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Sozialwissenschaften


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Produktart: Buch
Verlag: Bachelor + Master Publishing
Erscheinungsdatum: 07.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 40
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Kinderarmut galt in Deutschland lange Zeit als unbedeutendes Randphänomen. Im Zuge des Wandels von Arbeitsmarkt- und Familienstrukturen lässt sich jedoch seit Beginn der 90er Jahre ein Auseinanderdriften der Gesellschaft beobachten, in dessen Verlauf breite Teile der heranwachsenden Bevölkerung als Modernisierungsverlierer zurückbleiben. Auch immer mehr Kinder aus der traditionellen Mittelschicht wachsen in Armutslagen auf. Diese Entwicklung hat den öffentlichen und wissenschaftlichen Diskurs um Chancengerechtigkeit erneut entfacht. Innerhalb der letzten Jahre erschienene Studien liefern eine detaillierte Analyse der Auswirkungen von Armutslagen auf Lebensbedingungen und Verwirklichungschancen von Kindern. Wenig beachtet blieb jedoch bisher, in welchem Maße sich Armutsstrukturen über Generationen hinweg verfestigen. Die vorliegende Arbeit widmet sich der Frage, inwieweit Kinderarmut in Deutschland als spezifische Reproduktionsform sozialer Lagen verstanden werden kann. Unter Rückgriff auf Pierre Bourdieus Theorien von Habitus und Kapital werden individuelle und institutionelle Mechanismen aufgezeigt, die eine sogenannte Vererbung von Lebenschancen begünstigen. In der Kindheit erfahrene Mangelzustände beeinflussen nicht nur die aktuelle Lebenslage von Kindern, sondern auch ihre Entwicklungs- und Lebenschancen. Als zentrale Einflussfaktoren auf die langfristige Verfestigung erlebter Benachteiligungen werden die familiäre Ausstattung mit Kapitalressourcen, die habituelle Disposition der Eltern sowie die Verfügbarkeit externer Unterstützung identifiziert. Kinder, die in armen Familien aufwachsen, haben, so das Fazit, ein erhöhtes Risiko, später selbst in Armut zu leben. Eine Beschränkung der Ursachensuche von Armutskarrieren auf die individuelle Ebene greift jedoch zu kurz. Vielmehr führt erst die Interaktion mit gesellschaftlichen Institutionen, wie dem Bildungs- oder Sozialsystem, zur Entstehung von Bedingungen, welche eine Verfestigung multipler Deprivationen hervorrufen können. An dieser Stelle finden sich entscheidende Ansatzpunkte für eine armutsvermeidende Sozial- und Familienpolitik.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel IV, Kinderarmut in Deutschland: Die Problematik der steigenden Kinderarmut ist nicht zuletzt mit dem Erscheinen des dritten Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung im Mai 2008 stark in die Öffentlichkeit gerückt. Entgegen der allgemeinen Wahrnehmung handelt es sich hierbei jedoch nicht um ein neues Phänomen, sondern um eine langfristige Entwicklung, die von Hauser schon im Jahre 1997 als ‘Infantilisierung der Armut’ (Hauser 1997: 76) bezeichnet wurde. Trotz des verstärkten Interesses an Kindern als Betroffene von Armut ist ein wirklicher Perspektivenwechsel bisher ausgeblieben. So orientieren sich die offiziellen Armutszahlen immer noch an der Einkommenslage der Eltern. Demzufolge lebten im März 2007 über 1,9 Mio. Kinder unter 15 Jahren in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften . Rechnet man Empfänger von Sozialhilfe, Flüchtlinge und nicht erfasste, d.h. in verdeckter Armut lebende, Kinder hinzu, so befanden sich in Deutschland zu diesem Zeitpunkt etwa 2,8 Mio. Kinder am Rande des soziokulturellen Existenzminimums (Butterwegge/Klundt/Belke-Zeng 2008: 120). Auffällig erscheint dabei vor allem die Altersstruktur der Betroffenen. So waren im Oktober 2008 1 Mio. der 2,2 Mio. Hartz-IV-Kinder unter 3 Jahren alt (Bundesagentur für Arbeit 2008: 21). Im Längsschnitt betrachtet hat sich die Sozialhilfequote der Kinder unter 7 Jahren von 1984 bis 2004 sogar verfünffacht (Becker/Hauser 2008: 1). Insgesamt stellen Kinder heute ein Drittel aller SGB-II-Bezieher dar und sind damit fast doppelt so häufig von Armut betroffen wie erwerbsfähige Erwachsene (Bundesagentur für Arbeit 2008: 21). Das Risiko in Armut aufzuwachsen ist bei Kindern mit Migrationshintergrund noch einmal doppelt so hoch wie bei deutschen Kindern (BMAS 2008: 141). Angesichts dieser Zahlen stellt sich nun die Frage, warum Kinder in unserer gegenwärtigen Gesellschaft immer häufiger in Armutslagen geraten und welche Auswirkungen dies auf ihre individuellen Verwirklichungschancen hat. IV.I, Ursachen von Armutslagen bei Kindern: Die Ursachen der steigenden Kinderarmut in Deutschland sind in erster Linie in der Veränderung der ökonomischen und sozialen Lage von Familien zu suchen. So ließen globalisierungsbedingte Modernisierungsprozesse neue soziale Risiken entstehen, die mit einer sozio-strukturellen Entgrenzung von Armut einhergingen: ‘Armut reicht als vorübergehende Lebenslage und latentes Risiko in mittlere Schichten hinein und ist nicht auf traditionelle Randschichten beschränkt.’ (Buhr 1998: 73) Besonders augenscheinlich werden die neuen Herausforderungen der sogenannten ‘Risikogesellschaft ‘ auf dem Arbeitsmarkt. Die durch Automatisierung und den Übergang zur Dienstleistungsgesellschaft verursachte Abnahme der Beschäftigungsmöglichkeiten im Produktionsbereich erzeugt eine strukturelle Arbeitslosigkeit, die vom Markt selbst nicht abgefangen werden kann und daher zu verfestigen droht. Da Kinder fast ausschließlich in Haushalten mit Erwerbstätigen aufwachsen, sind sie in besonderem Maße von dieser Entwicklung betroffen. Der dritte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung weist in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung eines stetigen Einkommens für die Lebenslage von Kindern hin. So sinkt ihr Armutsrisiko bei Beschäftigung beider Eltern im Vergleich zu Arbeitlosen von 48% auf 4-8% (BMAS 2008: 94). Arbeitslosigkeit zählt zu den traditionellen Armutsrisiken. In Deutschland treten jedoch auch zunehmend Fälle von Armut trotz Arbeit auf. Bildete das Normalarbeitsverhältnis, d.h. ‘eine unbefristete, sozial- bzw. arbeitsrechtlich und kollektivvertraglich geschützte Vollzeitbeschäftigung’ (Butterwegge/Klundt/Belke-Zeng 2008: 67), jahrelang die Basis der sozialen Marktwirtschaft, so wurde es im Zuge der wirtschaftliche Liberalisierung sukzessive durch flexible Beschäftigungsformen, wie z.B. befristete Leiharbeit, Mini- oder Midi-Jobs, ersetzt. Dadurch entstand innerhalb kurzer Zeit ein ausgedehnter Niedriglohnsektor, der heute bereits ein Drittel aller abhängig Beschäftigten umfasst. Diese Entwicklung wird im Bezug auf die Armutsproblematik auch von der Regierung selbst kritisch betrachtet: ‘Mit der Zunahme des Niedriglohnbereichs auch bei Vollzeiterwerbstätigkeit geht ein gestiegenes Armutsrisiko von Erwerbstätigen einher.’ (BMAS 2008: VII) Existenz gefährdend ist schlecht bezahlte Vollzeitarbeit v.a. dort, wo mit einem Einkommen mehrere Personen versorgt werden müssen, d.h. in Familien. So waren im Januar 2007 59% der SGB-II beziehenden Paare mit Kindern erwerbstätige Aufstocker (BMAS 2008: 95).

Über den Autor

Ricarda Röleke wurde 1896 in Helmstedt geboren. Nach Abschluss ihres Studiums der Europawissenschaften (BA) an der Universität Passau (2009) studierte sie Sozialpolitik an der London School of Economics (Abschluss MSc 2010). Während ihres Studiums setzte sich sie sich intensiv mit Fragen sozialer Ungleichheit und gesellschaftlicher Teilhabe auseinander. Schwerpunkte bildeten dabei Familien-, Arbeitsmarkt-, Bildungs- und Integrationspolitik. Die damalige Debatte um die 'Generation Hartz IV' lieferte die Motivationsgrundlage für die vorliegende Arbeit. Ricarda Röleke ist zurzeit als Koordinatorin im regionalen Übergangsmanagement Schule-Beruf tätig und forscht zu Chancen der Sozialraumorientierung in der Übergangsgestaltung.

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