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Produktart: Buch
Verlag: Igel Verlag
Erscheinungsdatum: 11.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 124
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Diese Arbeit untersucht die unterschiedlichen Systeme der Kapitalerhaltung, indem zunächst die US-amerikanische Ausschüttungssperre des Solvenztests und die kontinental-europäische Bindung eines Bilanztests in Augenschein genommen werden. Anschließend werden beide Systeme vergleichend gegenüber gestellt und auf dieser Grundlage ein Vorschlag zur Einführung eines neuen Kapitalerhaltungsmodells für die europäische Privatgesellschaft entwickelt.

Leseprobe

Textprobe: C. Kapitalerhaltungsmodelle im Vergleich: Bilanztest- vs. Solvenztest: I. Gegenüberstellung von Bilanz- und Solvenztest im nationalen Kontext: Zur Veranschaulichung der folgenden ökonomischen Untersuchung und zur besseren Einordnung der Begrifflichkeiten soll vorab eine rechtsvergleichende Darstellung der beiden Kapitalerhaltungssysteme in ihrem nationalen Kontext erfolgen. Grundsätzlich lassen sich zwei Ansätze gegenüberstellen, die über Ausschüttungssperren dafür Sorge tragen sollen, dass das Gesellschaftsvermögen vor einem Zugriff der Anteilseigner bewahrt und damit das Unternehmensrisiko zwischen Gesellschaftern und Gläubigern angemessen verteilt wird : Auf der einen Seite steht das kontinentaleuropäische Modell, (meist, aber nicht notwendig ) basierend auf einem Mindestkapital und einem statischen bilanziellen Ausschüttungsverbot, das unabhängig von der Liquiditätssituation greift. Dem steht das ‘liberalere’ angloamerikanische Modell gegenüber, welches neben der Betonung eines privatautonomen Gläubigerschutzes vor allem auf situativen Ausschüttungssperren in Form von Solvenztests basiert. 1. Der Bilanztest als Grundlage der Kapitalerhaltung in Deutschland: Der Bilanztest nach deutschem Recht ist idealtypisch für das traditionelle Kapitalschutzsystem Kontinentaleuropas. Bilanzielle Kapitalerhaltung heißt hierbei zunächst einmal: Nichtausschüttung von gezeichnetem Kapital und durch Gesetz oder Satzung ausschüttungsgesperrten Rücklagen. Nach klassischem Verständnis ‘verdienen sich die Gesellschafter ihr Haftungsprivileg [...] erst dadurch, dass sie das zur Deckung des Stammkapitals erforderliche Gesellschaftsvermögen in nachprüfbarer Weise durch Einlagen aufbringen und es der Gesellschaft nicht wieder entziehen’. a) Gläubigerschutz durch Gesellschaftsrecht: Die legislative Grundlage der Kapitalerhaltung im deutschen GmbH-Recht bildet § 30 Abs. 1 GmbHG. Danach sind Auszahlungen an die Gesellschafter aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Gesellschaftsvermögen verboten. Die Auszahlungssperre greift mit Eintritt der Unterbilanz, d.h. wenn der Betrag des Stammkapitals nicht mehr durch das Gesellschaftsvermögen gedeckt wird. Hierbei sieht der deutsche Gesetzgeber gem. § 5 Abs. 1 GmbHG (noch ) ein Mindestkapital von 25.000 € vor. Das charakteristische Tatbestandsmerkmal des § 30 Abs. 1 GmbHG besteht in der Schmälerung des Gesellschaftsvermögens infolge einer Zuwendung an die Gesellschafter (sog. Einlagenrückgewähr). An dieser Stelle greift das Gesellschaftsrecht über die Relaisnorm des § 42 Abs. 1 GmbHG ins Bilanzrecht über, da die rechnerische Deckung des Stammkapitals eine bilanzielle Betrachtung erfordert. b) Ergänzung des Gläubigerschutzes durch das Bilanzrecht Während eine bilanzielle Kapitalerhaltung grundsätzlich mit jeder Form der Gewinnermittlung betrieben werden kann , ergibt sich im deutschen Recht eine besondere Ergänzung des bilanzbasierten Kapitalerhaltungssystems durch die Ansatz- und Bewertungsregelungen des HGB. Entscheidend ist, welche Positionen als Aktiva und Passiva anzusetzen und wie diese zu bewerten sind, da jedes Kapitalerhaltungssystem durch zu ‘freigiebige’ Bilanzvorschriften unterlaufen und entwertet werden kann. Beispielhaft sei hier allein das Vorsichtsprinzip in seiner Ausprägung durch das Imparitäts- (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 Hs. 1 HGB) und das Realisationsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 Hs. 2 HGB) als tragende Säule des deutschen Bilanzrechts dargestellt. Dieses bilanzielle Fundament stellt sicher, dass das Gesellschaftsvermögen nicht zu hoch ausgewiesen wird, da sowohl Imparitäts- als auch Realisationsprinzip einen möglichst risikoarmen Gewinnausweis beabsichtigen. Nach dem Imparitätsprinzip sind Aktiva unter Berücksichtigung aller vorhersehbaren Risiken und Verluste eher zu niedrig, Verbindlichkeiten eher zu hoch anzusetzen. Das Realisationsprinzip verlegt den Zeitpunkt der Gewinnrealisierung über den Vertragsschluss hinaus auf die reale Leistungserbringung nach hinten. Konsequenz dieser Bewertung ist, dass vage Gewinnchancen und unsichere Wertsteigerungen bilanziell nicht ausgewiesen (und damit nicht ausgeschüttet) werden können und so dem Gesellschaftsvermögen erhalten bleiben. Das Vorsichtsprinzip führt folglich zu einem sinkenden Bilanzgewinn, der zugunsten der Gläubiger einen Rückgang der Ausschüttungen zur Folge hat. c) Haftung im Falle rechtswidriger Auszahlungen: Flankiert wird das gesellschaftsrechtliche Kapitalerhaltungssystem durch die Regelungen zur Haftung der Gesellschafter und Geschäftsführer. So ordnet § 31 GmbHG an, dass Zahlungen an die Gesellschafter, die der Vorschrift des § 30 GmbHG zuwider geleistet wurden, der Gesellschaft zu erstatten sind. Geschäftsführer haften der GmbH gem. § 43 Abs. 3 GmbH auf Schadensersatz für widerrechtliche Ausschüttungen. Hierbei gilt ein objektiver Verschuldensmaßstab, der an die Ausschüttungshandlung anknüpft. 2. Der Solvenztest – die US-amerikanische Alternative: Im Gegensatz zur dargestellten bilanzbasierten Ausschüttungsregelung wurde erstmals in den USA mit dem Revised Model Business Corporation Act (RMBCA) von 1984 ein solvenztestbasiertes Schutzsystem eingeführt, das international zunehmende Anhängerschaft findet. a) Die gesellschaftsrechtliche Ausschüttungssperre des § 6.40 RMBCA: Durch den RMBCA sind in den USA sowohl das Mindestkapitalerfordernis wie auch der capital surplus -Test gefallen. Das klassische Kapitalschutzsystem wurde in § 6.40 RMBCA durch eine zweistufige Ausschüttungsregelung ersetzt. So stellt der RMBCA eine Dividendenausschüttung einerseits unter den Vorbehalt, dass die Gesellschaft nach der Ausschüttung ihre Verbindlichkeiten bei Fälligkeit erfüllen kann (sog. equity insolvency test, § 6.40(c)(1) RMBCA ) und andererseits sämtliche Verbindlichkeiten der Gesellschaft durch ihr Vermögen gedeckt werden (sog. balance sheet/bankruptcy insolvency test, § 6.40(c)(2) RMBCA ). aa) Der equity insolvency test, § 6.40(c)(1) RMBCA: Der equity insolvency test stellt den Kern der Ausschüttungsregelungen des RMBCA dar. Zur Erstellung der Solvenzprognose ist die Ertragskraft des Unternehmens den erwarteten Verbindlichkeiten gegenüber zu stellen. Durch diesen Systemwechsel wird die bilanzielle Betrachtung zugunsten einer prognoseorientierten Cashflow-Analyse aufgeben. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass Gläubiger vorrangig am erwarteten Kapitalfluss interessiert sind, da die Erfüllung ihrer Forderung allein von der künftigen Liquidität ihres Schuldners abhängt. Ein statischer Bilanztest sei hingegen für die Gläubiger von geringer Relevanz, da er nichts über die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft auszusagen vermag. Die Solvenzgarantie der Direktoren darf nach der offiziellen Kommentierung erfolgen, sobald Wirtschaftsprüfer von der Fortführung des Unternehmens ausgehen. Hierfür sind die Liquidität des Schuldnervermögens, seine Ertragsmöglichkeiten sowie der Reifegrad der Schulden in die Prognose einzubeziehen. Der zeitliche Rahmen einer Solvenzprognose wurde von der Rechtsprechung in der Rechtssache Pereira v. Cogan definiert. Hiernach muss die Solvenzerklärung wenigstens eine dreijährige Liquidität gewährleisten. bb) Der balance sheet test, § 6.40(c)(2) RMBCA: Neben dem Solvenztest stellt der balance sheet test die kumulative zweite Säule des Kapitalerhaltungssystems des RMBCA dar und untersagt vereinfacht eine Ausschüttung immer dann, wenn die Aktiva nicht mehr die Verbindlichkeiten decken. Die Beibehaltung des balance sheet test neben dem Solvenztest wurde im Gesetzgebungsverfahren heftig kritisiert und kann nur politisch dadurch erklärt werden, dass der Bundesgesetzgeber anderenfalls eine fehlende Akzeptanz des neuen RMBCA-Statuts in den Mitgliedstaaten befürchtete. b) Bilanzrecht im Kontext des § 6.40(c)(2) RMBCA: Der balance sheet test basiert ebenso wie das deutsche Kapitalerhaltungsrecht auf einer bilanziellen Betrachtung. Es überrascht daher, dass § 6.40(d) RMBCA den Direktoren allein die Anwendung ‘angemessener’ Bewertungsregeln vorschreibt. Infolgedessen besteht eine Wahlfreiheit zwischen einer Bewertung des Unternehmensvermögens auf der Basis der Bilanz (Teilwertansatz) oder aufgrund des fortgeführten Unternehmenswertes (sog. going concern). Letzteres gilt solange als angemessen, wie eine Fortführungsabsicht besteht. Nachdem der going concern-Wert im Wesentlichen jedoch auf diskontierten Kapitalflussrechnungen basiert, besteht eine Prüfungsredundanz mit dem equity insolvency test.

Über den Autor

Dr. Maximilian M. Preisser, MSc. in Law and Finance (Oxford), wurde 1984 in Hutthurm geboren. Nach seinem Studium der Rechtswissenschaften an der Bucerius Law School in Hamburg promovierte er bei Prof. Dr. Rüdiger Veil mit einer Arbeit zur Regulierung von Staatsfonds. Im Anschluss absolvierte er das Masterstudium Law and Finance an der University of Oxford.

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