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  • Die deutsche Beschäftigungspolitik für Ältere im Vergleich zu Finnland und Großbritannien: Bestandsaufnahme und Handlungsempfehlungen

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Produktart: Buch
Verlag: Igel Verlag
Erscheinungsdatum: 11.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 128
Abb.: 49
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

In der öffentlichen Diskussion in Deutschland gewinnt das Thema ‘Demographischer Wandel’ immer mehr an Bedeutung. Eine steigende Lebenserwartung, verbunden mit niedrigen Geburtenraten und dem damit einhergehenden Altersstrukturwandel, stellen die Gesellschaft vor neue Herausforderungen. Liegt der Anteil der über 50-Jährigen heute bei rund 36 Prozent, wird bereits in 40 Jahren die Hälfte der deutschen Bevölkerung über 50 Jahre alt sein. Mit diesen Entwicklungen sehen sich fast alle Länder in Europa konfrontiert. Ähnliche Prognosen der zukünftigen Entwicklung der Altersstruktur der Bevölkerung auf dem Arbeitsmarkt veranlassten die Europäische Union im Jahr 2000 die sogenannte Lissabon-Strategie zu formulieren, in der u.a. die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung bis zum Jahr 2010 festgeschrieben wurde. Im vorliegenden Buch soll die historische und aktuelle Beschäftigungspolitik für Ältere in Deutschland betrachtet werden und diese mit zwei besonders erfolgreichen Ländern verglichen werden. Es soll untersucht werden, mit welchen Ansätzen und Instrumenten die Politik in Deutschland sowie in den ‘Erfolgsländern’ Finnland und Großbritannien auf die Herausforderungen des demographischen Wandels auf dem Arbeitsmarkt antwortete und aus einem Vergleich Handlungsempfehlungen für die deutsche Politik abgeleitet werden.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3, Die europäische Beschäftigungspolitik: 3.1, Die demographische Entwicklung als Herausforderung für Europa: Im Jahr 2004 lebten in der Europäischen Union rund 458 Millionen Menschen. Die Bevölkerungszahl wächst noch, wenn auch in einem degressiven Maß. Theoretisch betrachtet, schrumpft die Europäische Union schon seit den 1970er Jahren. Grund dafür ist die nicht ausreichende Geburtenrate, von ca. 2,1 Kindern pro Frau, die in dieser Dekade unterschritten wurde. Diese Rate nahm seitdem weiter ab, verzeichnet aber seit der Jahrtausendwende wieder einen - wenn auch sehr geringen - Anstieg. Die Geburtenrate beträgt aktuell 1,5 Kinder pro Frau. Die EU ist Migrationsziel, so dass die Einwanderer die natürliche Schrumpfung kompensieren. Ein zweiter Kompensationsgrund ist die ansteigende Lebenserwartung der Einwohner der EU. Daraus resultierend steigt das Verhältnis von Alten und Jungen. Die vier Grafiken in Abbildung 6 veranschaulicht diese Beobachtungen. Zusammen betrachtet wird dieses Phänomen als ‘demographischer Wandel’ bezeichnet. Diese tiefe strukturelle Veränderung wird sich weiter verschärfen. Vorausberechnungen von Eurostat zufolge wird im Jahr 2025, geht man von einer durchschnittlichen Basisvariante aus, der Höhepunkt der Einwohnerzahl erreicht sein. Ab diesem Jahr wird die Einwohnerzahl wieder zurückgehen. Da aber die Lebenserwartung weiter ansteigt, erhöht sich auch die Quote der Älteren. Im Jahr 2050 wird jeder dritte EU-Bürger über 55 Jahre alt sein. Diese Erkenntnisse waren und sind den politischen Gremien der Europäischen Union bekannt, wie im Übrigen auch den einzelnen Staaten, die sich ebenfalls mit dem Thema befasst haben. Im Folgenden soll nun der politische Umgang auf EU-Ebene mit der demographischen Herausforderung kurz beschrieben werden, weil dieser, resultierend in Regeln, Normen bzw. Richtlinien, direkten und indirekten Einfluss auf die politischen Entscheidungen in den einzelnen Mitgliedsstaaten hatte und hat. 3.2, Die Politik für Ältere bis zum Jahr 2000: Die demographischen Herausforderungen in der Europäischen Union (bis 1. November 1993 Europäische Gemeinschaft) finden seit den 1980er Jahren in der Politik Berücksichtigung. Eine erste ‘Entschließung […] zu der Stellung und den Problemen älterer Menschen’ , wird im Jahr 1982 dokumentiert. Es folgen regelmäßig Resolutionen und Beschlüsse, die sich u.a. mit dem Thema ‘Gleichbehandlung’ beschäftigen. In den 1990er Jahren gewinnt das Thema ‘Ältere’ weiter an Bedeutung. Es wird eine Verbindungsgruppe geschaffen, die sicherstellen soll, dass den älteren Bürgern auf allen Instanzen der Europäischen Union Gehör verschafft wird. Ein deutliches Zeichen, dass die Sensibilisierung weiter zunimmt, ist das ‘Europäische Jahr der älteren Menschen und der Solidargemeinschaft der Generationen’ 1993. Daraus folgend wird 1994 ein so genanntes Weißbuch ‘Europäische Sozialpolitik – ein zukunftsweisender Weg für die Union’ zusammengestellt, in dem ‘weitere unionsweite Maßnahmen zur Bewältigung der Aufgaben im Zusammenhang mit der weiteren Überalterung der Bevölkerung’ beschlossen wurden. 3.3, Berücksichtigung in der Arbeitsmarktpolitik: Im Jahr 2000 fand erstmals die demographische Entwicklung Berücksichtigung in der Arbeitsmarktpolitik der Europäischen Union. Auf einer Sondersitzung des Europäischen Rates in Lissabon wurden im Rahmen der Erklärung zur strategischen Ausrichtung der EU für das nächste Jahrzehnt explizite Ziele zur allgemeinen Erwerbsquotensteigerung der Bevölkerung gesetzt. Es wurde festgelegt, dass bis zum Jahr 2010 die allgemeine Erwerbsquote auf 70 Prozent steigen sollte. Dies geschah mit explizitem Hinweis auf Prognosen des Rückgangs des Erwerbspersonenpotenzials. Die demographische Entwicklung wurde hier jedoch nur implizit berücksichtigt. Es wurde lediglich festgestellt, dass ‘die demografische Struktur im Wandel begriffen [ist]. Der Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung ist größer denn je zuvor. Wir leben länger und sind länger aktiv als früher. […] Im Interesse einer nachhaltigen Entwicklung unserer Gesellschaften müssen diese Tendenzen gebührend berücksichtigt werden’. Eine explizite Berücksichtigung älterer Arbeitnehmer findet man nicht. Trotzdem kann und wird der Rat von Lissabon als Geburtsstunde der Europäischen Arbeitsmarktpolitik für Ältere bezeichnet, weil, aufbauend auf den oben genannten Zielen, bereits genau ein Jahr später, auf dem Rat von Stockholm, die Ziele konkretisiert wurden. Es wurde die Absicht bekundet, die Erwerbsquote Älterer bis zum Jahr 2010 auf 50 Prozent zu erhöhen. Zum damaligen Zeitpunkt lag diese Quote für die EU bei 38,8 Prozent. 3.4, Start von Initiativen: 3.4.1, Die europäische Beschäftigungsstrategie: Anhand dieser konkreten Erwerbsquotenzahlen und -ziele wurde die Europäische Beschäftigungsstrategie (EBS) als Erfüllungsinstrument weiterentwickelt. Ursprünglich auf dem Beschäftigungsgipfel 1997 ins Leben gerufen, um der hohen Arbeitslosigkeit in den Ländern der Europäischen Union mit einer gemeinsamen Strategie entgegenzutreten, erlebte die EBS 2002, nach dem Rat von Stockholm eine Wiederbelebung. Bis dato spielte sie eher eine Koordinationsrolle zwischen den Mitgliedern der EU. Praktisch wurden jährlich Leitlinien verfasst, an denen sich die einzelnen Länder in ihrer nationalen Arbeitsmarktpolitik orientieren sollten. Die Ergebnisse aus der den jährlichen Evaluationen wurden berücksichtigt um neue Leitlinien zu formulieren. Nach fünf Jahren, also rechtzeitig nach Bekanntgabe der Lissabon- und vor allem der Stockholm-Ziele, wurde die EBS im Jahr 2002 selbst evaluiert. Es konnten zwar Erfolge auf EU-weiter Ebene verzeichnet werden (über 10 Millionen neue Arbeitsplätze wurden geschaffen, die Zahl der Arbeitslosen ging um 4 Millionen zurück und die Zahl der Erwerbspersonen stieg um 5 Millionen), doch in den einzelnen Staaten gab es sehr große Unterschiede in der Entwicklung dieser Indikatoren. 3.4.2, Berücksichtigung Älterer in der EBS: Die in Unterabschnitt 3.4.1 genannten Evaluationen forderten eine Anpassung der europäischen Beschäftigungsstrategie. Sie wurde gestrafft (hauptsächlich wurden die periodischen Zeitabläufe von der Politikformulierung zur -umsetzung optimiert), und neue Aspekte wurden aufgrund der Erkenntnisse der Räte in Lissabon und Stockholm berücksichtigt. Das Erwerbspotenzial der älteren Bürger der Europäischen Union fand nun endlich explizite Anerkennung. In dem Bericht ‘Erhöhung der Erwerbsbeteiligung und Förderung des aktiven Alterns’ stellte man fest, dass ‘[die] Erhöhung der Erwerbsbeteiligung […] unerlässlich [ist], wenn die in der Lissabonner Strategie festgelegten Zielvorgaben für die Erwerbstätigenquote erreicht werden sollen sie ist daher ein Kernpunkt der europäischen Beschäftigungsstrategie.’ Bei der anschließenden Erläuterung, wie das ‘Gesamtziel’ (Erhöhung der Erwerbsbeteiligung) erreicht werden sollte, wurden drei Aspekte genannt, wobei sich zwei davon explizit auf das Erwerbspersonenpotenzial der Älteren bezogen: Erstens sollte sichergestellt werden, dass gegenwärtige und zukünftige Arbeitnehmer mit zunehmendem Alter erwerbstätig bleiben, und zweitens sollte die Verlängerung der Erwerbsbeteiligung der heutigen älteren Arbeitnehmer forciert werden. Dies sollte durch die allmähliche Erhöhung des Rentenzugangsalters um fünf Jahre bis 2010 erreicht werden. 3.4.3, Die ‘Taskforce Beschäftigung’: Die konjunkturelle Lage in der EU führte zu keiner positiven Entwicklung der Beschäftigungsquote. Die einhergehende negative Entwicklung der Arbeitslosenzahlen nach dem Boom-Jahr 2000 veranlasste die Staats- und Regierungschefs im Frühjahr 2003, eine ‘Taskforce Beschäftigung’ unter dem Vorsitz des holländischen Ex-Premierministers Wim Kok einzuberufen. Dieser brachte die bis dato unzureichenden Anstrengungen der Mitglieder der EU auf den Punkt: ‘Den hehren Worten, die vor mehr als drei Jahren in Lissabon gesprochen wurden, müssen Taten folgen.’ Die Taskforce war ein Instrument, das die Ziele der EBS spezifizierte und sich vor allem auf das Wie konzentrierte, d.h. praktische Lösungsansätze bot. Somit wurden die oben genannten Aspekte aus dem Bericht ‘Förderung des aktiven Alterns’ (vgl. Abschnitt 3.4.2) in folgenden drei Handlungslinien konkretisiert: 1. Arbeitnehmer müssen gesetzlich und finanziell angereizt werden, länger zu arbeiten, und auch Arbeitgeber müssen Anreize bekommen, ältere Arbeitnehmer einzustellen bzw. weiter zu beschäftigen. 2. Die Teilnahme an Aus- und Weiterbildungen für alle Erwerbsgruppen, insbesondere gering Qualifizierte und Ältere, muss erhöht werden. 3. Die Qualität der Arbeit muss verbessert werden. Diesen Punkten wurde nochmals explizit der Hinweis hinzugefügt, dass der Frühverrentung Einhalt geboten werden muss und ‘Arbeit mit 60 Jahren’ zur Norm werden sollte. Im Einzelnen sah man folgende Mittel und Wege, die drei Zielvorstellungen in die Tat umzusetzen: Zu 1. a) Anreiz der Arbeitnehmer: - In einer Rentenreform sollten Anreize zum Vorruhestand abgeschafft werden und Anreize gesetzt werden, länger im Job zu bleiben (z.B. durch Sanktionen bzw. Prämien bei der Rentenzahlung bei vorzeitigem bzw. verspätetem Renteneinstieg). - In Form eines flexiblen Übergangs in den Ruhestand können ältere Arbeitnehmer sukzessive über Teilzeit in den Ruhestand gleiten. Dies kann in Form von geringeren Sozialabgaben oder vollen Rentenansprüchen gefördert werden. zu 1. b) Anreiz der Arbeitgeber: - Diese können durch Lohnzuschüsse oder Steuervergünstigungen ermuntert werden, ältere Arbeitnehmer einzustellen. Jedoch müssen diese Instrumente längerfristig ausgelegt sein, da die Beschäftigung Älterer für die Unternehmen Normalität werden soll. zu 2. Teilnahme an Ausbildungen: - Im Kontext des ‘lebenslangen Lernens’ sollen vor allem ältere Arbeitnehmer durch spezielle Programme, die Ausbildung und Stellenvermittlung bzw. Bildung und Arbeit kombinieren, gefördert werden. zu 3. Verbesserung der Arbeitsqualität: - Die Arbeitsbedingungen für Ältere sollen positiv verändert werden, indem Übergänge zur Teilzeit sowie Unterbrechungen ermöglicht und die allgemeinen (Gesundheits-) Schutzmaßnahmen verbessert werden, so dass die Arbeit als dem höheren Alter angepasst bezeichnet werden kann. Angehängt wurden dem Bericht explizite Handlungsempfehlungen für jeden Mitgliedsstaat der EU sowie alle zukünftigen Staaten, die zum 1. Mai 2004 der Europäischen Union beitreten sollten. So erhielt jedes Land nun erstmals ‘schwarz auf weiß’ seine ‘Hausaufgaben’, um die ganzheitliche Strategie einer allgemeinen Erwerbssteigerung (es wurden alle Altersgruppen in den Empfehlungen berücksichtigt) umzusetzen. Die oben genannten drei Zielvorstellungen (Anreize schaffen, Weiterbildung fördern, Arbeitsqualität verbessern), die von der Taskforce Beschäftigung herausgearbeitet wurden, bilden im folgenden Kapitel die Grundlage für die Analyse der Umsetzung der EU-Handlungsempfehlungen für die Arbeitsmarktpolitik für Ältere in Deutschland sowie den ‘Best-Practice-Ländern’ Finnland und Großbritannien.

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