafmilderung muss als eine angemessene Kompensation angesehen werden können. Aus diesem Grund wird die angemessene Verfahrensdauer im Rahmen dieser Arbeit nicht besprochen: Wo eine Konventionsverletzung mittels Strafmilderung geheilt wird, besteht kein Spannungsverhältnis zwischen den Grundrechten des Beschuldigten und der materiellen Wahrheitsfindung, da die letztgenannte nicht durch Strafmilderung gefährdet wird. Im Fall Gäfgen nahm der EGMR keinen Verlust der Opfereigenschaft an: Die für die Verletzung von Artikel 3 EMRK verantwortlichen Polizeibeamten wurden nur mild bestraft und später sogar befördert. Diese Maßnahmen konnten nicht als angemessen bewertet werden. Sie waren ganz offensichtlich unverhältnismäßig schwach. Der EGMR ist demnach strikt und deutlich in Bezug auf dieser Problematik: es sind klare Kriterien verschafft wurden, die konsequent gehandhabt worden sind in der Rechtsprechung im Laufe der Jahre. Wenn die Kriterien nicht erfüllt sind, wird vom EGMR entschieden ob eine Konventionswidrigkeit vorliegt, so dass der Menschenrechtsschutz effektiv gewährleistet wird.

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