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  • Schadenersatzprozesse in der Krankenpflege: Die Praxis der Beweislastumkehr im Zivilgerichtsverfahren

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Produktart: Buch
Verlag: Igel Verlag
Erscheinungsdatum: 09.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 100
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die Dienstleistungsberufe im Gesundheitswesen üben eine schadensträchtige Tätigkeit aus. Die medizinische und pflegerische Betreuung von Patienten birgt erhebliche Haftungsrisiken. In Pflegehaftungsprozessen kommt den beweisrechtlichen Regelungen eine entscheidende Rolle zu. Die Zivilgerichte formen Pflege- und Arzthaftung durch beweisrechtliche Mittel. Die Pflegehaftung ist analog zum Arztrecht dabei geradezu eine Domäne der zivilrechtlich atypischen Sonderregelung der Beweislastumkehr. Die Frage der Beweislastverteilung bei den Prozessparteien ist entscheidend für den Ausgang von Zivilgerichtsverfahren. Die Beantwortung der Frage, welche Logik hinter der richterlichen Beweislastverteilung steckt und auf welchen Rechtsgedanken und Grundsätzen diese beruht, ist ein zentrales Anliegen dieses Buchs. Es soll der Handhabung und den Folgen der Beweislastumkehr in typischen Haftungssituationen durch die alltägliche Pflegetätigkeit nachgegangen werden. Dabei liegt der Schwerpunkt weniger auf rechtstheoretischen Überlegungen, sondern auf der Praxis der Rechtsprechung, dargestellt an Fallbeispielen und in Beziehung gesetzt zu den Berührungspunkten des Pflegehaftungsrechts mit der Stellung der Krankenpflege im Gefüge der Berufe des Gesundheitswesens. Mit der vorliegenden Arbeit geht der Autor auch der Frage nach, wie sich durch Beweislastumkehr das Haftungsrisiko in der Pflege verschärft und wie dies zu bewerten ist.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2, Grundsätze der Haftung bei Heilbehandlung: 2.1, Grundlagen des Zivilrechts: Unter Haftungsrecht ist das Recht des fehlerhaften Handelns, das Einstehenmüssen für eine (schuldhafte) Pflichtverletzung zu verstehen (vgl. Böhme 1996, S. 2). Es wird in jedem Einzelfall gerichtlich geklärt, wer die Rechtsfolgen zu tragen hat. Die Haftung bezieht sich auf die drei möglichen Rechtsfolgen: zivilrechtliche, strafrechtliche und arbeitsrechtliche Haftung. Bei der zivilrechtlichen Haftung kommt es zu Schadensersatz oder Schmerzensgeld (geregelt im BGB), bei der strafrechtlichen zur Bestrafung (geregelt im StGB) und bei der arbeitsrechtlichen zu disziplinarischen Maßnahmen. Das Strafrecht sieht bei Nichteinhalten gesellschaftlicher Basisnormen Sanktionen vor, die im Interesse der Allgemeinheit als öffentliches Recht von hoheitlich-staatlicher Seite verhängt werden. Im Zivilrecht dagegen, welches die Rechtsbeziehungen der Menschen untereinander regelt, befinden sich die Beteiligten auf einer gleichgeordneten Ebene. Es ist gesetztes (geschriebenes) Recht, welches für die objektive Rechtsordnung der BRD typisch ist und kaum noch Raum für ursprüngliches Gewohnheitsrecht lässt (vgl. Bretzinger u. a., S. 40). Bei dem Schadensersatzrecht geht es um rechtliche Ansprüche, die im Wesentlichen im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt sind. Das BGB legt fest, welche Rechte die Menschen im Verhältnis zueinander haben und gewährleistet die Privatautonomie der Bürger (vgl. Köhler, S. X). Die Privatautonomie (auf der Grundlage der Freiheit des Individuums, Art. 1 u. 2 GG) gestattet dem einzelnen, seine Lebensverhältnisse eigenverantwortlich zu gestalten und rechtliche Regelungen zu treffen (vgl. Bretzinger u. a., S. 100). Als geeignete Handlungsform steht dabei an erster Stelle die Vertragsfreiheit. Das Privatrecht sichert jedoch auch den Rechtsgüterschutz des einzelnen (Leben, Gesundheit, Eigentum, Vermögen, usw.). Der Staat stellt seine Gerichtsorganisation für die rechtmäßige Zuerkennung von Ansprüchen zur Verfügung, es ist jedoch der Initiative des Individuums überlassen, seine Ansprüche geltend zu machen (und ggf. zu beweisen). Zivilrechtlich werden Klagen nur auf Antrag verfolgt, man bezeichnet die beschuldigte Partei auch nicht (wie im Strafrecht) als Angeklagte, sondern man spricht von Kläger und Beklagtem. Das BGB gliedert sich in fünf Bücher, fundamentale Bedeutung für streitige Rechtsfälle aus Medizin und Pflege hat das zweite Buch Recht der Schuldverhältnisse (§§ 241 bis 853). Der Begriff Schuldverhältnis ist abstrakt und zunächst schwer verständlich. Ein Schuldverhältnis liegt schlicht immer dann vor, wenn eine Person einer anderen etwas schuldet (BGB § 241, vgl. Köhler, S. XVII). Arzt und Pflege schulden die Behandlung und haben den Anspruch auf Vergütung (im Regelfall durch die Krankenversicherung), die Patienten haben Anspruch auf Leistungen der Krankenversicherung (§§ 11 – 68 SGB V), aber auch Mitwirkungspflichten. (§ 60 ff. SGB I). Schuldverhältnisse können entweder durch Vertrag oder kraft gesetzlicher Anordnung (= gesetzliche Schuldverhältnisse, z. B. aus unerlaubter Handlung n. § 823 BGB) entstehen. Eine einschneidende Änderung des BGB ging vom Schuldrechtsmodernisierungsgesetz (gültig seit 1.1.2002) aus, welches hauptsächlich das Recht der Leistungsstörungen (§§ 275 ff., 323 ff.) neu geregelt hat (vgl. Köhler, S. XXV). Grundnorm des Schadensersatzes ist nunmehr: § 280 Abs. 1: Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Diese neue Generalklausel hat gerade für rechtliche Fragestellungen im Gesundheitswesen große Bedeutung (vgl. Großkopf/Klein, S. 178 f.). Hiernach haftet der Schuldner (z. B. ein Krankenhausträger) aus einem vertraglichen oder auch gesetzlichen Schuldverhältnis wegen jeder ‘Pflichtverletzung’. Dies kann sich auf Hauptleistungen (Patient erleidet einen Schaden durch einen ‘Kunstfehler’), Nebenleistungen (Lebensmittelvergiftung durch Krankenhaus-küche) und Schutzpflichten (Patient stürzt wegen Unachtsamkeit der Pflegekraft) beziehen. 2.2, Haftung aus Vertrag (§ 611 BGB): Die Voraussetzung einer Haftung aus Vertrag ist die Begründung eines Rechtsverhältnis durch übereinstimmende Willenserklärung (= Vertrag). Ein geschädigter Patient muss mit dem Anspruchgegner einen Vertrag abgeschlossen haben (vgl. Großkopf/Klein, S. 177). Begibt sich ein Patient in ärztliche Behandlung, egal ob in ein Krankenhaus oder in eine Praxis, kommt ein Behandlungsvertrag zustande, der ein Dienstvertrag nach § 611 BGB ist. Im Unterschied zum Werkvertrag wird hier dem Patienten nicht der Heilerfolg als Ergebnis der Behandlung geschuldet, sondern eine ordnungsgemäße, fehlerfreie Dienstleistung. Dem Patienten gegenüber ist dafür einzustehen, dass die Behandlung kunstgerecht, unter Einhaltung des medizinischen Standards durchgeführt wird (vgl. Uhlenbruck/Laufs § 39, RdNr. 9 u. 10). Der Misserfolg, bzw. eine Patientenschädigung allein, ist noch kein Beweis für eine schlechte Behandlung. Die Rechtsprechung kennt krankheitsbedingte Risiken als sog. ‘schicksalhaften Verlauf’, die aufgrund der Unberechenbarkeit des menschlichen Organismus vom Patienten als allgemeines Lebensrisiko zu tragen sind (vgl. BGH, NJW 1980, S. 1333). Typisches Beispiel dafür ist eine Wundinfektion nach einer Operation. Gerade den Arzt trifft, durch die Einordnung des Behandlungsverhältnisses nach § 611 BGB, keine Erfolgshaftung, sondern nur eine Einstandspflicht für vorwerfbare Fehlleistungen (vgl. Uhlenbruck/Laufs § 39, RdNr. 14). Ein Dienstvertrag liegt ebenfalls vor, bei der Einschaltung eines ambulanten Pflegediensts oder dem Bezug von Pflegeleistungen in einer stationären Pflegeeinrichtung auf der Grund-lage des SGB XI (vgl. Böhme 1996, S. 143/144). Die meisten Beschwerden über ärztliche Fehlleistungen richten sich gegen Krankenhausärzte (Giesen, RdNr. 13). Hier haftet der Krankenhausträger vertraglich durch den überwiegend vorliegenden und alle (ärztlichen und pflegerischen) Leistungen umfassenden totalen Krankenhausvertrag. Eine vertragliche Beziehung kommt nicht zwischen angestellten, behandelnden Ärzten u. Pflegepersonal und Patient zustande, sondern zwischen Patient und Träger. Gleiches gilt für Sozialstationen und Altenheime. Die Ausnahme ist der sog. gespaltene Krankenhausaufnahmevertrag, bei dem durch einen privaten Zusatzvertrag auch eine direkte vertragliche Beziehung zu einem liquidationsberechtigten Chefarzt aufgenommen wird (vgl. Giesen, RdNr. 16). Weder das Krankenpflegepersonal noch die übrigen angestellten Ärzte haften dem Patienten direkt aus Vertrag. Zwischen einem in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Kassenpatienten und dem Kassenarzt kommt nach § 76 SGB V ein privatrechtlicher Vertrag zustande, obwohl der Vertragsarzt über die Kassenärztliche Vereinigung zu dem Kostenträger Krankenkasse in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis steht. Somit sind Haftungsansprüche nicht öffentliches Recht, sondern vor Zivilgerichten zu verfolgen (vgl. Uhlenbruck/Laufs § 40, RdNr. 31). Steht eine Einrichtung unter öffentlich-rechtlicher Trägerschaft, so ist dennoch die Vertragsbeziehung des Patienten stets eine zivilrechtliche nach § 611 BGB, unterliegt bei rechtlichen Auseinandersetzungen dem materiellen Recht des BGB und dem formellen Recht der Zivilprozessordnung. 2.2.1, Vertragliche Trägerhaftung nach § 280 BGB: Ein Träger einer Einrichtung als Vertragspartner des Patienten hat nicht nur die Pflicht zur Erfüllung der Hauptleistung (z. B. Therapie und Pflege), sondern auch zum Unterlassen jeder Schädigung durch unsorgfältige Dienstleistung oder Verletzung von Schutzpflichten (Garantenstellung). Zuwiderhandlung ist eine Vertragsverletzung nach dem neuen § 280 BGB (vgl. Schell, S. 57). Bei Verschulden ist er schadensersatzpflichtig. Die Pflichtverletzungen des § 280 sind im Bereich eines Trägers einer Gesundheitseinrichtung im Wesentlichen (vgl. Schell, S. 61): Behandlungs- u. Pflegefehler, Organisationsverschulden (z. B. Kooperationsmängel), Verletzung allg. Verkehrssicherungspflichten, Aufklärungs- u. Dokumentationsmängel, Verletzung der Schweigepflicht, Aufsichtspflichtverletzung und Haftung für fehlerhafte Auswahl u. Überwachung des Personals. Der § 280 gilt im Bereich des Gesundheitswesens vor allem in Verbindung mit den folgenden, neugesetzten Rechtsnormen (vgl. Großkopf/Klein, S. 179 u. Köhler, S. XXV): • § 281: Schadensersatz statt der Leistung, da der § 280 eine Fristsetzung zur Nachbesserung vorsieht, die im Falle eines Gesundheitsschadens ja kaum geleistet werden kann. • § 282: Schadensersatz wegen nicht leistbarer Nebenpflicht, Unzumutbarkeit der Leistung für den Gläubiger. • § 283: Schadensersatz wegen Unmöglichkeit (mit Verweis auf § 275 Ausschluss der Leistungspflicht bei Unmöglichkeit für jedermann), gilt für die vom Schuldner zu vertretende Unmöglichkeit der Leistung. Zusammen mit dem Vertragsverhältnis bildet der § 280 BGB die Anspruchsgrundlage der vertraglichen Haftung. Ursprünglich enthielt das BGB keine Regelungen zu Schlechtleistung oder Verletzung von Nebenpflichten (z. B. Pflicht zu ärztlicher und pflegerischer Dokumentation). Hier formte die ständige Rechtsprechung durch richterliche Rechtsfortbildung den Begriff der ‘positiven Vertragsverletzung’ (vgl. Bretzinger u. a., S. 200). Durch die Modernisierung des Leistungs-störungsrechts wurde nun auch dieser, für Heilbehandlungsprozesse bedeutsame, allgemeine Rechtsgrundsatz gesetzlich geregelt (§ 241 Abs. 2 BGB i. V. mit §§ 280 ff. vgl. Köhler, S. XXVII u. Schell, S. 57).

Über den Autor

Oliver Roth, geb. 1964 in Neustadt a. d. W, absolvierte 1985 nach Abitur und Zivildienst die Krankenpflegeausbildung in Heidelberg. Nach Weiterbildung zum Fachpfleger für Intensivmedizin in Berlin und Tätigkeit in verschiedenen akutmedizinischen Bereichen im Krankenhaus und im Rettungsdienst, schloss er sein Studium zum Diplom-Pflegewirt an der Fachhochschule Frankfurt a. M. 2003 erfolgreich ab. Die langjährige Tätigkeit in Bereichen der Patientenversorgung im Krankenhaus mit besonders hohem Gefahrenpotential wie Intensivstationen und Notaufnahmen in Verbindung mit dem betriebswirtschaftlich orientierten Pflegemanagement-Studium veranlasste ihn, sich mit den rechtlichen Grundlagen der richterlichen Urteilspraxis im Schadenersatzprozess bei Behandlungsfehlern durch Pflege und Medizin zu befassen und die Entwicklung der Rechtsprechung hier aufzuzeigen.

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