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Sozialwissenschaften


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Produktart: Buch
Verlag: Bachelor + Master Publishing
Erscheinungsdatum: 11.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 48
Abb.: 7
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Nach den radikalisierenden Materialschlachten des Ersten Weltkrieges begann die auswärtige Kulturpolitik in Deutschland allmählich wieder an Bedeutung zu gewinnen. Nur war die Karikatur des träumerischen deutschen Michels der eines säbelrasselnden Offiziers mit Pickelhaube gewichen. Der deutschen Wissenschaft fiel es nach dem Ende des Krieges schwer, in den wieder aufgebauten transnationalen Strukturen Fuß zu fassen. Aus diesem Grund wurde die Institutionalisierung des internationalen wissenschaftlichen Austausches zum probaten Mittel deutscher Kulturpolitik. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit nationalsozialistischer Außenpolitik produzierte Kontroversen zwischen Historikern und ehemaligen Staatsdienern. Ein aktuelles Beispiel lieferte die Unabhängige Historikerkommission - Auswärtiges Amt , die vom ehemaligen Außenminister Joschka Fischer (B’90/Grüne) berufen wurde. Die Kommission veröffentlichte im Oktober 2010 ihre Forschungsergebnisse: Das Amt und die Vergangenheit . Die vorliegende Arbeit wird aber weder eine Rezension dieses Werkes darstellen noch an die engeren Forschungsziele der Kommission in Bezug auf die Billigung und Mithilfe deutscher Diplomaten am Holocaust anknüpfen. Dennoch ist diese Arbeit vom Geiste eben jener Historikerkommission beseelt und versucht, die institutionellen Vorgänger des heutigen Akademischen Auslandsamtes in Heidelberg (AAA) zur Zeit und unter dem Einfluss des Nationalsozialismus zu beleuchten. Hierbei ist es notwendig, die Zusammenarbeit der verschiedenen Ausländerbetreuungsstellen mit Rektorat, Reichsführung und Deutschem Akademischen Austauschdienst (DAAD) herauszuarbeiten. Zum Begriff der Ausländerbetreuung ist zu sagen, dass er in der vorliegenden Arbeit nicht nur die reale Betreuung in Form von Unterricht, Unterkunft und Unterhaltung umfasst. Vielmehr soll im Besonderen die Genese einer ideologisch-beeinflussten Amtsstruktur und einerdaraus entstehenden Problematik dargestellt werden. Diese Arbeit basiert zum größten Teil auf Aktenbeständen des Universitätsarchivs Heidelbergs (UAH). Bestände, die im direkten Zusammenhang für diese Arbeit verwendet werden konnten, stammen aus den Jahren 1926 - 1952 sie umfassen Aktennotizen, Briefwechsel, Erlasse, Berichte, Personalakten und Studentenkarteien. Aus diesen Beständen geht u.a. hervor, inwiefern Heidelberger (Nachwuchs-)Wissenschaftler ihre Arbeit in den Dienst nationalsozialistischer Kulturpolitik stellen sollten.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3.2.3, Einblick: Das Selbstverständnis der Auslandabteilung: Das Heidelberger Finanzamt monierte im März 1935, dass nach ihrer Feststellung das gesamte Personal abseits des regulären Gehaltes bestimmte Aufwandsentschädigungen erhalte. Besonderen Anstoß nahm das Finanzamt daran, dass selbst das ‘Bürofräulein’ für ihre Anfahrt aus Mannheim und ihr Mittagessen Extrabezüge empfing. Aufwandsentschädigungen könnten nach Einkommensteuergesetz jedoch nur durch leitendes Personal in Anspruch genommen und steuerlich geltend gemacht werden. Das Finanzamt erbat sich daher eine Erklärung, inwiefern das gesamte Personal der Auslandabteilung unter diese Regelung fallen könne. Anhand des Aufgabenfeldes der ‘Ausländerbetreuung’ versuchte Nieland, die außerordentlichen Bezüge seiner Untergebenen zu rechtfertigen. Das Antwortschreiben Nielands vermag hierbei, tiefe Einblicke in das damalige Selbstverständnis der AAAA zu geben. Einleitend unterstrich Nieland die besondere Wichtigkeit ausländischer Gäste, indem er auf deren Empfehlung durch DAAD, APA und diplomatischen Dienst hinwies. Die Betreuung von Einzelpersonen und Reisegruppen ausländischer Akademiker und so genannter ‘hervorragender Ausländer’ gehöre zu den ‘Pflichten des Rektors der Universität’ und beruhe auf ‘internationalen Gepflogenheiten.’ Da der Rektor jedoch nicht immer in der Lage sei, diesen Pflichten persönlich nachzukommen, greife jener auf die Mitarbeiter der Auslandabteilung zurück, wodurch diesen große Kosten entstehen würden. Die Mitarbeiter seien ‘im dienstlichen Interesse’ dazu gezwungen, Ausländer zum Essen zu begleiten, sie dazu einzuladen oder ‘das Auto [Taxi] zu bezahlen.’ Durch diese Aufwendungen würden die Mitarbeiter jedoch Beziehungen zu ‘einflussreichen Ausländern’ schaffen, die sich zum ‘Nutzen der Deutschen Wissenschaft und der Heidelberger Universität’ entwickeln könnten. Solche besonderen Beziehungen würden dann von der Auslandabteilung, dem DAAD und der APA ausgewertet. Auch weniger namhafte Persönlichkeiten erforderten laut Nieland eine besondere Betreuung. Da gegenüber dem Finanzamt kein besonderes Subordinationsverhältnis bestand und es sich bei dem Bericht weder um ein internes noch um ein öffentlichkeitswirksames Schreiben handelte, bediente sich Nieland bei diesem Aspekt besonders klarer Worte. Bei dieser Gelegenheit legte er ebenfalls verfängliche Details der Zusammenarbeit mit der DAG offen: ‘Man betrachtet ja heute die ausländischen Studenten nicht mehr lediglich als melkbare Kühe, sondern will durch sie aussenpolitisch und kulturell wirken. Der Verkehr im Klub [DAG], bei dem unauffällig auch eine Beeinflussung und auch Überwachung der Ausländer durchgeführt wird, erfordert wiederum persönliche Aufwendungen der Mitglieder der Abteilung.’ Die Heidelberger Akten der AAAA zeugen hier erstmals davon, wie eine direkte Manipulation ausländischer Studierender im Sinne nationalsozialistischer Kulturpolitik aktiv gefördert wurde. Dass hierbei der Begriff der ‘melkbaren Kühe’ nicht nur abschätzig gegenüber den Ausländern, sondern auch sarkastisch auf das Arbeitsfeld des Adressaten gemünzt war, ist nicht auszuschließen. Es sei praktisch unmöglich, so Nieland weiter, über jede einzelne Aufwendung Buch zu führen. Wenn die bisher in Anspruch genommenen Aufwandsentschädigungen wegfielen, könne die Auslandabteilung ‘den Dienstzweig der Ausländerbetreuung’ nicht mehr wahrnehmen. Die ausländischen Gäste würden sich ‘mit Recht schlecht behandelt’ fühlen und in der Folge von einem Besuch Heidelbergs absehen. Anhand dieses Berichtes wird deutlich, dass sich die Auslandabteilung als vom Heidelberger Rektorat bevollmächtigter Förderer der deutschen Wissenschaft und zugleich als Botschafter nationalsozialistischer Kulturpolitik verstand. Alle Initiativen des Sommers 1935 bildeten bereits die programmatischen Vorbereitungen auf das anstehende 550. Jubiläum der 1386 gegründeten Ruperto-Carola. Jedoch bereits vor Beginn des Wintersemesters 1935/36 gab Nieland all seine Heidelberger Ämter auf, da er einem Ruf an die Universität Rostock folgte, wo er sich wieder ausschließlich der Mineralogie widmen konnte. Die Amtsaufgabe Nielands wurde von Rektor Groh aufrichtig bedauert er hätte ‘ungemein gern’ die Leitung unter Nieland ‘dauernd beibehalten.’ Angesichts der nahenden Jubiläumsfeierlichkeiten und deren außerordentlicher Bedeutsamkeit für Universität, Wissenschaft und Reichspropaganda, galt es, rasch einen fähigen Nachfolger für Nieland zu bestimmen. Am 10. September 1935 ernannte der Badische Kultusminister Hans Hermann Adler zum neuen Abteilungsleiter.

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