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Pädagogik & Soziales


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Produktart: Buch
Verlag: Bachelor + Master Publishing
Erscheinungsdatum: 11.2022
AuflagenNr.: 1
Seiten: 156
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Spätestens seit dem Pisa-Schock (2000) wurde deutlich, dass im deutschen Bildungssystem keine Chancengleichheit herrscht. Die schulischen Leistungen von Schülerinnen und Schülern mit niedrigem Sozialstatus sowie die Leistungen von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund blieben deutlich hinter denen ihrer Mitschüler*innen zurück. Diese Forschungsarbeit behandelt die Frage, inwiefern Schüler*innen aufgrund ihrer sozialen sowie ethnischen Herkunft im deutschen Bildungssystem benachteiligt werden. Außerdem wird in den Blick genommen, in welchem Verhältnis diese beiden Benachteiligungsdimensionen stehen. Zur Annäherung an die beschriebene Problematik wird auf theoretischer Ebene die Habitus- und Kapitaltheorie des Soziologen Pierre Bourdieu erläutert. Im empirischen Teil der Arbeit werden sechs narrative Interviews von Betroffenen analysiert, mit dem Ziel, entsprechende Diskriminierungsprozesse aufzudecken.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.5 Die intersektionale Perspektive auf soziale Ungleichheiten: Unter Intersektionalität wird allgemein verstanden, dass Diskriminierungskategorien wie Geschlecht, Behinderung, Sexualität, Ethnizität oder Klasse nicht isoliert voneinander analysiert werden können, um die Hintergründe sozialer Ungleichheit zu verstehen (vgl. Bronner/Paulus 2021: 11 Marten/Walgenbach 2016: 2). Das Konzept der Intersektionalität stammt ursprünglich aus der Frauen- und Geschlechterforschung (vgl. Bronner/Paulus 2021: 11). Im Umfeld des Black Feminism wurde bereits in den 1960er-Jahren diskutiert, inwiefern soziale Ungleichheit sich durch das Zusammenwirken mehrerer Kategorien konstituiert. Der Begriff Intersectionality , welcher 1989 von der Juristin Kimberlé Crenshaw eingeführt wurde, verweist metaphorisch auf das Bild einer Straßenkreuzung, um die Wechselbeziehungen verschiedener Kategorien sozialer Ungleichheit aufzuzeigen (vgl. Bronner/Paulus 2021: 11). Der intersektionale Ansatz folgt der Annahme, dass es an den Schnittstellen von Diskriminierungsachsen nicht einfach zu einer Zunahme von Diskriminierung kommt, sondern sich jeweils eigene, spezifische Diskriminierungsformen herausbilden (vgl. Ganz/Hausotter 2020: 21). Mit dem expliziten Fokus auf die Wechselbeziehungen der Diskriminierungsdimensionen ist der Ansatz, in interdisziplinären Zusammenhängen zu denken, gegeben (vgl. Bronner/Paulus 2021: 12). Es wird ein Blick auf individuelle Lebenslagen und Problemkonstellationen ermöglicht, ohne dabei zu individualisieren (vgl. vgl. Bronner/Paulus 2021: 12). Das intersektionale Konzept enthält immer auch ein gesellschaftskritisches Moment, denn Diskriminierungskategorien lassen sich nur im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Macht- und Herrschaftsverhältnissen untersuchen (vgl. ebd.). Für diese Arbeit ist von Bedeutung, welche Bezüge sich zwischen den Kategorien soziale Herkunft und Ethnizität ergeben. Wechselwirkungen zwischen Klasse und Ethnie können sich unterschiedlich äußern. Zunächst ist festzuhalten, dass der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund in der Gruppe der sozial weniger Privilegierten größer ist als der Anteil der Einheimischen (vgl. Gogolin/Maaz 2019: 7). In der Gruppe der sozial Privilegierten herrscht hingegen ein umgekehrtes Verhältnis. (vgl. Gogolin/Maaz 2019: 7). Da es sich bei einem Großteil der Schüler*innen mit Migrationshintergrund um Nachkommen der sog. Gastarbeiter*innen handelt, werden nachfolgend Wechselwirkungen zwischen der sozialen und einer speziellen ethnischen Herkunft dargestellt. Diese Darstellung erfolgt anhand des Beispiels von türkischen Gastarbeiterinnen und Gastarbeitern in Deutschland. Mit dem Anwerbeabkommen zwischen Deutschland und der Türkei (1961) kamen viele türkische Gastarbeiter*innen nach Deutschland, um den Bedarf an Arbeitskräften aufgrund des Wirtschaftswachstums zu decken (vgl. Diehl et al. 2015: 6). Es wurden gezielt gering qualifizierte Einwanderer angeworben. Die Gastarbeiter*innen hatten im Vergleich zur Mehrheitsbevölkerung in Deutschland ein geringeres Bildungsniveau und übernahmen häufig Arbeiten, die viele Einheimische nicht mehr ausführen wollten (vgl. Diehl et al. 2015: 6 Höhne et al. 2014: 10). Im Entwicklungsverlauf des Gastarbeiterdaseins wurden sie Teil einer Unterschicht , die sich nicht nur ökonomisch, sondern auch kulturell und sprachlich abgrenzen ließ (vgl. Höhne et al. 2014: 10). Dieses Phänomen beschrieb der Soziologe Hans-Joachim Hoffmann-Nowotny mit dem Begriff der Unterschichtung (vgl. Schwinn 2008: 32). Hoffmann-Nowotny zufolge ist die Klassenposition ausschlaggebend für ethnische Grenzziehungsprozesse, die sich in Selbst- und Fremdwahrnehmung niederschlagen (vgl. Schwinn 2008: 32). Die Unterprivilegierung in der Aufnahmegesellschaft sorgt dafür, dass die (in diesem Fall) türkischen Zuwanderer ein starkes Bewusstsein für die Zugehörigkeit zu ihrer ethnischen Gruppe entwickeln und ethnisch-kulturelle Abgrenzungsreaktionen zeigen (vgl. Schwinn 2008: 32). Ebenso wird die (Fremd-)Wahrnehmung der einheimischen Bevölkerung beeinflusst. Die extreme Klassenunterprivilegierung im Zusammenhang mit räumlicher Segregation lenkt einen (häufig defizitorientierten) Fokus auf die Menschen, wobei sie als ethnische Gruppe stärker ins Bewusstsein treten (vgl. ebd.). Für viele türkische Gastarbeiter*innen und ihre Nachkommen ergab, bzw. ergibt sich durch diese Unterschichtung eine Benachteiligung, die einerseits auf sozioökonomischen und andererseits auf migrationsspezifischen Bedingungen fußt.

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