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Sozialwissenschaften

Fabio Spirinelli

Geschichte des Rassismus und des Antirassismus in Luxemburg von 1970 bis 2011

ISBN: 978-3-95549-082-9

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Produktart: Buch
Verlag: Bachelor + Master Publishing
Erscheinungsdatum: 02.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 80
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Rassismus ist ein komplexes und vielseitiges Phänomen, das sich auf verschiedene Arten manifestieren kann. Auch im Großherzogtum Luxemburg, das sich durch eine multikulturelle Gesellschaft auszeichnet, sind rassistische Phänomene zu beobachten. Das vorliegende Buch widmet sich dieser Thematik und untersucht, auf welche Weise sich Rassismus in Luxemburg manifestiert hat, d.h. welche Formen, wie etwa Antisemitismus oder Islamophobie, dominiert oder koexistiert haben. Die Studie ist chronologisch gegliedert und behandelt den Zeitraum von 1970 bis 2011. Es wird erläutert, welche Kontinuitäten und Zäsuren in der Entwicklung des Rassismus sowie des Antirassismus festzustellen sind. Die Entstehung rassistischer Gruppierungen und Parteien wird ebenso in Betracht gezogen wie die Gründung antirassistischer Organisationen und die Umsetzung staatlicher Maßnahmen – ohne dabei Polemiken, rassistische Diskurse und gesetzliche Entwicklungen außer Acht zu lassen.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel II., Die 1970er Jahre: Rassismus – ein vernachlässigtes Phänomen?: II.1., Eine Zeit des Wandels: Die 1970er Jahre waren für das Großherzogtum Luxemburg ein bewegtes Jahrzehnt, sowohl gesellschaftlich als auch wirtschaftlich. An erster Stelle sind der Bevölkerungswachstum und die dafür zuständige Immigration zu nennen. 1970 lebten in Luxemburg 339.841 Einwohner, und diese Zahl wuchs bis 1981 auf 364.602 an. Der Anstieg war nur durch einen Wachstum der ausländischen Bevölkerung bedingt, ihre Zahl stieg von 62.504 im Jahr 1970 auf 95.789 elf Jahre später an, während die Zahl der Luxemburger in demselben Zeitraum durch Geburtenrückgang bedingt abnahm. Die Einwanderung war sicherlich kein neues Phänomen für Luxemburg, allerdings sind nun die Italiener von den Portugiesen abgelöst worden. Von insgesamt 7.361 Immigranten die 1970 nach Luxemburg kamen, waren 2.852 Personen portugiesischer Nationalität, damit bildeten sie auch die größte Gruppe der Einwanderer. Hinzu trat die Niederlassung von Funktionären europäischer Institutionen und ihrer Familien, ein Phänomen, das schon seit den 1950er Jahren beobachtet werden kann. Um die Mitte der 1970er Jahre erlebte Luxemburg eine Stahlkrise. Der Rückgang der Stahlindustrie konnte jedoch durch eine wirtschaftliche Diversifikation kompensiert werden. In demselben Zeitraum entwickelte sich Luxemburg zu einem internationalen Finanzplatz. Zwischen 1960 und 1980 stieg die Anzahl der Finanzinstitutionen von 17 auf 111 an. Damals wurden die Fundamente für die heutige Gesellschaft gelegt. Die beschriebenen Trends sollten noch in den folgenden Jahrzehnten zu beobachten sein, dies gilt insbesondere für die Einwanderung und den Anstieg der ausländischen Bevölkerung. II.2., Wahrnehmung und Manifestationen des Rassismus: Rassistische Phänomene in den 1970er Jahren sind schlecht dokumentiert. Das öffentliche Interesse war klein, was möglicherweise an den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umständen (z.B. Stahlkrise) lag. Als einzige staatliche Institution ist der Service Social de l’Immigration, zu nennen, der 1964 auf Empfehlung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gegründet worden ist. Laut Serge Kollwelter, ehemaliger Präsident der ASTI, habe zwar der Service Social de l’Immigration eine nützliche Arbeit geleistet, es sei dem Sozialdienst aber nicht gelungen, eine durchgreifende Immigrationspolitik zu betreiben. Der Service Social de l’Immigration hatte keine Mittel dazu und setzte sich auch nur aus sechs Mitarbeitern zusammen. Diese Kritik ist nicht nur von Serge Kollwelter zum Ausdruck gebracht worden. Die Gesellschaftspolitische Aarbechtsgrupp an der Jugendpor Lëtzebuerg schrieb 1977 in einem forum-Artikel: 'Le Service d’Immigration comprend un commissaire, trois assistant(e)s sociaux et une secrétaire pour 80.000 étrangers. Imaginez le fonctionnement de ce service, si un(e) employé(e) est malade, en congé ou en stage.' Auf gesellschaftlicher Ebene gibt es erst seit 1979, mit der Gründung der ASTI (Association de Soutien aux Travailleurs Immigrés) als NRO, eine transnationale antirassistische Organisation mit politischen Ansprüchen. Statistiken oder Berichte über Rassismus fehlen fast gänzlich. In den 1970er Jahren war die Immigration, wegen ihrer Aktualität, ein viel diskutiertes Thema. Dies zeigen zahlreiche Artikel, die aus dieser Zeit stammen. Auch hat man sich verstärkt mit der Frage der nationalen Identität beschäftigt. Die Situation der Migranten wurde oft kritisiert. So veröffentlichte 1974 die Uniâo ein Schwarzbuch über die Situation der Fremdarbeiter in Luxemburg. Hierbei handelt es sich um eine Zusammenstellung verschiedener Artikel, Statistiken, Gedichte und Texte, die aber nicht unbedingt alle in Verbindung zu Luxemburg stehen und doch ein Bild der prekären Situation der Gastarbeiter geben. Rassismus kommt hingegen als Thema nur selten vor, auch wenn sich manche Immigranten über den Rassismus der Luxemburger beklagten. Rechtsextremistische Gruppierungen, die rassistische Themen hätten aufgreifen können, existierten nicht, oder zumindest sind keine bekannt. Antirassistische Maßnahmen seitens der Regierung gab es keine. Lediglich das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung vom 21. Dezember 1965 ist per Gesetz am 1. Dezember 1977 anerkannt worden. 1972 wies Michel Delvaux in einem Artikel im d’Letzeburger Land darauf hin, dass es keine Gesetze gab, die Verkaufsverweigerung unterbanden oder es einem Händler verboten, einen Kunden auf diskriminierende Weise zu behandeln. Diese Situation sollte sich erst 1980 ändern. Rassistische Phänomene scheinen nicht durch die Stahlkrise verstärkt worden zu sein. In den 1970er Jahren ist ihr Ursprung eher in der Einstellung gegenüber einem Anstieg der Immigranten und dem Auftauchen neuer ethnischer Minderheiten (‚schwarze’ Arbeiter) zu suchen, sowie in Haltungen, die sich nicht ausschließlich auf den hier behandelten Zeitraum beschränken (Antisemitismus). II.2.1., Die Situation schwarzer Arbeiter: Auch wenn die Informationsdichte für die 70er Jahre sehr dünn ist, bedeutet dies nicht, dass es keine rassistischen Phänomene in Luxemburg gab, wie der Artikel 'Le racisme, un problème au Luxembourg?' zeigt, der am 21. Juli 1972 im d’Letzeburger Land, einer politisch unabhängigen Wochenzeitung, veröffentlicht worden ist. Darin schreibt Michel Delvaux, dass die 'schwarzen' Arbeiter in Luxemburg am meisten vom Rassismus betroffen seien, obwohl man ihre genaue Zahl nicht kenne: 'Comme la Junte portugaise pratique une politique d’assimilation complète entre les ressortissants de ses 'provinces d’Outre-Mer' et la métropole, il est impossible, à moins d’établir des statistiques fondées sur la race, de savoir combien de travailleurs de couleur se trouvent parmi les 6.300 Portugais. Et c’est eux que menace le plus insidieusement le racisme.' In der Tat fehlt eine Statistik über die Anzahl der 'schwarzen' Arbeiter, was eventuell an zwei Ursachen liegen könnte: neben der ethischen Frage würde es schon an den objektiven Kriterien scheitern, da es zwischen ‚schwarz’ und ‚weiß’ unzählige Zwischenstufen gibt, die eine klare Trennung unmöglich machen. Wer als ‚schwarz’ angesehen wird, ist Resultat einer persönlichen oder gesellschaftlichen Zuschreibung. Weiter beschreibt der Verfasser des Artikels die schlechten Lebensbedingungen der 'schwarzen' Arbeiter: sie seien dazu verdammt, in Bruchbuden dahin zu vegetieren ('[...] condamnés à moisir dans des taudis.'). Es gebe zwar keine Elendsviertel, doch im Grund und im Pfaffenthal würden die 'Mieter' auf wurmstichigen Fußböden hausen und in Betten mit schmutziger Bettwäsche schlafen. Delvaux empört sich angesichts dieser Tatsachen darüber, dass in Sanem und Walferdingen Ausschüsse gegen die Errichtung von Aufnahmeeinrichtungen gegründet worden sind. Darüber hinaus erwähnt Delvaux einen Brief des Justizministers Eugène Schaus (von der DP) vom 18. Februar 1972 an den Industriellen- und Handwerkerverband, in dem geschrieben steht, dass aufgrund der schwierigen Assimilation und einer 'möglichen' Repatriierung ('rapatriement éventuel') die potenziellen afrikanischen und asiatischen Arbeiter keine Aufenthaltserlaubnis erhalten können. Der Verfasser des Artikels fragt sich, was man unter afrikanisch und asiatisch verstehen soll. Schließlich stelle sich die Frage, ob auch jemand afrikanischer Herkunft aber mit portugiesischer Nationalität ebenfalls rückgeführt würde, oder ob alle mit einer bestimmten Hautfarbe zurückgeführt würden, ungeachtet ihrer Nationalität. Die Aussage im Brief kann, wenn in die Tat umgesetzt, zu rassistischer Diskrimination führen. Des Weiteren bleibt unklar, was mit einer 'möglichen' Repatriierung gemeint ist. Die Regierung scheint nicht damit zu rechnen, dass die betroffenen Arbeiter sich dauerhaft in Luxemburg niederlassen könnten.

Über den Autor

Fabio Spirinelli, B.A., wurde 1990 in Esch-sur-Alzette (Luxemburg) geboren. Sein Studium in Bachelor en Cultures Européennes – Histoire schloss der Autor 2012 an der Université du Luxembourg erfolgreich ab. Sein Interesse für gesellschaftliche Problematiken im Allgemeinen und Rassismus im Besonderen hat ihn dazu gebracht, sich dem Thema des vorliegenden Buches zu widmen.

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